Januar / Februar 2025
Technische Universität München
FÜR? SORGE!
Exemplarisches Sorgezentrum am Lerchenauer See als räumlicher Anker nachbarschaftlicher Fürsorgenetzwerk

Technische Universität München
Master
11.10.2024
Professur für Urban Design, Prof. Dr.sc. ETH Benedikt Boucsein
Kulturbauten
ArchiCAD, vectorworks, InDesign, Illustrator, Photoshop, Lightroom, Premiere, Miro, Word, MaxQDA,
Wer pflegt meine Angehörigen, wenn ich selbst krank bin? Wie erledige ich abends noch meinen Wäscheberg? Wer hört sich meine Sorgen an?
Fürsorge ist zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft, wird jedoch vielfach als private Frage missverstanden. So eng gefasst, ist einerseits unsere Versorgung in Bedrängnis, das drückt sich in wachsender Einsamkeit und einem Mangel an Kita-Plätzen oder Altenpflege aus. Andererseits ist Fürsorge Kernthema der Gleichberechtigung, da Frauen ein enormes Mehr an Sorgearbeit leisten, oft unbezahlt, unsichtbar und wenig wertgeschätzt.
Um alternativ stabile egalitäre nachbarschaftliche Fürsorgenetzwerke aufzubauen, zu unterstützen und zu erhalten sind Sorgezentren ein vielversprechender räumlich-infrastruktureller Ansatz. In seiner zentralen Position in der Siedlung rückt ein Sorgezentrum Fürsorge selbstverständlich in die Mitte des Alltags. Es bündelt vorhandene Angebote der Fürsorge und macht diese im öffentlichen Raum auffind- und sichtbar, bildet zu geschlechtergerechter Fürsorge und transformiert den Raum fürsorgegerecht.
Dabei ermöglicht es, dass Nachbar*innen sich umeinander kümmern und so die enge Fürsorgeeinheit Kernfamilie aufgeweitet werden kann. So können sich Nachbar*innen bei Aufgaben entlasten, die allein nicht bewältigbar sind und zu einem sich umeinander kümmernden Netzwerk werden. Was innerhalb der Kernfamilie schwer möglich ist, das gelingt als Nachbarschaft. Ein Sorgezentrum bildet so den räumlichen Anker und Katalysator einer fürsorgenden Nachbarschaft.
In unsere Masterarbeit erarbeiteten wir ein Konzept für ein bedarfsgerechtes - exemplarisches – Sorgezentrum für die Siedlung am Lerchenauer See. Im Fokus steht die Untersuchung der tatsächlichen Anforderungen an ein Sorgezentrum im sanierungsbedürftigen Ladenzentrum.
Die Reorganisation zur fürsorgezentrierten Nachbarschaft kann nur unter Einbezug der vorhandenen Fürsorgenetzwerke – Anwohner*innen sowie die vor Ort wirkenden Fürsorgeinstitutionen – geschehen. Um diese unterschiedlichen Perspektiven einzubeziehen und schon im Prozess unserer Konzepterarbeitung Fürsorge vor Ort neu zu positionieren, stand neun Tage lang unser öffentlicher partizipativer Forschungspavillon raumfürsorgeraum am Ladenzentrum. Als räumliche Intervention veränderte er den gewohnten Blick, weckte Neugier und stand als Symbol einer möglichen Veränderung. Eine tiefere öffentliche Auseinandersetzung mit Fürsorge fand im Rahmen der Gesprächsrunde „Wie wollen wir uns umeinander kümmern?“ statt, zu der Akteurinnen der lokalen Fürsorgeinfrastruktur eingeladen waren mit Anwohner*innen ins Gespräch zu kommen. Beim gemeinsamen Kochen, Film schauen oder Einkaufstaschen gestalten und anhand der Forschungstools wie Visionspostkarten, Transparenten mit Klebepunkt en oder Architekturmodell konnten wir ein Sorgezentrum vor Ort gemeinsam vordenken.
Text von Theresa Klingler und Viktor Späth.