#ToBeContinued: Weiterbauen als Haltung

David Roth und Ralf Schweizer entwickelten in ihrer Diplomarbeit „Das Unfertighaus“ eine architektonische Haltung, die sie auch heute noch vertreten und anwenden. #ToBeContinued begleitet ihre Arbeit von den Anfängen im Masterstudium bis zur Ausformulierung in ersten eigenen Projekten.

Auf der einen Seite eine Faszination für die Schönheit des Alltäglichen und für irritierende Spuren der Geschichte. Auf der anderen Seite Orte in Zürich, an denen der durch die Politik herbeigeführte, erzwungene Wandel mit dem Wunsch nach Erhalt der Gebäudesubstanz kollidiert. Aus diesen beiden Interessenfeldern kristallisierte sich für David Roth und Ralf Schweizer die Idee für ihre Diplomarbeit an der ETH Zürich heraus. Betreut von Prof. An Fonteyne und Prof. Dr. Philippe Koch entwickelten sie mit „Das Unfertighaus“ eine architektonische Haltung, die sich in ihren heutigen Projekten widerspiegelt.

#ToBeContinued präsentiert Abschlussprojekte, die eine Geschichte erzählen: Konzepte, die weiterentwickelt und umgesetzt wurden und den Absolvent*innen einen erfolgreichen Berufseinstieg ermöglicht haben.

Ein neuer Weg der Stadtentwicklung

Während das Prinzip von „Ersatzneubauten“ in Zürich darauf zielt, Bestand abzureißen und mit Neubauten nachzuverdichten, versucht der Denkmalschutz bestimmte Gebäude zu erhalten, auch wenn sie den heutigen Bedürfnissen der Bewohnenden womöglich nicht mehr entsprechen. Mit ihrer Diplomarbeit versuchten David und Ralf einen neuen Weg der Stadtentwicklung zu gehen. Als Fallbeispiel wählten sie den Sihlquai, eine Straße in Zürich, die Schauplatz politischer Konflikte ist und auf eine vielfältige, von Dualismen geprägte Geschichte zurückblickt.

„Es gibt keinen Nullpunkt, keine Schlüsselübergabe. Der Prozess ist die erhaltenswerte Kondition, die nur dadurch erhalten werden kann, dass wir Veränderung erlauben.“ David Roth

Wie wollen wir mit dem Bestehenden umgehen? David und Ralf beantworteten diese Frage mit neun Leitsätzen. Veränderung ist für sie die einzige Konstante im Bauen. Es gibt keinen Originalzustand, den es wieder herzustellen gilt. Nicht nur der gebaute Raum gehört zum Gebäude, auch die gegenwärtigen, zukünftigen und projizierten Wünsche der Bewohnenden. Diese gestalten das Gebäude durch Aneignungen und Interventionen gleichermaßen wie die Planenden. Deshalb müssen Veränderungen immer erlaubt sein und ermöglicht werden. Die beiden Absolventen gehen sogar so weit zu sagen, dass Weiterbauen durch Nicht-Bauen passieren kann: Ein Wandel kann auch allein durch eine Verschiebung der Bedeutung geschehen.

Es könnte auch anders sein

In einem nächsten Schritt gingen David und Ralf auf Detektivarbeit. Um Interventionen zu entwickeln, die den Sihlquai nicht lediglich nachverdichten, sondern die auch auf die Wünsche der Nutzenden eingehen, wandten sie die neun Leitsätze an. Das Ergebnis ihrer Arbeit sehen sie keineswegs als finales Produkt. Vielmehr sind ihre Interventionen eine Sammlung von Möglichkeiten, ein Vorschlag, der den Ort besser machen soll.

Arbeit im Atelier-Kollektiv

Für die Zukunft wünschen sich David Roth und Ralf Schweizer eine größere Sensibilität im Umgang mit dem Bestand. Unfertiges soll als etwas Positives gesehen werden. Außerdem erhoffen sie sich ein Umdenken des Selbstverständnisses von Architekturschaffenden, die nicht mehr als alleinige Autor*innen, sondern als Co-Kreateure auftreten. Sie selbst sehen sich bereits in dieser Rolle. Mit 15 weiteren Gestalter*innen haben sie vor kurzem ein Atelier zur Zwischennutzung ganz in der Nähe des Sihlquais bezogen. Gemeinsam möchten sie Räume bespielen, die vom Abriss bedroht sind, um damit die Potenziale dieser Orte zu offenbaren. Als Atelier-Kollektiv haben sie eine Minigolfbahn auf einem brach liegenden Gleisfeld in Basel und ein temporäres urbanes Möbel realisiert. Eine mobile Küche aus ehemaliger Mensa-Infrastruktur ist derzeit am Entstehen.