Blühende Industriekulturlandschaften: Das Studio „flusswärts StadtLand“

Stadt, Land, Fluss, Industrie: Ein Entwurfsstudio skizzierte Zukunftsszenarien für das Vogtland. Jedes Projektteam arbeitete ein ausgewähltes Thema in unterschiedlichsten Maßstäben durch.

Seit der Gründerzeit im 19. Jahrhundert prägte die Textilindustrie das Vogtland in der sächsisch-thüringischen Grenzregion. Die Fabriken siedelten sich entlang der Flussläufe an. Heute findet man dort die Überreste einer Industriekultur, die eng mit der Landschaft verwoben ist. Allerdings verschwanden nach dem Ende der DDR viele Betriebe und damit nach und nach auch ihre baulichen Zeugnisse. 

Im Wintersemester 2023/24 stand die Region im Fokus des städtebaulich-freiraumplanerischen Entwurfskurses „flusswärts StadtLand“ an der Bauhaus-Universität Weimar. Die Professur Landschaftsarchitektur und –planung von Prof. Sigrun Langner betreute Entwürfe, die den sich im Strukturwandel begriffenen Landstrich wiederbeleben sollen. An dem Kurs nahmen Architekturstudierende aus dem Bachelor und Master sowie Urbanistikstudierende aus dem Bachelor teil. Die Masterstudierenden belegten zusätzlich das Begleitseminar „Der ländliche Raum. Historische und aktuelle Imaginationen“ an der Professur Kunst- und Kulturgeschichte von Prof. Jan von Brevern.

Entdeckung des industriellen Erbes

Die Talräume von Raumbach und Göltzsch zwischen den Städten Greiz und Reichenbach standen im Mittelpunkt der Betrachtung – ein Ort mit einer reichen industriellen Vergangenheit. Verbliebene Fragmente dieser Historie, die nicht der Abrissbirne zum Opfer fielen und mit Tankstellen oder Supermärkten ersetzt wurden, werfen die Frage nach ihrer Bedeutung auf. Die Studierenden demonstrierten, wie man die Potenziale des Bestandes im Sinne einer Restrukturierung der gesamten Region als aktive Industriekulturlandschaft nutzen könnte. Dabei spielten ökologische Aspekte, etwa das Verhältnis zu den Flüssen und der Natur ebenso eine Rolle wie das Verhältnis zum gebauten und kulturell geprägten Raum.

Von der ganzen Region zum Konstruktionsdetail

Die Kursteilnehmer*innen erstellten zunächst einen Atlas, in dem sie die einzelnen Elemente der dechiffrierten Landschaft versammelten. Das half bei der Findung eines Entwurfsthemas. Die einzelnen Projekte entwickelten sich anschließend in drei Phasen auf ein konkretes Thema hin. Am Ende sollten die einzelnen Narrative in allen Maßstäben wiederzufinden sein, bis hin zum kleinsten Detail. Um den Projekten zusätzliche Plausibilität zu verleihen, wurden lokale Akteur*innen und fiktive Interessensgruppen einbezogen. Bei dieser komplexen Aufgabe berücksichtigten die Studierenden ökologische, ökonomische und soziale Aspekte: Von Stoffkreisläufen über Postwachstumsszenarien bis hin zu neuen Umgangsformen mit dem industriekulturellen Erbe war das zu bearbeitenden Themenfeld äußerst weit gespannt.

Eigenständige Antworten

Die einzelnen Projekte geben individuelle Antworten auf die Aufgabenstellung. Der „Industriekultur Festival“-Entwurf setzt über temporäre Veranstaltungen an verschiedenen Orten Impulse, die sich dann verstetigen sollen. „Landscapes of Water“ schlägt ein Revival der Textilindustrie mit einer neuen Fabrik am Wasser vor. Tourismus als treibende Kraft für den Strukturwandel sieht das „Palimpsest Göltzschtal“ vor. Der historische Bestand soll Besucher*innen anlocken und Entwicklungen vor Ort anstoßen. „Ein Tal in Bewegung“ fokussiert auf Verkehrsinfrastrukturen. Als architektonisches Ergebnis entstanden charaktervolle Haltestellen, die teilweise als Ausstellungsraum oder Ladestation für E-Bikes dienen können. Das Projekt „Fundus“ beschäftigt sich mit lokalen Ressourcen. Die Studierenden haben in einem bestehenden Gebäude eine „Ressourcenmeisterei“ geplant. „Zwischen Manufaktur und Hütten“ stärkt das lokale Handwerk auf Grundlage der Holzwirtschaft.