Mai / Juni 2025
Universität der Künste Berlin
Der Parc National des Calanques und seine industrielle Vergangenheit
Eine Postindustrielle Landschaft im Wandel

Universität der Künste Berlin
Master
23.04.2025
Prof. Nanni Grau, Prof. Matthias Noell, Atelier le balto
Landschaftsarchitektur
ArchiCAD, Adobe Cloud, Blender
Die Calanques, schmale Buchten südlich von Marseille, sind schon seit vielen Jahrhunderten geprägt von menschlicher Aktivität.
Die Seifenindustrie, aber vor allem die Blei- und Sodaindustrie, die sich später in den Calanques ansiedelte, hatte schwerwiegende Auswirkungen auf die Landschaft, das Wasser und die Böden. Während die Calanques heute vor allem als Urlaubsziel mit türkisblauem Wasser und Wanderwegenetz bekannt ist, finden sich auch heute noch Überreste und Zeugnisse der industriellen Vergangenheit. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Parks liegen Fabrikruinen, Grenzmauern und so genannte kriechende Schornsteine, die teilweise über Hunderte von Metern entlang der Topographie gebaut wurden. Auch unsichtbare Relikte finden sich in Form von kontaminierten Böden rund um die ehemaligen Standorte der Bleifabriken. Dabei wurden Abfallprodukte und Schlackehäufen oftmals nicht ordnungsgemäß beseitigt, sondern sind Teil der heutigen postindustriellen Landschaft.
Die ehemalige Fabrik Legré-Mante in Montredon, ein Stadtteil Marseilles, war eine der Bleifabriken in den Calanques, die sich im 19. Jahrhundert dort angesiedelt haben. Elf Jahre der Bleiproduktion, von 1873 bis 1884, haben sichtbare und unsichtbare Spuren hinterlassen. Schwermetall- und vor allem Bleipartikel haben sich durch Abgase und das Lagerorten von Bleierzen im Boden angesammelt. Dort verweilen sie, bis sie aus dem Boden gefiltert oder über Erosion verlagert werden. Die gemessenen Bleiwerte auf dem Grundstück liegen zum Teil weit über den Grenzwerten von Wohngebieten. Blei aus dem Boden kann zum Beispiel über Nahrung aufgenommen werden oder über Kleidung in Innenräume übertragen werden. Kinder und Haustiere müssen daher besonders geschützt werden und vom Spielen und Betreten kontaminierter Bereiche abgehalten werden. Die körperliche Aufnahme der Bleipartikel kann zu einer Bleivergiftung und irreparablen Nervenschäden führen, mit Symptomen wie Schwäche und Persönlichkeitsänderungen.
Die Intervention beinhaltet die Perforierung der bisher bestehenden Grenzmauer und die Setzung eines neuen Wegenetzes, das kontaminierte Bereiche ausschildert und abschirmt. Von der Bleikontamination betroffene Flächen werden mit der Methode der Phytosanierung stetig betreut und überwacht und somit über Jahrzehnte und Jahrhunderte in einem langwierigen Prozess entgiftet. Dabei nehmen ausgewählte Pflanzen Schadstoffe aus dem Boden auf. Die Reaktivierung der Bestandsgebäude dient in erster Linie der Phytosanierung und nimmt den industriellen Charakter auf. Der alte Speicher dient als Lager- und Trocknungshalle der Pflanzen, das ehemalige Laboratorium wird als Laborgebäude wiedergenutzt. Die Öffnung des Fabrikplatzes dient als neue Dorfmitte und ermöglicht Begegnung, Vermittlung und Austausch. Die Umgestaltung des Areals wird in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark, der Nachbarschaft und Tourist*innen umgesetzt, um einen Ort der Vermittlung und des Lernens über die Vergangenheit zu schaffen.
Text von Kristina Sauer.