Whose Time(s)? Neue Maßstäbe für die Architektur

In einem künstlerischen Projekt haben Studierende der Technischen Universität Wien auf die Missstände in der Arbeitswelt aufmerksam gemacht und Lösungsansätze formuliert.

Wie kann das Berufsfeld der Architektur zugänglicher gestaltet werden? Die Architekturpraxis ist von patriarchalen und profitgesteuerten Dynamiken geprägt. Für eine neue Generation, die sich Diversität und Gleichberechtigung am Arbeitsplatz wünscht, erscheint das herkömmliche Büro oft nicht mehr attraktiv. Viele Absolvent*innen entscheiden sich nach ihrem Architekturstudium für einen alternativen Weg.

Das künstlerische Seminar „Whose Time(s)? Gekommen, um zu bleiben.“ von Inge Manka und der Gastprofessorin Karin Hartmann, Autorin des Buches „Schwarzer Rolli, Hornbrille“, setzte sich mit der Arbeitskultur in Lehre und Praxis auseinander. Im Wintersemester 2023/24 betrachteten die Studierenden am Institut für Kunst und Gestaltung vorherrschende Werte in der Architektur aus einer feministischen und kritischen Perspektive. 

Claiming Spaces

Die Gastprofessur wurde vom Kollektiv CLAIMING*SPACES berufen. Die Gruppe von Studierenden, Absolvent*innen, Lehrenden und Forschenden der TU Wien fördert feministische Ansätze in der Architektur und Raumplanung. Seit 2019 veranstalten sie in Kooperation mit internationalen Gäst*innen Lehrveranstaltungen, Konferenzen, Ausstellungen sowie eine Sommerschule und ermöglichen dadurch die Entwicklung von Strategien und Werkzeugen für neuartige Planungsansätze. 

Unlearn Architecture 

Neben dem Besuch von zwei Ausstellungen in Bratislava und Wien erarbeiteten die Studierenden im Rahmen des Kurses „Whose Time(s)? Gekommen, um zu bleiben.“ Ideen für eine fortschrittlichere Arbeitswelt. Unter dem Titel „Letter to myself“ sollten sie eine Sprache für die Missstände der Architekturpraxis entwickeln und eine offenere und fairer gestaltete Zukunft imaginieren. Am Ende des Seminars wandten die Teilnehmenden ihr gesammeltes Wissen aus Texten, Filmen, Ausstellungen sowie Diskussionen und Vorträgen in einem künstlerischen Projekt an.

Mit „Where are the Women Architects?“ machte Meret Recker in Form von Stickern auf das Fehlen weiblicher Perspektiven in der Architektur aufmerksam. Die Metapher „leaky pipeline“ beschrieb den Rückgang von Frauen bei steigenden Karrierestufen in vielen Berufsfeldern. Mit den Stickern forderte Meret Recker zu einer höheren Repräsentanz auf. Isabella Krammel nutzte hingegen den Instagram-Kanal @unlearnarchitecture als Werkzeug, um auf Vorurteile hinzuweisen, denen marginalisierte Gruppen und Frauen im Berufsalltag begegnen. Grafiken und Info-Slides sollten bestehende Glaubenssätze widerlegen. 

Masken und Power Suits

Das Projekt „Mask Off.“ setzte sich mit dem Widerspruch von gezeigten und gefühlten Emotionen am Arbeitsplatz auseinander. Kathrin Geußer möchte darauf aufmerksam machen, dass die patriarchal geprägte Arbeitskultur zwischen „unprofessionellen“ und „professionellen“ Gefühlen unterscheidet. Mit der Gegenüberstellung dieser sichtbaren und unsichtbaren Gefühlen möchte sie für das psychische Wohlbefinden in der Berufswelt sensibilisieren. Hannah Niemand hinterfragte hingegen die meist schlichte und schwarze Kleidung von Architekt*innen. Mit einer selbstgenähten Wendejacke erfand sie den „Architecture Power Suit“ neu. Hannah Niemand sah in der gewählten Kleidung eine Parallele zur gebauten Umwelt und ermutigte zu mehr Farbe und Vielfalt.

Die Ergebnisse des künstlerischen Projekts werden in einer Publikation veröffentlicht, Konzept und Inhalte hingegen in einer weiterführenden Lehrveranstaltung im Sommersemester 2024 erarbeitet. Mit dem Seminar sensibilisierten Karin Hartmann und die Studierenden für die Situationen von Frauen und marginalisierten Gruppen in der Berufswelt. Es ist wohl trotzdem noch ein weiter Weg, bis wir Stigmata und Wettkampfmentalität am Arbeitsplatz hinter uns gelassen haben.