IBA-Abschluss im Eiermannbau: im Gespräch mit Katja Fischer und Manuel Slupina zum StadtLand-Forum Apolda

Im Rahmen ihres Abschlussjahres organisiert die IBA Thüringen im und rund um den Eiermannbau in Apolda ein ganzjähriges Programm mit Workshops und Diskussionsformaten unter dem Titel StadtLand-Forum. Katja Fischer, Programm- und Projektleiterin der IBA Thüringen, und Manuel Slupina, Leiter des Themengebietes Stadt & Land der Wüstenrot Stiftung, haben uns im Gespräch mehr über die Entstehung, Zusammenarbeit und Ziele des IBA-Abschlusses erzählt.

Können Sie uns mehr zu den Hintergründen Ihrer Kooperation beim StadtLand-Forum erläutern?

Katja Fischer: Unsere Zusammenarbeit startete im Jahr 2016. Die Wüstenrot Stiftung bekundete Interesse an einer Kooperation zwischen der Zukunftswerkstatt Wohnen und der IBA Thüringen. Unser Themenschwerpunkt lag jedoch nicht im Bereich Wohnen. Daher haben wir einen Alternativ-Vorschlag gemacht: Uns gemeinsam um das leerstehende Industriedenkmal und IBA-Projekt Eiermannbau in Apolda zu kümmern – und das mithilfe eines Campus-Formates, ähnlich der Zukunftswerkstatt. Ein wichtiger Entwicklungsschritt war, sich den Ort anzueignen und ihn so zu gestalten. Darüber hinaus wurde in der Zeit das Leitbild der Open Factory und eine visionäre Entwicklungsperspektive für den Standort erarbeitet. Mit dem Stadtland-Forum schließt sich nun der Kreis, wir arbeiten erneut an diesem Ort und zu unserem gemeinsamen Thema der ländlichen Räume.

Manuel Slupina:
Besonders spannend an dieser Zusammenarbeit ist, dass wir zum Thema der ländlichen Entwicklung das gebündelte Wissen aus dem elfjährigen IBA-Prozess und den Projekten der Wüstenrot Stiftung zusammenbringen können. Und das zu den verschiedenen Themen, die uns auch in unseren Projekten bei der Stiftung beschäftigen, wie Klimaanpassung, Digitalisierung oder Transformationsprozesse. Mit dem StadtLand-Forum haben wir nun einen Ort, an dem wir das ganze Erfahrungswissen und die Ideen mit anderen diskutieren können und zum Schluss auch zu Positionen zur Entwicklung der ländlichen Räume kommen.

Wie können wir uns diesen Entwicklungsprozess und die Zusammenarbeit daran vorstellen? Wie wurden die IBA-Projekte in das Programm eingebunden?

Katja Fischer: Die IBA ist in erster Linie ein sehr praktisches Format und entwickelt Projekte. Der Fokus der letzten Jahre Programmarbeit war, die Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume in den Diskurs zu bringen. Unsere Projekte zeigen praktisch, dass Veränderungen notwendig sind und auch wirklich gelingen können. Wir arbeiten mit wahnsinnig vielen engagierten Personen, die jedoch sehr lokalspezifisch wirken. Was wir aber kaum schaffen, sind die Querbezüge zwischen den einzelnen Projekten, auch über Thüringen hinaus, herzustellen – da agiert die Wüstenrot Stiftung mit einem großen Netzwerk, mit dem wir eine Schwarmintelligenz erreichen können. Uns war wichtig, dass wir im Abschlussjahr keine reine Schau der IBA-Projekte präsentieren, sondern diese zum Anlass nehmen, die dadurch entstehenden Themen gemeinsam zu diskutieren. Manuel und ich waren uns da schnell einig, dass wir das Ganze als Lernort verstehen – der niederschwellig sein muss, eine breite Gesellschaft ansprechen und unseren Akteur*innen eine Plattform zum Austausch bieten muss.

Manuel Slupina
: Wir haben sehr ähnliche Ansätze. In unseren Studien konzentrieren wir uns häufig auf das praktische Geschehen vor Ort. Was hilft gegen die Abwanderung oder die Folgen des Klimawandels, wie schafft man mit digitalen Möglichkeiten neue Angebote? Da liegt viel in den Händen der Menschen vor Ort. Wir tauschen uns mit Rathausmitarbeiter*innen oder Bürger*innen darüber aus. Denn viele Lösungen müssen in der Region ausgehandelt und letztendlich umgesetzt werden.

Wie funktioniert das StadtLand-Forum am Eiermannbau?

Manuel Slupina: Das erste Forum diente eher der räumlichen Entwicklung und Vorbereitung und galt auch für uns als eine Art Experimentierraum. Im zweiten Forum haben wir bereits diverse Diskussionsformate vertieft. Wir erkennen, dass das Konzept dahingehend funktioniert, indem der Ort verschiedene Menschen zusammenbringt – Studierende, Expert*innen sowie Projektakteur*innen. Wir wollten kein klassisches Format mit Bestuhlung, Frontalvortrag und Fragerunde. Verschiedene Formate, von eher lockerem Diskussionspanel bis hin zur dreistündigen Debatte, bieten hierbei unterschiedliche Plattformen und Zeitfenster des Austausches.

Katja Fischer:
Dieses Konzept haben wir räumlich übertragen und organisieren uns in dem flexiblen, niederschwelligen baulichen Setting, das uns raumlabor mit vier Plattformen samt Ausstattung auf der Freifläche der Open Factory geschaffen hat. Die Struktur war aber auch eine Herausforderung, da wir über das Programm hinweg die Orte und Plattformen wechseln und die Durchführbarkeit prüfen und anpassen mussten. Inhaltlich ist das Forum-Format bereits sehr divers angelegt, da jedes Forum ein anderes Thema behandelt und unterschiedliche Kompetenzen erfordert.

Welche Eindrücke haben Sie von der Entwicklung der Foren? Was erwarten Sie von den noch anstehenden gemeinsamen Wochen und was ziehen Sie daraus?

Katja Fischer: Wir spüren wir, dass sich dieser Ort wunderbar für solche Verhandlungen und Resonanzsituationen eignet – und das in unmittelbarer Nähe zu stark nachgefragten Hochschulstädten wie Jena und Weimar. Bemerkenswert ist jedoch der verdichtete Zugang zu einem Thema in nur vier Tagen. Innerhalb der fünf Foren behandeln wir fünf Themen, die ganz unterschiedliche Residency-Teilnehmer*innen ansprechen. Die Studierenden und Absolvent*innen haben ein hohes Interesse, ihre Kompetenzen zu reflektieren und sich mit den Beteiligten zu vernetzen.

Das Selbstverständnis des Forums ist, dass die Menschen die eigentliche Ressource der ländlichen Räume sind. Die Akteur*innen vor Ort machen Bahnhöfe zum Ort der Nahversorgung und des Treffens oder aktivieren Häuser, die leer stehen – und das alles im Sinne des Gemeinwohls. Häufig fehlen konsolidierte Strukturen zwischen Zivilgesellschaft und Staat für die ländlichen Gebiete. Es ist wirklich schön, zu sehen, dass wir über die Debatten ein tatsächliches Verständnis dafür entwickeln und einen Stein ins Rollen bringen können. Das sogenannte StadtLand-Parlament im Oktober 2023 ist unser nächster Meilenstein, wo wir dann gemeinsam die Empfehlungen aus dem Forum im Thüringer Landtag diskutieren werden.

Manuel Slupina: Es wurde deutlich, dass die Studierenden beispielsweise großes Interesse an kommunalen Strukturen haben und von den engagierten Personen und ihren Projekten vor Ort fasziniert sind. Anhand von Praxisbeispielen konnte eine Menge Erfahrung und Wissen geteilt werden. Es ist auffällig, dass viele Akteur*innen aus unterschiedlichen Regionen mit unterschiedlichen Projekten auf ähnliche Herausforderungen stoßen. Was wir bereits möglich machen konnten, ist, diese Menschen zusammenzubringen, um gemeinsam über Lösungsansätze zu diskutieren. Da knüpfen wir auch mit unserem 5. Forum „Der regionale Ansatz!“ an, bei dem es um die regionale Fähigkeit geht, ein Veränderungsklima für eine sozial-ökologische Transformation zu schaffen.