Mai / Juni 2025
Funkturm
Zur Revitalisierung des ROGO-Areals

Bauhaus-Universität Weimar
Bachelor
24.03.2025
Landschaftsarchitektur und -planung, Prof. Dr.-Ing. Sigrun Langner
Kulturbauten
Archicad, Vectorworks, Rhino, Blender, Adobe CC
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wächst Oberlungwitz, eine Kleinstadt zwischen Zwickau und Chemnitz, zum Zentrum der sächsischen Textilindustrie heran, angeführt durch die Strumpffabrik Robert Götze (ROGO). Die 1990er-Jahre leiten in Oberlungwitz, wie vielerorts in den neuen Bundesländern, Rückgang und Schrumpfung ein.
Heute steht der ROGO-Turm kaum noch für den Wohlstand und Fortschritt, den er einst verkörperte. Aus dem einstigen wirtschaftlichen Zentrum der Stadt ist eine fragmentierte Leerstelle geworden. Gleichzeitig lädt diese Leerstelle die gesellschaftlichen Unsicherheiten der Gegenwart ein. Lokale Beispiele wie die Uhlig-Mühle und das Berggasthaus verdeutlichen das Vorhaben, an geschichtsträchtigen Orten Knotenpunkte für rechte Netzwerke schaffen zu wollen. Spätestens als Maximilian Krah in diesem Wahlkreis 44,2 % der Erststimmen bei der Bundestagswahl 2025 erhielt, wurde das politische Risiko solcher Leerstellen unübersehbar.
Der Turm darf somit nicht der Unbestimmtheit verfallen: Eine der größten Bausubstanzen in der geografischen Ortsmitte von Oberlungwitz ist von zu großer Bedeutung, um polarisiert zu werden. Eine tolerante und demokratisch besetzte Stadtmitte muss entstehen.
Als entwurfliches Gerüst wird neben inhaltlichen Grundsätzen ein Etappierungskonzept erstellt, um die Arealentwicklung schrittweise zu fördern und ggf. auf Bedarfsänderungen reagieren zu können.
Zunächst soll das leerstehende Gebäude erlebbar und zugänglich gemacht werden. Der pragmatische Ansatz startet mit der Erschließung: Das tiefer liegende Erdgeschoss erhält auf beiden Seiten barrierefreie Zugänge. Niederschwellige Raumangebote für gemeinschaftliche Nutzung machen den bisher isolierten Turm erlebbar und geben den ersten Anstoß für die weitere Entwicklung.
Im nächsten Schritt öffnen Ortswerkstatt und eine erweiterte Stadtbibliothek mit Lerncarrels. Der ehemalige Speisesaal wird als Ortskantine reaktiviert und bildet mit der täglichen Essensausgabe einen neuen Treffpunkt. Der Bachplatz wird zur Stadt hin geöffnet und über eine Achse mit dem Stadtpark verbunden. Anbauflächen und ein Stadtgarten bieten Raum für Vereinsprojekte. Ein grünes Klassenzimmer ergänzt den offenen Freiraum.
Im ersten Obergeschoss wird das Raumprogramm erweitert: In der "Grauen Fabrik" entsteht eine Sprachschule, die ein neues Bildungsangebot schafft und gleichzeitig neue Besucher*innengruppen nach Oberlungwitz zieht. Ergänzend wird eine Herberge für Kurzaufenthalte eingerichtet. Es entstehen Warm- und Kalträume, die nach Bedarf beheizt werden können.
Je nach Bedarf können die oberen Geschosse mit flexiblen Wohnungen ausgestattet werden, die im Gegensatz zur Herberge eine dauerhafte Belebung des Areals fördern. Eine Außentreppe an der Stirnseite der Roten Fabrik bildet eine eigene Adresse für die Anwohner*innen und wird zum sichtbaren äußeren Zeichen der Transformation. Die neue, beleuchtbare Turmkonstruktion strahlt als Symbol des Wandels in die Region.
Text von Werner Thäsler.