September / Oktober 2024
Akademie der bildenden Künste Stuttgart
Milch, Markt, Menschen
Interaktion mit dem Ungenutzten
Akademie der bildenden Künste Stuttgart
Master
11.07.2024
ARCHITEKTUR- UND DESIGNGESCHICHTE/ARCHITEKTURTHEORIE, Prof. Ole W. Fischer
Gewerbebauten
Rhino 3D, Adobe Illustrator, Adobe Photoshop, ArchiCAD
Ebermannstadt - das selbsternannte „Tor zur Fränkischen Schweiz“ ist einer der vielfrequentierten Durchfahrtsorte in das dahinterliegende Naherholungs- und Tourismusgebiet Fränkische Schweiz. Bereits im Jahr 1793 bezeichnete der Romatiker Ludwig Tiek sie als „[…] Gegend, die zu tausend Schwärmereien einladet[…]“. Diese Faszination üben die scheinbar unberührte und urige Natur und die von Tälern und steilen Hängen geprägte Landschaft noch immer auf bis zu 9,9 Millionen Tagestouristinnen pro Jahr und zusätzliche länger verweilende Gäste sowie Einwohnerinnen aus.
In Scharen fahren sie, gerade an den Sommerwochenenden, mit ihren PKWs zum Wandern, Campen, Reiten, Klettern und vielen weiteren Outdoor-Aktivitäten in die „Fränkische“ und belasten damit nicht nur die Umwelt, die sie so genießen, sondern auch die Orte, durch die die Bundes- und Landstraßen führen. Der vorhandene ÖPNV endet im Fall jeglicher Zuganbindungen in den Randbereichen der Tourismusregion, unter anderem in Ebermannstadt, die Taktung des Busverkehrs ist in vielen der ländlichen Gebiete der Fränkischen Schweiz antizyklisch zu den Hauptbesuchszeiten, am Wochenende, organisiert. Ein Tagesausflug in die Fränkische Schweiz ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum möglich – es bleibt nur das Auto.
Neben den Besucherinnen und Pendlerinnenströmen, die sich täglich, aber vor allem am Wochenende, durch die Kleinstadt Ebermannstadt ziehen leidet die Stadt unter anderem an zunehmendem Leerstand, sowohl in der Altstadt, aber auch an den Randbereichen, monofunktionalen Stadtgebieten, einem von PKW-Infrastruktur geprägtem Ortseingang und einer generellen Einschränkung des städtischen Breitenwachstums durch umliegende Natur- und Vogelschutzgebiete – glücklicherweise.
Den vorangestellte Problematiken möchte sich der Entwurf „Milch, Markt, Menschen – Interaktion mit dem Ungenutzten“ mit der Transformation von zwei leerstehenden Industrie- und Handelsbetrieben am südwestlichen Ortseingang widmen, um von dort aus eine Vernetzung von Menschen, Orten, Geschichten und Gemeinschaften herzustellen. Dabei werden sowohl die neuen Bewohnerinnen der Anlage, die Nachbarschaft, die Gäste und die Tourismusregion mit eingebunden.
Außerdem wird dem Erhalt der materiellen und objektgeprägten Identität des Areals große Wichtigkeit zugeschrieben und sich diesem spielerisch und entsprechend seiner vielen Nachnutzungen auf unterschiedliche Weisen genähert. Elemente werden as found oder as demolished oder mit nur kleinen Änderungen umgedeutet und zu architektonischen und raumprägenden Objekten, die die Erinnerung an die ehemalige Nutzung konservieren und aktivieren.
Das Projekt „Milch, Markt, Menschen – Interaktion mit dem Ungenutzten“ soll ländlichen Gemeinden und Kommunen als Vorbild im Umgang mit Leerstand dienen und kann als Leuchtturm für weitere vernetzende Eingriffe in der Region betrachtet werden.
Text von Felix Franke.