Initiative „an.ders Urania“: Gegen den Abriss eines Düttmann-Baus

Immer mehr Gebäude der 1960er- und 1970er-Jahre verschwinden aus dem Berliner Stadtbild. Dafür, dass dem Hochhaus An der Urania 4-10 nicht dasselbe Schicksal widerfährt, macht sich eine in kürzester Zeit entstandene Initiative stark.

1967 wurde der markante Zwölfgeschosser An der Urania 4-10 im Berliner Stadtbezirk Schöneberg nach den Plänen von Klaus Bergner, Karlheinz Fischer und Werner Düttmann fertiggestellt. Im Januar 2024 soll das Hochhaus mit der charakteristischen Fassade, das heute städtisches Eigentum ist, abgebrochen werden. Um den Abriss zu verhindern, haben 20 Mitglieder aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung, Soziologie und Kunst die Initiative „an.ders Urania“ ins Leben gerufen. Mit einer alternativen Machbarkeitsstudie und einer Petition setzen sie sich für den Erhalt des ehemaligen Verwaltungsgebäudes ein.

Ein Zeugnis der Westberliner Nachkriegsmoderne

Der ehemalige Bürokomplex befindet sich auf einem Eckgrundstück an einem stark befahrenen Verkehrsknotenpunkt zwischen Nollendorf- und Wittenbergplatz. Bei der Konstruktion handelt es sich um einen Stahlbetonskelettbau aus Ortbeton und Stahlbeton-Fertigteilen. Bereits von Weitem sticht die horizontal gegliederte Fassade aus Waschbetonsandwichplatten ins Auge. Wie nur wenige andere Gebäude in der Hauptstadt steht dieser in den 1960er-Jahren erbaute Stahlbeton-Koloss für den Städtebau der Nachkriegszeit im ehemaligen Westberlin. Als identitätsstiftender Bau für die Nachkriegsmoderne der 1960er- und 1970er-Jahre hat das Gebäude einen hohen baukulturellen Wert und steht stellvertretend für eine Epoche, die zunehmend aus dem Berliner Stadtbild zu verschwinden droht.

Machbarkeitsstudie von unten

Eines der Mittel, das das Gebäude An der Urania retten könnte, ist eine sogenannte Machbarkeitsstudie. Derartige Studien werden durchgeführt, um zu ermitteln, ob und wie ein Projekt gelingen kann. Das Baukollegium Berlin, ein wichtiges Gremium zur Sicherung der Baukultur in der Hauptstadt, hat sich im Sommer 2023 dafür ausgesprochen, den Erhalt des Düttmann-Baus mit einer solchen für eine Weiternutzung prüfen zu lassen. Aus Kostengründen hat weder die Senatsverwaltung noch die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), der das Bauwerk gehört, eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben. Heute steht das Gebäude kurz vor dem Abriss.

Aus dieser Situation heraus hat sich im Oktober 2023, in kürzester Zeit, die Initiative „an.ders Urania“ gebildet. Sie kritisiert die Intransparenz dieses Prozesses und das Urteil der Entscheidungsträger*innen, ein strukturell funktionales Gebäude von solch baukulturellem Wert abzureißen – das sei in einem Berlin, das 2045 klimaneutral sein will, nicht hinnehmbar. Am 08. November 2023 hat sie deshalb selbst eine alternative Studie vorgelegt. Die Verfasser*innen legen darin die Möglichkeiten einer Sanierung und Umnutzung dar und fordern ausdrücklich einen Abriss-Stopp. Die öffentlich einsehbaren Ergebnisse wurden von dem interdisziplinären Team ehrenamtlich erarbeitet und beruhen auf Informationen, die für die Initiator*innen zugänglich waren. Da es für diese Studie im Vorfeld keine Ausschreibung gab, versuchen die Verfasser*innen unabhängig und kritisch, die relevantesten Punkte in Bezug auf das Gebäude zu beleuchten. Die Studie soll als Anstoß für ein umfangreicheres, bereits gefordertes Gutachten dienen.

Gründe für den Erhalt

Neben dem baukulturellen Wert gibt es eine Vielzahl an Argumenten, die aus der Sicht der Initiative für den Erhalt des Gebäudes sprechen. Was die ökologischen Gründe betrifft, würde ein Abriss und Neubau laut „an.ders Urania“ etwa 13.000 Tonnen CO₂ emittieren. Dies entspreche in etwa einer Menge, die der Berliner Tiergarten in 27 Jahren absorbieren kann. Die Sanierung des Gebäudes würde diese Emissionen um 90 Prozent senken.

Die Befürworter*innen des Abrisses argumentieren mit der PCB-Belastung des Bauwerks, die einen Rückbau notwendig mache. PCB ist ein Schadstoff, der krebserregend und seit 1989 verboten ist und in vielen Gebäuden aus der Nachkriegszeit vorkommt. Der Schadstoff muss als Sondermüll entsorgt werden, während angrenzende Bauteile nicht wiederverwertet werden dürfen, sondern deponiert werden müssen. Die Initiative schlägt vor, das PCB zu entfernen und angrenzende betroffene Bauteile zu versiegeln. Das Haus an der Urania könnte zu einem Vorreiterprojekt in Sachen PCB-Sanierung werden und der Sanierung anderer PCB-belasteter Bauwerke den Weg ebnen.


Petition gegen den Abriss

Die Petition richtet sich an den Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Christian Gaebler, die Senatsbaudirektorin Prof. Petra Kahlfeldt, den Leiter der Stabsstelle Architektur Dr. Christian von Oppen, die Geschäftsführerin der BIM Birgit Möhring und die Geschäftsführung der DEGEWO als Bauträgerin des Projektes. Darin fordern die Initiator*innen von „an.ders Urania“ den sofortigen Stopp des maschinellen Rückbaus, die Veranlassung einer Umbauplanung und die Auslobung eines Wettbewerbs zur Umnutzung des Gebäudes. Zahlreiche namhafte Personen haben die Petition bereits unterzeichnet, darunter viele aus dem akademischen Kontext.