Wilde Wundertüte: Drei Bücher zur Postmoderne
Von Kitsch bis Kult – Die Postmoderne polarisiert. Wir stellen drei Bücher in diesem #BookChat vor, die sich der postmodernen Architektur auf unterschiedlichste Art und Weise nähern.

Die einen lieben sie, die anderen hassen sie – kaum eine andere Epoche wurde und wird so kontrovers diskutiert wie die Postmoderne. Heute sind die meist zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren entstandenen Gebäude gealtert und werfen Fragen auf: Sanieren oder abreißen? Unter Denkmalschutz stellen? So ist zum Beispiel das Internationale Begegnungszentrum (IBZ) in Berlin seit April 2023 eines der jüngsten Denkmäler der Hauptstadt. Andere Bauwerke aus dieser Zeit werden rückgebaut – aus energetischen, ästhetischen oder politischen Gründen. Mit Ausstellungen und zahlreichen Publikationen rückt die Postmoderne jedoch wieder ins öffentliche Interesse. Drei Bücher dazu, die in den letzten zwei Jahren erschienen sind, stellen wir euch in diesem #BookChat vor.

Denkmal Postmoderne
Im März 2022 organisierten die Professur Denkmalpflege und Baugeschichte der Bauhaus-Universität Weimar gemeinsam mit Professur Konstruktionserbe und Denkmalpflege der ETH Zürich die Tagung „Denkmal Postmoderne. Erhaltung einer nicht-abzuschließenden Epoche“. Expert*innen diskutierten dort die theoretischen und praktischen Herausforderungen im Umgang mit den Beständen der Postmoderne. Die Tagungsbeiträge bündelt der im Birkhäuser Verlag erschienene gleichnamige Band. Das Buch gliedert sich thematisch in sechs Hauptkapitel, denen eine Einführung der Mitherausgeberin Kirsten Angermann und die Verschriftlichung des Abendvortrags des Zürcher Architekten und Hochschullehrers Arthur Rüegg vorangestellt sind. Die Autor*innen der Aufsätze blicken auf Themen wie Bestandserfassung, Vermittlung der Epoche in der Lehre sowie Erhalt und Weiterbau. Der geografische Fokus liegt dabei auf dem deutschsprachigen Raum, es wird aber auch perspektivisch auf England, Italien, Japan, Schottland und die Ukraine geblickt. Die Publikation bietet einen umfangreichen Rundumschlag auf die kontrovers diskutierte Epoche von einem denkmalpflegerischen Standpunkt aus.

Orte für das Selbst
Der amerikanische Architekt Charles W. Moore gilt als Begründer der Postmoderne. Mit der Piazza d'Italia in New Orleans schuf er eines der Lehrbuchbeispiele postmoderner Architektur. Doch Moores gesellschaftspolitischer Anspruch widerspricht oft dem tradierten Bild der individualistischen Architekt*innen der Postmoderne, denen es vor allem um die Durchsetzung eines unverkennbaren Stils ging. In seiner Dissertation, die in der Reihe Bauwelt Fundamente erschien, legt Achim Reese eine Neubewertung des Wirkens Moores vor. Anhand der Bauten, Projekte und Schriften des Architekten zeigt der Autor auf, dass Moore mit seiner Arbeit dem gesellschaftlichen Konformismus des 20. Jahrhunderts entgegenwirkte. Der Architekt entwarf Orte, die den Menschen helfen sollen, sich selbst und ihre Umgebung besser zu verstehen. Ein wiederkehrendes Sujet ist die Rolle des Individuums und seine Beziehung zur (Massen-)Gesellschaft, die im Werk von Moore immer wieder verhandelt wird – ein bis heute hochaktuelles Thema. Obwohl das Buch eine wissenschaftliche Abhandlung ist, liest es sich aufgrund seiner klaren Sprache leicht und kann allen empfohlen werden, die tiefer in das Schaffen Moores und in die Entstehungszeit der Postmoderne einsteigen wollen.

Postmodern Non-Residential Berlin
Zum Abschluss gibt ein Buch fürs Auge: Postmodern Non-Residential Berlin fällt durch sein ungewöhnlich großes Format und sein rosafarbenes Cover auf. Es handelt sich dabei um den zweiten Band dieser Art der Autorin Claudia Kromrei, die nach Wohnbauten nun andere Typologien untersucht. Auf knapp 200 Seiten präsentiert die Autorin 30 Berliner Bauwerke in großformatigen Fotografien von Thomas Bomm und Manfred Hamm, die auch schon für den ersten Band Fotomaterial lieferten. Darüber hinaus finden sich in dem Buch kurze Beschreibungstexte und Grundrisse im Maßstab 1:333. Die zugrundeliegende Definition des Postmodernebegriffs erscheint angesichts der breiten Auswahl an gebauten Beispielen eher offen gehalten. Nichtsdestoweniger macht es Spaß, die großen Seiten umzublättern und Bauwerke zu entdecken, die man selbst als langjährige Einwohnerin Berlins noch nicht kennt.
