#BookChat: Internationale Bauausstellungen

Weißenhofsiedlung, Hansaviertel, Emscher Park – Seit über 100 Jahren setzen Internationale Bauausstellungen (IBA) wichtige Impulse in der deutschen Stadtplanung und im Städtebau. Anlässlich der IBA Thüringen, die in diesem Jahr abgeschlossen wird, haben wir euch ein paar lesenswerte Bücher zusammengestellt.

Internationale Bauausstellungen sind nicht nur architektonische und städtebauliche Experimentierfelder. Auch im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich sind solche Expositionen impulsgebend. Sie versammeln bis heute die Crème da la Crème der Architekt*innenschaft mit dem Ziel, einen städtebaulichen oder landschaftlichen Wandel herbeizuführen. Ursprünglich fanden IBAs ausschließlich in Deutschland statt. Die IBA Rotterdam (2001-07) und die IBA Basel (2010-21) sind die ersten Ableger des Formats im Ausland. Auch die inhaltliche Komplexität hat mit der Zeit zugenommen: Während es in den frühen IBAs hauptsächlich um ästhetischen und technologischen Fortschritt ging, stehen heute Prozesse und Partizipation im Vordergrund.

StadtLand Perspektiven und Projekte

Unter dem Titel „StadtLand“ verfolgen etwa 200 Akteur*innen mit der IBA Thüringen von 2012 bis 2023 das Ziel, ressourcenbewusste und gemeinwohlorientierte Projekte umzusetzen. Das Thema zielt auf die kleinteilige Siedlungsstruktur im Freistaat sowie die Wechselwirkungen von Stadt und Land ab. Während andere IBAs sich vornehmlich mit urbanen Räumen beschäftigen, liegt der thematische Fokus der Thüringer IBA auf ländlichen Räumen. Im Zuge der Ausstellung sollen Leerstände aktiviert, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft aufgebaut und experimentelle Neubauten realisiert werden. Anlässlich des diesjährigen IBA-Finales wurden im Verlag M Books zwei abschließende Publikationen herausgegeben.

Wie können Stadt und Land enger zusammenwachsen? Um diese zentrale Frage drehen sich die 30 Pilotprojekte, die der grüne Band zur IBA Thüringen versammelt. Von der Open Factory im Eiermannbau Apolda über die Gesundheitskioske in der Dorfregion Seltenrain bis hin zur Sommerfrische im Schwarzatal oder der StadtLandSchule Weimar – die reich bebilderten Projekte sind nach Regionen in die drei Kapitel „Norden, Mitte und Süden von Thüringen“ aufgeteilt. Darüber hinaus gibt es ein Kapitel zu bundeslandübergreifenden Projekten, in denen es um die Belebung von Leerstand und um die Bodenfrage geht. In dem roten Band wird die Raumpraxis der IBA anhand der gewonnenen Erkenntnisse diskursiv reflektiert und ein Ausblick auf zukünftige Handlungsfelder gegeben. 

New Social Housing

Mit dem Ausrufen der IBA Wien 2022 im Jahr 2016 stellte sich die österreichische Hauptstadt erstmals den Herausforderungen einer Internationalen Bauausstellung. Thematisch konzentrierte sich die Wiener IBA auf eine historische Kernkompetenz der Stadt: den sozialen Wohnungsbau. Anlässlich einer Zwischenpräsentation im Jahr 2020 zogen die Verantwortlichen der IBA und das future.lab der TU Wien ein erstes Resümee. Das Ergebnis ist die Publikation „New Social Housing“, die in deutscher und englischer Sprache im Jovis Verlag erschienen ist. Wie können Städte angesichts aktueller, übergreifender Veränderungen inklusiv, lebenswert und leistbar werden? So lautet eine der zentralen Fragen. In dem Buch werden neben der Bodenfrage auch die ökologische und soziale Dimension beleuchtet. Dabei werden nicht nur die regionale beziehungsweise nationale Ebene behandelt, sondern auch der Blick auf den europaweiten Zustand gerichtet. In dem Kapitel „Interpretationen“ stellen die Herausgeber*innen konkrete Vorhaben sowie Prozesse auf Gebäude- und Quartiersebene vor, die den Fokus von allgemeinen Analysen auf greifbare Beispiele lenken. Für alle, die sich für aktuelle Fragen rund um das Thema Wohnungsbau interessieren, ist dieses dichte Buch eine klare Empfehlung. 

Internationale Bauausstellung Berlin 1987 Projektübersicht

Wer in Berlin lebt oder die deutsche Hauptstadt mal besucht, kommt an den IBA-Projekten quasi nicht vorbei. In den 1950er-Jahren wurde hier im Rahmen einer solchen Ausstellung das Hansaviertel wiederaufgebaut. Berühmte Architekten wie Oscar Niemeyer, Walter Gropius, Alvar Aalto, Werner Düttmann oder Egon Eiermann waren daran beteiligt. In den 1980er-Jahren folgte eine zweite IBA zum Thema „Die Innenstadt als Wohnort“. Hier galt ein besonderer Fokus neben dem Neubau der Instandsetzung bestehender Architekturen nach dem Prinzip der sogenannten „Behutsamen Stadterneuerung“. Einen Einblick in die „Werkstatt IBA“ Stand September 1984 gibt eine schmale Projektübersicht mit schlichtem Einband. Auch wer selbst diese Zeit nicht (aktiv) erlebt hat, kommt nicht umher, beim Durchblättern dieser Publikation ein wenig nostalgisch zu werden. Die antiquarisch erhältliche Übersicht versammelt sowohl fertige als auch zum damaligen Zeitpunkt in Arbeit befindliche Projekte. Kleinformatige Pläne, Schwarzweißfotografien und Modellaufnahmen vermitteln einen Eindruck von der damaligen Planungs- und Baukultur. Auf den letzten Seiten finden sich Faltkarten von Berlin, in denen die IBA-Projekte eingezeichnet sind.

Neue Blöcke für die Innenstadt

Wer tiefer in die Berliner IBA von 1984/87 einsteigen möchte, dem*der sei das Buch „Neue Blöcke für die Innenstadt“ von Andreas Salgo ans Herz gelegt. Der Denkmalpfleger konzentriert sich auf die Südliche Friedrichstadt zwischen Mehring- und Oranienplatz, wo vor allem Neubauprojekte realisiert wurden. Zu Beginn fasst Salgo die Stadtentwicklung des Areals zusammen, geht auf die Entwicklung des Typus Baublock ein und rekapituliert den Stand der damaligen Architekturdebatten. Daraufhin analysiert der Autor kleinteilig die Rahmenbedingungen, die von 1965 bis 1974 zur Vorbereitung der IBA geführt haben. Dieser Vorbereitungsphase von 1974 bis 78 widmet er ein ganzes Kapitel, ehe er Durchführung der IBA im darauffolgenden Teil im Detail untersucht. Wie der Titel des Buches schon vermuten lässt, liegt der Fokus der Publikation auf der Typologie des Baublocks, der im Verlauf der Berliner IBA 1984/87 eine spannende Entwicklung durchlaufen ist. Das Buch zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Präzision um Umgang mit den Begriffen sowie eine akribische wie ausführliche Analyse des Untersuchungsgegenstands aus.