Brutal schön: Drei Bücher zum Brutalismus

Ja, ja, Brutalismus kommt nicht von brutal. Trotz zahlreicher Publikationen können wir nicht genug bekommen von den in die Jahre gekommenen Betonkolossen. Diese #BookChat-Ausgabe stellt drei Bücher zum Thema vor. 

Raue Betonoberflächen, voluminöse Kubaturen, kolossale Maßstäbe – Brutalistische Architektur kommt nicht ohne einen gewissen Störfaktor aus. Kaum ein Architekturstil wird so leidenschaftlich verteidigt und ebenso entschieden abgelehnt. Auch die publizistische Auseinandersetzung bewegt sich zwischen denkmalgeschützter Nachkriegsmoderne und leerstehendem Abrisskandidaten. Drei aktuelle Bücher zeigen, wie international und vielschichtig Brutalismus heute verhandelt wird – von Porto über Berlin bis in die globale Forschungsperspektive. Die Autor*innen und Herausgeber*innen analysieren, dokumentieren, kuratieren und kämpfen nicht zuletzt für den Erhalt einer Architektur, die nie nett sein wollte.

Porto Brutalista

Portugals zweitgrößte Stadt ist nicht nur für ihre Altstadt und Azulejos bekannt – auch der Brutalismus hat hier seine Spuren hinterlassen. Dieses liebevoll gestaltete Buch in himbeerfarbenem Einband widmet sich der bislang wenig erforschten brutalistischen Architektur Portos, die zwischen 1950 und 1980 entstand. Kurze, zweisprachige Essays und atmosphärische Schwarzweißfotografien liefern einen Überblick über die jüngere portugiesische Architekturgeschichte – eine sorgfältige Materialsammlung und zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer für den Erhalt dieser Bauten. Herausgegeben wurde die Publikation von dem Architekturhistoriker Pedro Baía und der Architektin Magda Seifert, die gemeinsam den unabhängigen Verlag Circo de Ideias mit angegliederter Buchhandlung und Galerie in Porto leiten.

Mäusebunker und Hygieneinstitut

Von Porto geht es nach Berlin – Im Stadtbezirk Steglitz stehen zwei Ikonen des Brutalismus, denen Ludwig Heimbach sein Buch widmet. Der Architekt ist Initiator zahlreicher Aktionen zur Rettung brutalistischer Architektur in Berlin. Mit Ausstellungen, Performances und Publikationen hat er die Debatte um den Erhalt des „Mäusebunkers“ maßgeblich geprägt. Das Buch dokumentiert die intensive Auseinandersetzung mit diesem prägnanten Bau und seinem nicht weniger imposanten Nachbarn, dem ehemaligen Hygieneinstitut der Charité. Es versammelt einordnende Texte, historische Pläne, Fotografien von Kay Fingerle, Debattenbeiträge entscheidender Akteure und künstlerische Arbeiten. Im Fokus stehen die Fragen: Was macht ein Gebäude erhaltenswert? Wer entscheidet das – und warum? Eine vielstimmige Annäherung an zwei der radikalsten Nachkriegsbauten Deutschlands.

SOS Brutalismus

Abschließend ein Klassiker der Brutalismus-Literatur: „Eine internationale Bestandsaufnahme“ lautet der Untertitel der Publikation, die aus einem gemeinsamen Projekt des Deutschen Architekturmuseums und der Wüstenrot Stiftung hervorging. Und genau das wird Leser*innen hier geboten: Auf über 700 reich bebilderten Seiten findet sich ein Querschnitt durch die globale Geschichte des Brutalismus. Auf ein Vorwort der drei Herausgeber, Oliver Elser, Philip Kurz und Peter Cachola Schmal folgen vier Essays und sechs Fallstudien diverser Autor*innen. Herzstück des Buches sind jedoch die 120 Bauten, die nach Regionen geordnet und anhand eines kurzen Textes und mehreren Abbildungen vorgestellt sind. Die Spannweite der gezeigten Bauwerke reicht von berühmten Ikonen wie Boston City Hall zu bislang nie publizierten Neuentdeckungen. Grundlage für die Projektauswahl war die Datenbank sosbrutalism.org, die von Architekturliebhaber*innen, Wissenschaftler*innen und Fotograf*innen befüllt wurde. Ein Buch, das man stundenlang durchblättern könnte.