Sanieren statt spekulieren: Europäische Bürgerinitiative für erleichterten Umbau

Für Substanzerhalt und gegen Spekulationen mit Wohnraum setzt sich die von Arno Brandlhuber und Olaf Grawert ins Leben gerufene Europäische Bürgerinitiative „HouseEurope!“ ein.

Baugrund ist eine endliche Ressource. Durch Abriss und Neubau kann eine Wertsteigerung dieser Ressource erzielt werden, die Investor*innen in die Karten spielt. Die Folgen von Spekulationen mit Wohnraum sind äußerst prekär: Bezahlbare Wohnungen werden immer rarer und Obdachlosigkeit nimmt zu, während sich Immobilienkonzerne daran bereichern. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, haben Arno Brandlhuber und Olaf Grawert vom Berliner Büro b+ die Europäische Bürgerinitiative „HouseEurope!“ gegründet.

Trailer "The Renovation Practice", Quelle: station.plus

Eine Million Stimmen für den Erhalt

Viele Initiativen wie beispielsweise „an.ders Urania“ machen sich auf lokaler Ebene für den Erhalt einzelner Gebäude stark. Die aktuelle Gesetzeslage und eine mächtige Baulobby stehen dem Erfolg solcher Initiativen jedoch häufig im Wege. Genau an dieser Stelle setzt „HouseEurope!“ an. Als sogenannte Europäische Bürgerinitiative (EBI) hat sie potenziell die Kraft, auf EU-Ebene neue Gesetze oder Gesetzesänderungen vorzuschlagen und damit Einfluss auf die EU-Politik zu nehmen. Dafür muss die Initiative innerhalb eines Jahres eine Million Stimmen aus mindestens sieben Mitgliedstaaten der Europäischen Union sammeln. Den Initiator*innen zufolge soll der Gesetzentwurf im Sommer 2024 öffentlich präsentiert werden. Die einjährige Abstimmungsphase soll voraussichtlich Anfang 2025 starten.


Erhalten, adaptieren, sanieren, transformieren

Das übergeordnete Ziel der dezentral organisierten Initiative ist es, Transformationen und Sanierungen im Bestand zu fördern und zu vereinfachen. Auf EU-Ebene sollen Abrisse reduziert werden, wodurch der Spekulation mit Wohnraum entgegengewirkt werden soll. Mit der langfristigen Sicherung von Bestandsgebäuden erhoffen sich die Initiator*innen, den drängenden sozialen und ökologischen Anforderungen an Wohnraum begegnen zu können. Dafür hat das Team hinter „HouseEurope!“ eine vierteilige Roadmap entwickelt: „Preservation, adaptation, renovation, transformation“. Demnach sollen existierende Bauten erhalten, umgenutzt, repariert und gesamtgesellschaftlich neu bewertet werden.


Vom Design-Studio zur Gesetzesänderung

Hervorgegangen ist die Initiative aus der Beschäftigung des Büros b+ mit den ehemaligen Zentralen Tierlaboratorien der Freien Universität Berlin in Lichterfelde, dem sogenannten „Mäusebunker“. Dabei stieß das Team auf systemische Hürden, die mit der Planung allein nicht zu überwinden waren. Deshalb wurde die Initiative als Non-Profit gegründet und parallel dazu ein Design-Studio an der ETH Zürich ins Leben gerufen, das sich mit der Legislative in der Architektur auseinandersetzt. Daraufhin erhielten sie Anfragen von verschiedenen internationalen Hochschulen wie dem Politecnico di Milano und der Universität Innsbruck und wurden eingeladen, Gast-Studios und Vorträge zu organisieren.

Trailer "Dwell the office", Quelle: Florin Högger, Juan Marin Martinez und Lukas Meier

Darüber hinaus arbeiten etwa die Universität Genua und die Universität von Amsterdam eigenständig an „HouseEurope!“-Studios. Das Ziel der Lehrveranstaltungen ist, Studierende und das universitäre Umfeld für die Belange der Initiative zu sensibilisieren, um dann im nächsten Schritt möglichst viele Stimmen zu sammeln. Außerdem sollen die Studios dem Erkenntnisgewinn und der Vernetzung dienen. Wer sich eine Lehrveranstaltung von „HouseEurope!“ an der eigenen Hochschule wünscht, kann per Mail Kontakt aufnehmen.  

Trailer "Institut für gebautes Gemeinwohl", Quelle: Selina Wach und Nina Ziegler