Von der Bachelorarbeit zum Bauvorhaben: Genossenschaftliches Bauen in ehemaliger Schnapsbrennerei
Über drei Jahrzehnte stand die Wesenberger Schnapsbrennerei leer. In seiner Bachelorarbeit setzte sich Wito Tröschel erstmals mit dem Backsteinbau in seinem Heimatort auseinander. Heute plant er die Sanierung und Erweiterung des Areals.
Auf der Suche nach einem Thema für seine Bachelorarbeit an der Hochschule Wismar hat es Wito Tröschel in seinen Heimatort Wesenberg im Süden der Mecklenburgischen Seenplatte verschlagen. Mit dem Ziel, die Agrarerzeugnisse dieser landwirtschaftlich geprägten Region zu veredeln, wurde hier Ende des 19. Jahrhunderts eine Schnapsbrennerei errichtet, die bis in die 1960er-Jahre in Betrieb blieb. Danach diente der denkmalgeschützte Ziegelbau nur noch als Lager und stand die letzten 30 Jahre leer. Die alte Brennerei begleitete Wito durch sein Masterstudium und seine ersten Berufsjahre als angestellter Architekt. Heute ist er selbstständig und realisiert das Projekt, das einst mit einer Abschlussarbeit begann. Der erste Bauabschnitt in der Alten Brennerei wurde kürzlich abgeschlossen.
#ToBeContinued präsentiert Abschlussprojekte, die eine Geschichte erzählen: Konzepte, die weiterentwickelt und umgesetzt wurden und den Absolvent*innen einen erfolgreichen Berufseinstieg ermöglicht haben.
Von der Abschlussarbeit zum Bauvorhaben
Als Student*in glaube man nicht, dass aus der Arbeit, die man während des Studiums verfolgt, ein reales Projekt entstehen könne, so Wito. Er setzte sich intensiv mit dem Areal und dem Bestandsgebäude auseinander, sprach mit Zeitzeug*innen und begleite Interessierte durch das Gelände. Bei diesen Führungen lernte er immer mehr Personen kennen, die sich aktiv für die Belebung des Ortes starkmachen wollten. So gründete sich die Genossenschaft brenn:werk, die das alte Gebäude Ende 2021 kaufte und es sukzessive zu einem Ort des gemeinsamen Lebens und Arbeitens transformieren will. Im ersten Schritt beräumte und sicherte den Bestand. Ein einsturzgefährdeter Anbau wurde rückgebaut und durch eine Mehrzweckhalle ersetzt, die kürzlich fertiggestellt wurde. Die Halle soll als Kulturcafé, Veranstaltungsfläche, Seminarraum und Galerie genutzt werden und erste Einnahmen für die weiteren Bautätigkeiten generieren.
Genossenschaftliches Bauen, damals und heute
Auch das über 120 Jahre alte Bestandsgebäude wurde seinerzeit von einer Genossenschaft errichtet. 1897 gründete sich die „Landwirtschaftliche Brennerei-Genossenschaft“, die noch im selben Jahr den Sichtziegelbau in Massivbauweise mit gusseisernen Stützen errichten ließ. 1911 folgte ein Anbau für eine Kartoffelflockenfabrik. Über 60 Jahre später, zu DDR-Zeiten, übernahm der volkseigene Betrieb Getränkekombinat Nordbräu Neubrandenburg das 7.300 Quadratmeter große Gelände und nutzte das Gebäude nur noch als Außenlager. 1995 und 1999 wechselte die Brennerei erneut ihre Besitzer*in, ehe sie schließlich 2021 an die neu gegründete Genossenschaft brenn:werk verkauft wurde. Diese besteht mittlerweile aus über 60 Mitgliedern, die jeweils mindestens fünf Genossenschaftsanteile à 100 Euro erworben haben. Neben den Einlagen der Genossenschaft finanziert sich das Projekt über Fördermittel des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Außerdem wurde ein Kredit zur Kostendeckung aufgenommen.
Nutzungsmix in ehemaliger Brennerei
Der Plan für die Umgestaltung des historischen Bestands und des umgebenden Geländes ist ambitioniert. Hier sollen preisgünstige Wohn- und Arbeitsräume für Selbstständige, Kreative, Künstler*innen, Handwerker*innen und andere Personengruppen entstehen. Große Teile des Areals werden in Zukunft gemeinschaftlich genutzt. Die neu entstandene Halle bietet Platz für Coworking, Ausstellungen, größere Veranstaltungen und Feiern. Im nächsten Schritt wird eine Bio-Brauerei mit Biergarten auf dem Gelände errichtet. Auf den Außenflächen sollen Künstler*innenateliers und ein Gästehaus entstehen. Zudem sind zwei Wohnhäuser mit jeweils sechs Wohneinheiten geplant. Abschließend wartet die größte Herausforderung: das Hauptgebäude. Die denkmalgeschützte Brennerei soll behutsam restauriert und mit Zwischennutzungskonzepten belebt werden. Geplant ist hier ein Ort für Coworking, Seminare, Gastronomie, Werkstätten als auch Ateliers und Jugendeinrichtungen.