Strategien gegen Fachkräftemangel: Was kann Architektur bewirken?

Der Fachkräftemangel ist auch hierzulande omnipräsent. Jan-Niklas Kippelt und Anton Stockhausen beschäftigten sich in ihrer Masterarbeit mit räumlichen Strategien, die dem entgegenwirken sollen.

Die steigenden Mietpreise beeinflussen zunehmend die Wahl des Studienorts. Für Auszubildende ist diese Situation oftmals noch prekärer, da Ausbildungsstätten häufig in ländlichen Orten gelegen sind, die nicht ausreichend Wohnraum für Berufsanfänger*innen bieten. Auch fehlen solchen Standorten häufig Gemeinschaftsräume und zusätzliche Angebote für junge Menschen.

An dieser Stelle setzt die Masterarbeit von Jan-Niklas Kippelt und Anton Stockhausen an. Wie kann man mit architektonischen Mitteln die Selbstwirksamkeit von Jugendlichen stärken, demokratische Werte unterstützen und auf lange Sicht einem Fachkräftemangel entgegenwirken? Der Vorschlag der beiden sieht einen Azubi-Campus im ehemaligen Postamt der nordrhein-westfälische Kreisstadt Wesel vor. Betreut wurde das Abschlussprojekt von Prof. Joachim Schultz-Granberg an der Münster School of Architecture.

#ToBeContinued präsentiert Abschlussprojekte, die eine Geschichte erzählen: Konzepte, die weiterentwickelt und umgesetzt wurden und den Absolvent*innen einen erfolgreichen Berufseinstieg ermöglicht haben.


Kleinstädte aktivieren

Seit jeher gelten Innenstädte als Orte des urbanen Lebens. Doch heute sind vor allem die Zentren von Kleinstädten von Leerstand und Identitätsverlust betroffen. Vor dem Hintergrund fortschreitender Digitalisierung und der Möglichkeit, Bildungsangebote aus der Ferne wahrzunehmen, könnten kleinere Städte für jüngere Personen zunehmend attraktiver zu werden. Jan-Niklas und Anton sehen den Leerstand als Chance, Zentren zu redefinieren und so Orte zu schaffen, an denen sich Menschen gerne aufhalten.


Ein Azubi-Campus für Wesel

Inspiriert vom ersten Azubi-Campus Deutschlands, dem „Pings“ in Fulda, entwarfen Jan-Niklas und Anton ein Pendant für die Hansestadt Wesel, die rund 62.000 Einwohner*innen zählt. Ihren Auszubildenden-Campus wollen die beiden in einem Bestandsgebäude aus den 1950er-Jahren unterbringen, der einst das Post- und das Fernmeldeamt beherbergte. Heute wird nunmehr ein kleiner Teil der Fläche im Erdgeschoss von der Post und der Postbank genutzt, während die oberen Geschosse größtenteils leer stehen.

Durch die Umnutzung des Gebäudes zu einem Azubi-Campus versprechen sich Jan-Niklas und Anton eine belebtere Innenstadt, eine Steigerung der Lebensqualität und mehr Kundschaft für die angrenzenden Geschäfte und Gastronomiebetriebe. Der Entwurf sieht 17 Cluster-Wohnungen vor, in denen bis zu 77 Personen unterkommen können. Darüber hinaus soll es Flächen für berufliche Fortbildung, Coworking-Flächen und eine Werkstatt geben. Weiterhin sind ein Nachbarschaftsbüro und ein Café vorgesehen, die den Campus mit seiner Umgebung verbinden sollen.


Von der Masterarbeit zur Machbarkeitsstudie

Jan-Niklas und Anton betonen, wie wichtig der Kontakt zu und der Austausch mit lokalen Akteur*innen und Verantwortlichen im Rahmen der Thesis und darüber hinaus war. Für ihre Masterarbeit führten sie zahlreiche Interviews mit Wirtschaftsförder*innen und anderen Personen. Beispielsweise sprachen sie mit dem Präsidenten der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK) Burkhard Landers über die Ursachen des Fachkräftemangels und mögliche Lösungsansätze. Auf Grundlage dieser Kontakte gründeten die beiden nach dem Studium ihr eigenes Büro. Eines der Interviews führte sogar zu einem Auftrag: Eine Machbarkeitsstudie für einen konkreten Standort, an der sie derzeit arbeiten. Auf der Basis dieser Studie wird entschieden, ob das Grundstück gekauft und das Projekt umgesetzt wird. Die beiden Absolventen sind zuversichtlich, dass ihr Konzept potenzielle Investor*innen überzeugen kann, einen weiteren Azubi-Campus in Deutschland entstehen zu lassen.