Komfort unterm Glasdach: Transformationskonzept für das Gewächshaus im IBZ Berlin

Energetisch sanieren – ohne zu stark einzugreifen? Wie das geht, untersucht Malte Wilms im Rahmen seines Forschungsvorhabens. Er entwickelte prototypische Wohnkonzepte für das leerstehende Gewächshaus auf dem Dach des Steidle-Baus in Berlin.

1983 entstand in Berlin-Wilmersdorf das Internationale Begegnungszentrum (IBZ) als Kulturstätte und Unterkunft für Wissenschaftler*innen der Berliner Hochschulen. Die Architekten Otto Steidle mit Siegwart Geiger und Alexander Lux schufen das ökologisch und sozialräumlich pionierhafte Wohnhaus, das seit April 2023 nun auch zu den jüngsten Denkmälern Berlins zählt. Auf dem Dach, ein ganz besonderer Teil des Hauses: das großzügige Gewächshaus, das bislang jedoch fast nicht genutzt wurde. 

Malte Wilms, Architekt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Leibniz Universität Hannover, widmet sich in seinem Forschungsprojekt der Zukunft dieses wertvollen Raums. Er plant, die gläsernen Dachflächen mit minimalen Eingriffen in Wohnraum zu verwandeln. Dafür führte er eine thermische Analyse durch. Darauf basierend entwarf er eine Low-Tech-Architektur, die den Prinzipien der Gewächshaustypologie folgt. Er entwickelte kostengünstige Prototypen, die seriell herstellbar und den Anforderungen des Denkmalschutzes sowie der bestehenden Architektur gerecht werden sollen. Die Realisierung dieser Pläne ist bereits in Vorbereitung.

Ein Haus mit viel Begegnungsraum

Das IBZ Berlin verkörpert das ihm zugrunde liegende Konzept: den wissenschaftlichen Austausch unter universitären Akteur*innen. Im Gebäude sind 78 Wohnungen, die Wissenschaftler*innen aus dem Ausland und ihren Familien temporäres Wohnen für ihre Forschungszeit in Berlin ermöglichen. In vielerlei Hinsicht entspricht das über 40 Jahre alte Gebäude den heutigen Ansprüchen: Die differenzierten und offenen Grundrisse bieten Raum für vielfältige Lebensentwürfe und Haushaltsgrößen. Zusätzlich zur Wohnnutzung bietet das Gebäude Gemeinschaftsräume wie eine Bibliothek, ein Waschcafé, Fitness- und Freizeiträume sowie einen Veranstaltungsraum im obersten Geschoss. Die Wohnungen sind über Laubengänge verbunden, die von einer diagonalen Außentreppe durchzogen werden. Eine lebendige Erschließung, die als sozialer Treffpunkt funktioniert.

Mit dem Dach wurde ein für die Zeit bemerkenswertes Energiekonzept entwickelt. Formal orientiert es sich am Steildach der Nachbarhäuser rund um den Rüdesheimer Platz, ersetzt jedoch Ziegel durch Glas. Diese Konstruktion ermöglicht ein nach Süden ausgerichtetes Dachgeschoss, das als transparenter Sonnenkollektor fungiert. Wärmepumpen nutzen die gewonnene Energie für Heizung und Warmwasser. Das Dach sollte als öffentlicher Dachgarten mit Pflanzen und Beeten bestückt und auch der Nachbarschaft zugänglich gemacht werden – ein Ausgleich für die einstigen Kleingärten auf dem Grundstück, die dem Bauprojekt weichen mussten.

Wohnen unter Wärmebrücken?

Der helle Raum, in dem einst Menschen zwischen Pflanzen den Sonnenuntergang über Berlins Dächern genießen sollten, ist ungenutzt. Malte Wilms will das ändern. Unter dem Titel „Ordinary Access“ erforscht er die Transportierbarkeit von abrissgefährdeten Gebäuden, und stieß dabei auf den Steidle-Bau, noch bevor dieser zum Denkmal erklärt wurde. Sein Forschungsvorhaben zielt darauf ab, den Raum bewohnbar zu machen und dabei exemplarische Konflikte zwischen thermischer Optimierung und Erhalt der Charakteristik des Bestands zu lösen. Das Gewächshaus heizt sich im Sommer stark auf und kühlt im Winter ab, bietet aber durch seine Verglasung eine einzigartige Atmosphäre. Das Projekt greift dabei die wichtige Frage auf, wie ressourcenschonende und kostengünstige Bauansätze innerhalb der strikten Grenzen des Denkmalschutzes realisiert werden können.

Im engen Austausch mit den Nutzer*innen erstellte Wilms eine thermische Analyse. Der erste Forschungsschritt bestand in Temperatur- und Feuchtigkeitsmessungen vor Ort sowie Interviews mit den Bewohner*innen. Anschließend erstellte und kalibrierte er Computermodelle. In diesen kann Wilms die gemessenen Temperaturen imitieren, indem er Gebäudeeigenschaften – wie Luftinfiltration, Luftaustausch, thermische Trägheit und interne Wärmegewinne – die nicht im Voraus bestimmt werden können, anpasst. 

Energetische Sanierung durch sensiblen Eingriff

Wie können also minimalinvasive, modulare Eingriffe die Raumqualität, Flexibilität und Nachhaltigkeit maximieren, ohne die ursprüngliche Gestalt und Funktion des Dachs zu beeinträchtigen? Und das auch noch kostengünstig? Mit einem prototypischen, experimentellen Ansatz entwickelte Wilms dazu im engen Austausch mit dem Architekten Siegwart Geiger zwei Wohneinheiten mit verschiedenen Maßnahmen, um die thermische Funktionalität zu verbessern, zu testen und neue Wohnqualität zu schaffen.

Dazu hat er Wandelemente eingesetzt, die manuell durch einfache Gesten wie das Öffnen von Schiebetüren oder Vorhängen gesteuert werden. So können die Bewohner*innen das Innenklima eigenständig und intuitiv regulieren. Thermovorhänge aus Schafwolle verhindern Wärmeverluste im Winter und im Sommer direkte Sonneneinstrahlung. Eine neue Verglasung mit Aluminiumrahmen schafft einen klimatischen Puffer und verbessert somit die Dämmung. Ein reflektierender Sonnenschutzvorhang sorgt zudem für Privatsphäre und Schutz vor Überhitzung. Energetische Maßnahmen wie Klappfenster fördern die Luftzirkulation, unterstützt durch zusätzliche Öffnungen in der Giebelebene. Das Projekt verzichtet bewusst auf mechanische Systeme wie Heizung und Kühlung und setzt auf natürliche Bedingungen für thermischen Komfort. Auch das Leben mit Pflanzen kommt nicht zu kurz: Wie einst visioniert, sollen die Bewohner*innen den Dachraum begrünen und pflegen. Das Forschungsprojekt könnte als beispielhaftes Vorhaben dienen, das zeigt, wie sensibel energetische Sanierung und Transformation angegangen werden können, ohne der ursprünglichen Idee der Architektur zu widersprechen  – sondern sie bedacht weiterzuentwickeln.