Diskurs, Forschung und Hands-on-Mentalität: Das IBA'27-Festival in Stuttgart

2027 ist das Ausstellungsjahr der IBA'27 StadtRegion Stuttgart. In diesem Rahmen findet im Sommer das IBA-Festival #1 mit einem umfangreichen Programm statt. baunetz CAMPUS war zwei Tage lang dabei.

100 Jahre nach dem Aufbruch der Architekturmoderne am Stuttgarter Weissenhof: Die (IBAʼ27) Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart untersucht die Zukunft des Bauens und Zusammenlebens in einem der wirtschaftlich stärksten Zentren Europas. Die Ausstellungsorte bestehen aus gemischten Häusern und Quartieren, in denen Wohnen, Arbeiten, Kultur und Freizeit zu zukunftsfähigen Nachbarschaften verschmelzen. Das Ziel der zehnjährigen Reise ist es, die Stadtregion Stuttgart als lebenswerten, zukunftsfähigen Raum zu gestalten. Das Präsentationsjahr der IBA 2027 wirft zahlreiche Fragen auf, darunter die Gestaltung des Zusammenlebens, den Bau zukunftsfähiger Häuser und den Umgang mit gesellschaftlichen, technologischen und ökologischen Veränderungen in der Region. Auf dem Weg dorthin eröffnet sich nun im Sommer 2023 das IBA’27-Festival #1. Neben einer umfangreichen Ausstellung zur Entwicklung, ihrem Netzwerk und den Projekten präsentiert die IBA'27 in der Festivalzentrale – installiert im Erdgeschoss eines ehemaligen Kaufhauses in Stuttgart-Mitte – vom 23. Juni bis zum 23. Juli 2023 mehr als 100 Veranstaltungen in der Region sowie auf drei Projektbühnen. baunetz CAMPUS konnte durch Vor-Ort-Besichtigungen und die Teilnahme an zwei Workshops einen umfassenden Einblick gewinnen.

Vom Zentrum und Campus auf die regionale Projektbühne

Neben der Festivalzentrale in Stuttgart-Mitte sind zahlreiche Touren in und rund um Stuttgart Teil des Programms. Wir durften in diesem Rahmen unter anderem das Demonstrator-Hochhaus – dem ersten adaptiven Hochhaus der Welt – auf dem Campus Vaihingen der Universität Stuttgart besuchen. Die jeweiligen Forschenden des SFB 1244 haben ihre Ergebnisse in einer umfangreichen Ausstellung mit Führungen präsentiert.

Kernprogramm der Veranstaltung bilden jedoch die drei Projektbühnen in Backnang, Fellbach und Stuttgart-Rot. Hier finden Workshops, Vorträge und Diskussionsrunden statt, um in der Region ansässige IBA-Projekte näher kennenzulernen. Eine der Stationen in Stuttgart-Rot behandelt das Thema „Wohnen“, mit dem Ziel, bezahlbaren Wohnraum und lebenswerte Quartiere durch vielfältigeren Wohnungsmix, clevere Planung, lebendige Dichte und neue Bauweisen zu schaffen. Die zweite Bühne, mit Standort in Fellbach widmet sich unter dem Titel „Produzieren“ der Kombination von Landwirtschaft und Industrie. Hier wird gezeigt, wie das Leben in einer gemischten, dichten und lebenswerten „produktiven Stadt“ harmonisch zusammenwachsen kann. Wir besuchten schließlich die Projektbühne „Bauen“ in Backnang, wo sich alles um das Thema nachhaltiges Bauen und den Einsatz geeigneter Materialien dreht.

Ein Blick aufs Material

Auf der Projektbühne „Bauen“ in Backnang konzentriert sich die IBA'27 auf die Vielfalt an Materialien und Prozessen im Baugewerbe. Angesichts der steigenden Preise und des Fachkräftemangels werden die Potenziale neuer Materialien und Fertigungsmethoden untersucht. Das Bauen ist bekanntlich ressourcenintensiv und trägt erheblich zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei, sowohl durch die Herstellung und den Transport der Materialien als auch durch den Abfall bei Gebäudeabrissen. Die IBA'27 möchte alternative Ansätze aufzeigen und lädt auf dieser Projektbühne zur Diskussion, Ausstellung und Erprobung von Baustoffen und -prozessen ein. Im Materiallab vor Ort können Projekte aus der Region betrachtet werden, die sich speziell mit dem nachhaltigen Umgang und der Fertigung von Baustoffen beschäftigen. Hier sind unter anderem Modelle und Materialproben, wie die des RoofKITdes KIT (Karlsruher Institut für Technologie) oder des BioMat Pavillons des ITKE der Universität Stuttgart zu sehen.

Bauschutt verarbeiten und Bauteile jagen

Wie kann die Stadt als Materiallager genutzt werden? Welches Wissen ist erforderlich, um vorhandene Elemente zu bewerten und zu katalogisieren? Und welche neuen Möglichkeiten ergeben sich daraus? Im ganztägigen Workshop „Zirkuläres Bauen“ wurden diese Fragen in Backnang behandelt. Kerstin Müller und Jasmin Amann von zirkular / baubüro in situ erklärten den Teilnehmenden, wie die Stadt als Materiallager genutzt werden kann. Um das Vorgehen praxisnah zu erleben, gingen die Teilnehmenden unter anderem auf „Bauteiljagd“ in einer auf dem Projektbühnen-Grundstück liegenden ehemaligen Lederfabrik. Zudem erläuterten die Workshopleiterinnen, welche rechtlichen und konstruktiven Herausforderungen in diesen Prozessen zu bewältigen sind und wie diese neue Art der Planung Berufsbilder und die Zusammenarbeit mit Auftraggeber*innen als auch der Verwaltung verändert. 

Der zweite Workshop vor Ort widmete sich der Herstellung neuer Objekte aus Bauschutt und Abfallprodukten: Geleitet wurde dieser vom Designstudio anima ona, das nachhaltige Alternativen zu Beton erforscht. In diesem Fall ging es konkret um Geopolymere – Verbindungen, die schon historisch aus Natursteinen oder Pflanzenextrakten gefertigt worden sind. Das Büro setzt sich durch experimentelle Tests mit Bauschutt, Erde und industriellen Abfällen hinsichtlich der Herstellung und Anwendungsmöglichkeiten auseinander. In Backnang lernten die Teilnehmer*innen die Verarbeitung kennen, stellten selbst Geopolymere her und erhielten so praxisnah Einblicke in die Potenziale des Materials.