Mai / Juni 2023

Technische Universität Wien

Fragmente

Möglichkeiten im Bestand

von Mario Sommer

Hochschule:

Technische Universität Wien

Abschluss:

Diplom

Präsentation:

27.04.2023

Lehrstuhl:

Hochbau und Entwerfen / Thomas Hasler, Lorenzo De Chiffre

Rubrik:

Bauen im Bestand

Software:

Archicad, Blender, Adobe Photoshop, Adobe Indesign, Adobe Illustrator

Mit jedem abgerissenem Gebäude gehen nicht nur emotionale und historische Werte verloren, sondern auch ökologische Ressourcen bzw. graue Energie. Es ist an der Zeit, neue Denkweisen in Bezug auf Bestand in der Gesellschaft zu etablieren, um speziell den laut Denkmalpflege „nicht schützenswerten“ Bestand vor dem Abriss zu bewahren. Möglichkeiten in „Alltagsarchitektur“ aufzuzeigen, um ein Weiterdenken der Strukturen auszulösen, ist der Fokus dieser Arbeit. Ein guter Entwurf für einen Umbau steht einem Neubau um nichts nach. Im Gegenteil, das „Bauen im Bestand“ bietet Architekt:innen ein Repertoire, das ihnen selbst kaum möglich ist, abzurufen. So lässt das Bestehende, durch die gegebenen Parameter, Räume und Atmosphären entstehen, welche in einem Neubau nur sehr schwer zu erzeugen sind.

Es wurde verschiedene Positionen, bis hin zu einem Interview mit Jo Taillieu, zum Umgang mit Bestand gesammelt und aus der Analyse von Referenzen eine Typologie entwickelt, welche verschiedene Gesten darstellt, wie sich der Neubau zum Bestand verhalten kann. Zu den zentralen künstlerischen und gestalterischen Herausforderungen gehört die Frage, inwiefern das Ursprungsbauwerk erhalten bleiben soll. Die Umbautypen wurden je nach Eingriff organisiert und reichen vom Bestand als Identitätsträger bzw. dem kompletten Erhalt der Gestalt bis hin zum Bestand als Materialressource bzw. dem Rückbau des Gebäudes.

Alle Projekte dieser Arbeit sind Fragmente von Transformation und sind als Diskussionsgrundlage für künftige Veränderungen zu verstehen. Sie sollen allen beteiligten Akteur:innen Bewusstsein für die Möglichkeiten in vorhandene Strukturen vermitteln. Bestand muss als Möglichkeitsraum, anstatt als Ballast wahrgenommen werden.
Es handelt sich bei allen Gebäuden um Leerstand, welcher kurz vor dem Abriss steht oder schon seit längerem ohne Perspektive leer steht. Die vier Gebäude sind eine ehemalige Industriehalle aus 1950. ein Landhaus aus 1892, eine Feuerwehr aus ca. 1920 welche um 1970 erweitert wurde und eine ehemalige Chemiefabrik aus ca. 1830 welche um 1975 durch eine kleine Industriehalle ergänzt wurde. Alle vier Gebäude befinden sich in ruralem Kontext im Umkreis von 2 km in der Ortschaft Obernberg am Inn in Oberösterreich.


Sich einem Bestand anzunähern, bedeutet das Annähern auf vielen Ebenen.
Es bedeutet sich einzulassen auf vorhandene Strukturen, das geschaffene Werk von jemand anderen anzuerkennen und zu verstehen.
Es bedeutet, das soziale Gefüge rundherum und den Bezug zum Gebäude kennenzulernen.
Es bedeutet, den physischen Wert und Qualitäten herauszufiltern.
Es bedeutet, Schichten abzutragen und hinzuzufügen.
Es bedeutet, Atmosphären und Räume aufzuspüren, zu inszenieren und weiterzuentwickeln.
Es bedeutet, allen Akteur:innen diese Werte zu vermitteln.
Es bedeutet, auf Basis dessen unter Berücksichtigung all dieser Parameter nach dem „richtigen“ Eingriff zu suchen.
Text von Mario Sommer.