März / April 2025
Gemeinschaft wächst nicht auf Bäumen
Umgang mit Bestand durch zärtliche Radikalität

Bauhaus-Universität Weimar
Bachelor
10.02.2025
Konstruktives Entwerfen und Erproben Jun.- Prof. Tim Simon- Meyer
Kulturbauten
ArchiCad, Blender, Cloudcompare, Rhino 8, Adobe InDesign,
Menschen brauchen Gemeinschaft. Sie ist essentiell für ein gesundes und nachhaltiges Stadtbild. In Magdeburg gibt es zu wenig Orte, die verbinden und die Unterschiede der Individuen zelebriert und annimmt. Die 1823 gegründete Brauerei Bodenstein erbaute 1899 an der Sieverstorstraße einen Industriekomplex, welcher der Zeit voraus war. Heute steht, nach einer Enteignung 1936, zahlreichen Umnutzungen über Leerstand und endgültigem Abriss des Areals, lediglich noch der Südturm als geschichtsträchtiges Relikt. Er ist von Brachland und Leerstand in einem unberücksichtigten Stadtteil Magdeburgs umzingelt. Ich sehe darin jedoch enormes Potenzial, um einen Ort zu schaffen, der alle Menschen beachtet und willkommen heißt. Dabei soll der Bestand bewahrt werden und dessen Geschichte ablesbar bleiben. Menschen sollen durch dieses Gebäude und dessen enormen Angebots angelockt werden. Das Gebäude ignoriert seine Umgebung nicht, sondern liefert den nötigen Funken, welcher die Umgebung katalysiert. Leerstand entwickelt sich zu resilientem Wohnraum mit einem Leuchtturm für Gemeinschaft in dessen Herzen.
Mir war es dabei wichtig, eine Idee zu präsentieren, die sich nicht vor der eigenen Realität verstecken muss. So sind die Eingriffe konstruktiv nachhaltig und kosteneffizient geplant. Die Außentreppen dienen der funktionalen Erschließung sowie den Notwendigkeiten des Brandschutzes. Sie sind jedoch so entworfen, dass der Bestand dabei nicht angegriffen wird. Das Erdgeschoss trifft den Ausdruck des Gebäudes sehr gut. Es nutzt den Raum funktional. Der Charakter des Gebäudes bleibt erhalten und die Veränderung sichtbar. Die großen Löcher im Boden, einst geschlossen durch die großen Brauereitanks, bieten nun einen direkten Blick auf die darunter liegende, offene Bühne, deren Strahlkraft so über die Grenzen der Geschossigkeit hinaus, das Gebäude als lebendigen und einladenden Ort bereits beim Eintritt erkennbar werden lässt. Der Raum im ersten Obergeschoss wird umgenutzt und bietet die Grundlage für einen Workshop-Bereich, wo mit- und voneinander gelernt werden kann. Mittels minimaler Eingriffe wird das zweite Obergeschoss in eine Kochschule verwandelt, die sich die industrielle Robustheit zu Nutzen macht. Darüber befindet sich die begehbare Dachterrasse, welche auch durch die hintere Außentreppe jederzeit erreichbar ist. In dem 1936 ergänzten Siloturm werden nur notwendige Einschnitte vorgenommen, um dort eigenständige Körper einzuhängen. Sie können als Aufnahmestudios oder Proberäume genutzt werden, wo zusammen Musik erschaffen werden kann. Aufgrund des jahrzehntelangen ungedeckten Zustands ist der Dachstuhl marode und muss entfernt werden. Dafür wird auch hier ein selbsttragender, gedämmter Körper eingesetzt. Das begehbare Flachdach aus Stahltrapezprofilen schließt den Siloturm ab. Im Sinne des originalen Dachstuhls wird ein Stahlgerüst errichtet und repräsentiert den Zeitraum des Leerstandes, so wie ich das Gebäude kennengelernt habe.
Text von Ole Mohrenweiser.