Die Denkmalambulanz: Eine Initiative für die Rettung des gebauten Erbes
In Rumänien ermöglicht ein Netzwerk aus Kulturorganisationen, Expert*innen, Studierenden und Handwerker*innen eine Initiative zum Schutz von Denkmälern mit einem besonderen Bildungsauftrag.
Angenommen, ihr könntet eine Nummer wählen und ähnlich wie bei einem medizinischen Notfall einen Erste-Hilfe-Einsatz auslösen – jedoch für ein Baudenkmal. Das ermöglicht das Projekt „Denkmalambulanz“, das seit 2016 rund 100 Notfalleinsätze an baufälligen, historischen Bauwerken durchgeführt hat. Der Verein Monumentum rief diese Initiative ins Leben, um flexibel bei über 600 rumänischen Denkmälern in kritischem Zustand intervenieren zu können. Der Erfolg des Projekts beruht größtenteils auf ehrenamtlichem Engagement, wobei 75 Prozent der Freiwilligen Architekturstudierende sind.
Denkmal in Not!
Die mangelnde Erfahrung der (meist ruralen) Gemeinden, Trägheit seitens der Behörden, begrenztes Fachwissen sowie knappe Budgets tragen oft zum Verfall des denkmalgeschützten Baubestands bei. Als Gegenmaßnahme führt das Projektteam der Denkmalambulanz an solchen Bauwerken professionelle Reparaturarbeiten durch. Diese Einsätze, die drei bis fünf Wochen dauern und nicht auf eine umfassende Restaurierung abzielen, finden im Rahmen einer Baugenehmigung für Notfallinterventionen statt.
Ein Toolkit als Grundlage
Zur Ausstattung für den Einsatz gehört in erster Linie ein Kleintransporter, der als „Rettungswagen“ für die Anfahrt zu den Baustellen dient. Ein Gerüst, zahlreiche Werkzeuge und Schutzausrüstung für die ehrenamtlichen Helfer*innen ergänzen den materiellen Kit. Zusätzlich stellt der Verein eine methodologische Anleitung für die Interventionen zur Verfügung. Diese zielt darauf ab, die lokale Gemeinschaft nicht nur während des Bauvorgangs, sondern auch im Vorfeld über den Prozess zu beraten und anschließend zu befähigen, die reparierten Denkmäler weiterpflegen zu können.
Beteiligte im Einklang
Für den Erfolg eines baulichen Notfalleinsatzes ist das Zusammenspiel von vier Akteur*innengruppen entscheidend: der örtlichen Gemeinschaft, der Behörden, Fachleuten sowie der Freiwilligen. Oft erkennen die Gemeindemitglieder als erste die Dringlichkeit einer Intervention und sind daran interessiert, diese umzusetzen. Die Behörden unterstützen häufig mit Materialspenden, während die Expert*innen ihr technologisches und handwerkliches Fachwissen einbringen. Die Freiwilligen, größtenteils Architekturstudierende, unterstützen auf der Baustelle und lernen dabei das Handwerk. Das Denkmalambulanz-Projekt bietet den Studierenden eine wertvolle praktische Ergänzung zu ihrer Ausbildung, da sie im Hörsaal selten lernen, wie man mit einem baufälligen historischen Gebäude umgeht.
Expertise in Holz, Ton und Stein
Wenn an einer alten Mühle in Rudăria die Buchenschindel ersetzt oder an der Kirche in Gurasada das Eichenschindeldach erneuert werden muss, setzt sich das Erste-Hilfe-Team mit traditionellen Holzverarbeitungsmethoden auseinander. Diese erlernen die Teilnehmenden vor Ort, in der Tischlerei beim Herstellen oder Reparieren von Schindeln und dem anschließenden Einbau in die Gebäude. Je nach Bauwerk variiert auch der Materialschwerpunkt: Im Dorf Apoș erprobte das Team beispielsweise alte Techniken zur Verarbeitung von Dachziegeln. Die Restaurierung einer Kirchen- oder Festungsmauer aus Stein kann ebenfalls handwerklich herausfordern. Neben der technischen Expertise bereichert auch die Zusammenarbeit mit der lokalen Gemeinschaft die Erfahrung der Teilnehmenden. Oft werden sie von den Dorfbewohnerinnen kulinarisch versorgt und tatkräftig unterstützt.
Wert und Wertschätzung des Handwerks
Die Denkmalambulanz rettet also nicht nur Gebäude, sondern sensibilisiert auch für den kulturellen Wert des Erbes und bietet jungen Menschen eine handwerkliche Ausbildung. Das Projekt vermittelt ein komplexes Thema auf verständliche Weise und wird von einem wachsenden Netzwerk aus Verbänden unterstützt, die jährlich insgesamt etwa 20 Erste-Hilfe-Einsätze koordinieren. Die zunehmende Anerkennung des Projekts, darunter die Auszeichnung mit dem großen Preis der rumänischen Architekturbiennale 2023, bestätigt die Bedeutung der Arbeit des Monumentum-Vereins.