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September / Oktober 2022

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz

Regeneration

Neues Leben in der Eisengießerei Budde & Goehde am Finowkanal

von Christina Wüst

Hochschule:

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz

Abschluss:

Master

Präsentation:

15.07.2022

Lehrstuhl:

Prof. Dominik Fiederling

Rubrik:

Bauen im Bestand

Software:

ArchiCad

Die Wasserstraße zwischen Havel und Oder war für lange Zeit eine der wichtigsten Verkehrsanbindungen der Mark Brandenburg und das Ausmaß der metallverarbeitenden Industrie ist heute noch spürbar. Durch die günstige Lage des Thorn-Eberswalde Urstromtal, das sich in Ost-West-Richtung zwischen Eberswalde und Liebenwalde erstreckt bildet dieses Tal die an der besten geeignetsten Lage für den Bau der künstlichen Wasserstraße. Er passiert zahlreiche Dörfer und die Stadt Eberswalde mit einem Gefälle von über 60 m, dessen Wasserkraft schon früh erkannt wurde, sodass sich zahlreiche Industriestandorte dort ansiedelten.


Der Gießereistandort entstand 1884 und war im Besitz des sächsischen Fabrikbesitzers Carl Augustini. Zwei Jahre später wurde diese von den Ingenieuren August Budde und Tassilo Goehde erworben. Im Zuge der Berliner Stadtentwässerung stiegen sie, mit ihrem Standort der Eisengießerei Eberswalde, in die Produktion der massenhaft benötigten Güter ein. Hergestellt wurden: Rohre, Gullydeckel, Hydranten und später auch Rippenheizkörper, Ausgüsse und Herdplatten. 1930 ging die Fabrik durch den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise in Konkurs und wurde verkauft. Danach dienten die Gebäude der ehemaligen Gießerei als Marmeladenfabrik, Lager für GHG Textil und Billetfabrik. Die Gebäude sind ein Teil der einstigen Bedeutung der Bergerstraße: ein bevorzugter Industrie- und Gewerbestandort.


Drei Gebäudeteile der ehemaligen Gießerei stehen unter Denkmalschutz: die Remise an der hinteren Grundstücksgrenze, die Hofstraße aus historischem Kopfsteinpflaster mit Gullydeckel der Firma Budde & Goehde und Teile der damaligen Schmalgleisanlage sowie das Gießereigebäude der Halle I direkt an der Berger Straße. Halle I-V und die Remise stehen zurzeit leer. Die eingeschossigen Gebäude gegenüber der Hallen werden zurzeit zu Wohnzwecken genutzt. Wohngebäude I wurde vor einigen Jahren überformt und die damalige Materialität ist nichtmehr sichtbar. Außerdem ist es in sehr schlechtem Zustand. Die Werkstatt wurde in der letzten Bauphase des Geländes erbaut. Die parallele Struktur der Hallen ist prägend für die bestehende Bausubstanz und findet ihren Abschluss an der denkmalgeschützten Hofstraße. Diese Struktur war ausschlaggebend für die Bearbeitung des Entwurfs und wird in allen Bereichen fortgeführt. Für die Bearbeitung der drei Gebäudeteile gibt es unterschiedliche Herangehensweisen im Umgang mit dem Bestand. Hierfür war jeweils eine Vokabel ausschlaggebend für das übergeordnete Konzept des jeweiligen Gebäudes: Imitat, Fortschreibung und Zitat. Die Hallenstruktur weist eine Lücke zwischen Halle IV und Halle V auf. Diese wird geschlossen und so imitiert, dass sie sich sowohl in der Materialität als auch in der Form unterordnet und einfügt. Da die Remise sowohl als Atelier als auch für Wohnzwecke genutzt wird und bisher nur Licht von Norden erhält, wird diese aufgestockt. Der aufgesetzte Baukörper soll neu interpretiert werden und Licht von Süden generieren. Die Bestandsgebäude gegenüber der Hallen wirken der Wohndichte im Zentrum von Eberswalde entgegen und werden somit durch einen viergeschossigen Baukörper ersetzt. Er steht somit im Kontrast der Gießereihallen und steht damit für das Zitat. Der neue Wohnbau mit Ost-West Orientierung rückt von den Hallen ab und gibt ihnen mehr Raum zum Wirken. Die Hofstraße wird damit zum Platz und bietet für Grünflächen, Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten. Zwischen Halle und Remise entsteht eine großzügige Grünfläche für alle Bewohner. Um eine Überhitzung der Hallen im Sommer und damit Licht von Norden zu generieren, wird die Dachstruktur von Halle III bis V verändert. Die Lücke wird mit einem Gebäudevolumen mit Satteldach gefüllt und ordnet sich der bestehenden Struktur unter. Die Remise nimmt durch die Aufstockung die neue Dachstruktur der Hallen an, jedoch in Südausrichtung und generiert somit Licht für die Wohnnutzung im oberen Geschoss. Im Erdgeschoss befinden sich die Ateliers der einzelnen Reihenhäuser und nutzen das Nordlicht.

Text von Christina Wüst.