November / Dezember 2024
Technische Universität Dresden
Kalman-von-Wiehe-Haus
Jüdisch-Mittelalterliches Leben in Erfurt
Technische Universität Dresden
Diplom
25.09.2024
Gastprofessur Entwerfen - Studio Max Wasserkampf
Kulturbauten
Archicad, SketchUp, Vray, Photoshop
DRITTER ORT FÜR ERFURT
Der zufällige Fund eines längst vergessenen Schatzes inmitten von Erfurt führte zur Auseinandersetzung mit dessen jüdisch-mittelalterlichen Erbes. Infolgedessen wurde die alte Synagoge, die Mikwe und das steinerne Haus in das UNESCO-Welterbe aufgenommen wurden. Als Ergänzung zu den Denkmälern soll nun ein neues Besucherzentrum entstehen, welches die Kriterien eines Dritten Ortes (nach Ray Oldenburg: The Great Good Place, 1989) beheimaten soll.
TYPOLOGISCHES ENSEMBLE
Die Entwurfsaufgabe umfasst ein komplexes Raumprogramm, um der Rolle als öffentlich wirksamen Kulturort gerecht werden zu können. Als Reaktion zur kleinteiligen und heterogenen Altstadt Erfurts gliedert der Entwurf daher das Programm in drei eigenständige Gebäude. Jedem Gebäude ist eine grundlegende Hauptfunktion zugeordnet, aus dieser eine räumliche Typologie resultiert:
- Veranstaltungen als Pavillon
- Bibliothek als Galerie
- Ausstellungen als Enfilade
Damit die drei Typologien als zusammenhängendes Ensemble wirksam, dient eine umlaufende Kolonnade als verbindende bauliche Struktur. Es entsteht ein gemeinsamer Innenhof als Stadtraum, von welchem alle Nutzungen eigenständig erschlossen und unabhängig voneinander genutzt werden können.
NIEDRIGSCHWELLIGER AUSDRUCK
Der Ausdruck eines Gebäudes hat zweifelsfrei einen erheblichen Einfluss auf dessen Wirkung im öffentlichen Kontext. Im Bezug zur Gestalt eines Dritten Ortes nennt Ray Oldenburg das "low profile" als eine der notwendigen Bedingungen. Dementsprechend ist es ein Bestreben des Entwurfes, eine Gestaltung zu finden, welche den niedrigschwelligen Charakter des Kalman-von-Wiehe-Hauses unterstützt.
Im Inneren ist das Ensemble von seiner Konstruktion und dessen Materialien geprägt. Sichtbare Oberflächen und farbige Akzente betonen die verschiedenen Elemente (Boden, Wand, Decke). Die einheitliche Farb- und Materialpalette vermittelt zwischen den Gebäuden und ihren unterschiedlichen Raumstrukturen.
Die Fassaden werden in ihrer Gewichtung differenziert. Durch die räumliche Vorsetzung der Kolonnade, ist diese das maßgebende und ausgeprägteste Element. Mit einem abstrahierten Bogen werden die Öffnungen betont. Es entsteht ein Hybrid aus baulicher Kolonnade und visueller Arkade. Sowohl hof- als auch straßenseitig verbindet ein quadratischer Fries als horizontales Band das gesamte Ensemble.
Die eigentlichen Gebäudefassaden liegen auf der konzeptuell relevanten Hofseite in zweiter Ebene hinter der Kolonnade. Dementsprechend sind diese deutlich pragmatischer und in ihrer Gestalt dezenter ausformuliert. Sie lassen die interne Struktur außen ablesbar werden. Besondere gestalterische Bedeutung kommt den Giebeln zu. Diese sind die einzigen Gebäudefassaden, welcher in einer räumlichen Ebene mit der Kolonnade liegen. Die farbige Gestalt zieht sich in die Giebel und betont dadurch die Eingänge zum Hof.
Text von Heinrich Thiel.