Finale in Apolda: Das letzte StadtLand-Forum

Zum letzten Mal trafen sich Expert*innen, Initiativen, Studierende, Hochschulpartner*innen sowie Vertreter*innen aus Verwaltung und Politik im Rahmen der StadtLand-Foren in Apolda. Wie geht es weiter?

Das große StadtLand-Forum der IBA Thüringen in Kooperation mit der Wüstenrot Stiftung hat sich dem Ende zugeneigt. Unter dem Motto „Der regionale Ansatz!“ fand vom 07. bis 10. September 2023 das fünfte und letzte Format dieser Art statt. Es wurde unter anderem darüber diskutiert, wie das im Laufe der elfjährigen IBA akkumulierte theoretische und praktische Wissen Impulse in der Entwicklung Thüringens und darüber hinaus setzen kann. Alle Foren wurden in Zusammenarbeit mit raumlaborberlinRurbane Realitäten und dem Kollektiv Belwerk durchgeführt. baunetz CAMPUS war zwei Tage lang vor Ort dabei und hat mit den Organisator*innen und Teilnehmenden gesprochen.

Transformationen anstoßen

Es ist ein sonniger Freitagmorgen im September. Bereits von Weitem ist die markante Silhouette des Eiermannbaus zu erkennen, der sich als prägnanter Backsteinriegel vor dem blauen Himmel abzeichnet. Seit gestern ist hier in der sogenannten „Open Factory Eiermannbau“ das letzte StadtLand-Forum in vollem Gange. Auf der Freifläche vor dem Gebäude treffen sich die Residencies des Forums gemeinsam mit Gast-Prof. Kerstin Faber, Projektleiterin der IBA. In einem kleinen Bus geht es auf Exkursion in die Dorfregion Seltenrain. Hier haben Studierende des Fachgebiets CODE der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Ralf Pasel im Rahmen des DesignBuild-Projekts „Leergut“ einen ausgedienten Supermarkt in ein neues Dorfzentrum transformiert. Die gemeindeübergreifende Stiftung „Landleben“ und der angeschlossene Verein „Landengel e. V.“ bauen hier ein neues Gesundheits-, Pflege- und Versorgungsnetzwerk für die Dorfregion auf. Dazu gehören die Gesundheitskioske, die wir anschließend besuchen.

Kleine Kioske, großer Impact

Die Kioske sind ein anschauliches Beispiel für die Entwicklungsarbeit, die die Verantwortlichen der IBA in Thüringen leisten wollen. Anders als etwa bei den frühen Internationalen Bauausstellungen, bei denen es sich in erster Linie um Architekturschauen handelt, möchte die IBA Thüringen Transformationsprozesse anstoßen und Impulse für eine nachhaltige Regionalentwicklung setzen. Die Gesundheitskioske leisten dazu einen Beitrag, indem sie der ländlichen Bevölkerung, die stark vom demografischen Wandel betroffen ist, als Anlaufstellen dienen. Die Anwohner*innen können hier nicht nur Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, sondern sich auch zu sozialen Belangen beraten lassen und müssen dank der Möglichkeiten der Telemedizin nicht mehr zwangsläufig lange Wege in die nächstgelegene Arztpraxis auf sich nehmen. Alle Kioske sind an Bushaltestellen gelegen, sodass sie auch von Personen ohne eigenes Auto erreicht werden können. Geplant wurden die maximal 25 Quadratmeter großen Bauwerke von PASEL-K Architects aus Berlin. Die Betreuung wird an den jeweiligen Standorten über das Vorsorgeprogramm „Agathe“ organisiert.

Wie wird es konkret?

Erklärtes Ziel des fünften Forums ist, die vorhandenen Instrumente zu beleuchten und das Land als unabdingbare Raumkategorie für die sozial-ökologische Transformation hervorzuheben. In den Diskussionsrunden geht es vornehmlich darum, die bestehende territoriale Logik von Stadt und Raum aufzubrechen. Denn die Konzentration auf Städte vernachlässigt bisher die Transformation im ländlichen Raum, dabei sind die ländlichen Räume – auch vor dem Hintergrund des Klimawandels – von großer Bedeutung.  

Aufschlussreich ist u. a. der Austausch zwischen Dr. Tonia Schmitz von der Bauhaus-Universität WeimarNina Koth vom Projekt „Rurasmus“ und Gast-Prof. Katja Fischer von der IBA Thüringen zu neuen Ideen für die Lehre im Kontext der ländlichen Räume und regionalen Entwicklungsstrategien. Beispielsweise bietet „Rurasmus“ Studierenden die Möglichkeit, ein Semester lang kostenfrei in einer ländlichen Gemeinde zu wohnen und zu arbeiten und sich mit lokalen Themen und Herausforderungen zu beschäftigen. 

Weiterhin stellen Akteur*innen aus verschiedenen Projekten ihre regionalwirksamen Ideen vor und berichten von ihren Erfahrungen. Moderiert von Manuel Slupina von der Wüstenrot Stiftung und Gast-Prof. Katja Fischer von der IBA, kommen Vertreter*innen von Thüringer Aktionsgruppen „Leader“, der Zukunftswerkstatt Schwarzatal, des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung sowie der Initiative „Silicon Vilstal“ zu Wort. Dabei kommt eine lebhafte Diskussion zustande, in der seitens der Residencies durchaus auch kritische Stimmen geäußert werden. „Wann und wie können wir als nächste Generation konkret etwas bewirken? Wie können wir unsere Erkenntnisse aus den Gesprächen in der nötigen Geschwindigkeit in die Praxis übertragen?“ Die Impulse aus den Debatten klären zwar viele Fragen, andere müssen jedoch vorerst unbeantwortet bleiben.  

Vom StadtLand-Forum in die Politik

Im Abschlussjahr der IBA Thüringen, deren finale Ausstellung bis zum 29. Oktober noch im Eiermannbau zu sehen ist, dienten die StadtLand-Foren dem Austausch über die Relevanz der ländlichen Räume sowie einer Neuverhandlung der Beziehung von Stadt und Land. Am 18. Oktober 2023 werden daraus gewonnene Positionen im Thüringer Landtag mit den Thüringer Parlamentarier*innen und Vertreter*innen der Landesregierung diskutiert.

Des Weiteren sind im Rahmen der IBA zwei zusammenhängende Publikationen entstanden, in denen zum einen 30 Pilotprojekte der IBA versammelt sind. Zum anderen werden darin die Raumpraxis des Formats IBA anhand der gewonnenen Erkenntnisse diskursiv reflektiert und Perspektiven für zukünftige Handlungsfelder aufgezeigt. In unserem #BookChat zu Internationalen Bauausstellungen erfahrt ihr mehr zu den beiden Büchern.