Schnittstellen erkunden: Caroline Steffen an den Grenzen der Disziplin

Caroline Steffen, Gründerin der Online-Community architektur kollektiv und des Büros a collective studio, gibt seit dem Frühjahr das Magazin Schnitt heraus. Ein Gespräch über disziplinübergreifendes Arbeiten und einen außergewöhnlichen Karriereweg nach dem Architekturstudium.

Wie hängen Ihre vielfältigen Tätigkeitsfelder miteinander zusammen bzw. welche Themen interessieren Sie übergreifend?

Im September 2022 habe ich architektur kollektiv gegründet, da ich zu dem Zeitpunkt als angestellte Architektin gearbeitet und das Bedürfnis nach einem weitreichenden Austausch verspürt habe. Über verschiedene Wege lernte ich Personen aus meiner Generation kennen, die an Projekten arbeiten, die ich inspirierend finde. Also habe ich damit begonnen, sie anzuschreiben und ihnen Fragen zu stellen. Ich entschied mich dann eines Abends dazu, die Antworten dieser Personen mit anderen zu teilen. Gleichzeitig hat mich einiges in der Branche gestört und verärgert, und ich wollte mich mit anderen dazu austauschen, um Dinge zu verändern.

Ein Jahr später habe ich mein eigenes Büro a collective studio gegründet, motiviert durch die vielen inspirierenden Personen, die ich durch architektur kollektiv kennenlernen durfte und die ihren eigenen Weg gehen. Ich habe mich nie ausschließlich für die Architektur interessiert, sondern auch für viele angrenzende Disziplinen wie Kunst und Literatur und versuche, diese Bereiche durch meine Arbeit mit a collective studio zu verknüpfen. Schnitt ist ein Herzensprojekt von mir, in dem ich viele Dinge, die mir wichtig sind, kombiniere: die Architektur, das Schreiben, Grafikdesign, Storytelling, die Zusammenarbeit mit tollen Menschen, Interdisziplinarität und Architekturvermittlung. Um nur ein paar Aspekte zu nennen.


Sie haben sich relativ früh in Ihrer Karriere selbstständig gemacht. Was hat Sie dazu bewogen, in die Selbstständigkeit zu gehen? Welchen Herausforderungen mussten Sie sich auf diesem Weg stellen?

Ich habe in meiner Zeit als angestellte Architektin in verschiedenen Bereichen gearbeitet, sowohl in der Architektur als auch in der Innenarchitektur und habe nach einer gewissen Zeit herausgefunden, was mich wirklich interessiert und wofür ich stehen möchte. Natürlich ist das ein stetiger Prozess, aber ich musste festgestellen, dass sich meine Interessengebiete nicht in einem Büro kombinieren ließen, da man dort als Angestellte*r oft für ein bestimmtes Aufgabenfeld zuständig ist. Ich wollte mehr experimentieren, mir Projekte selbst suchen, mit unterschiedlichen Personen zusammenarbeiten und Dinge ausprobieren, die vielleicht nicht sofort lukrativ, dafür aber nachhaltig sind.

Meiner Einschätzung nach ist die größte Herausforderung, den ersten Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Ich habe mich mit vielen Leuten ausgetauscht, die dies schon gemacht haben und hilfreiche Tipps bekommen. Das rate ich allen, die diesen Weg gehen wollen.


Nun kommt die erste Ausgabe Ihres Magazins Schnitt heraus. Worum geht es in der Zeitschrift? Welche Intention verfolgen Sie mit dieser Publikation?

Im Studium wird man in der Regel auf die Arbeit im Planungsbüro vorbereitet und man weiß oft gar nicht, was man nach dem Architekturstudium alles machen kann. Ich habe viele Leute kennenlernen dürfen, die Architektur studierten, jetzt aber an der Schnittstelle zu einer anderen Disziplin arbeiten. In jeder Ausgabe geht es um eine dieser Schnittstellen. Personen, die dort spannende Arbeit leisten, verfassen Beiträge über ihr Schaffen, ihre Gedanken und ihre Erfahrungen. In der ersten Ausgabe „Curated Spaces“ kommen fünf Frauen zu Wort (eine davon bin ich), die im weitesten Sinne an der Schnittstelle zur Kunst arbeiten und alle auf ihre Art Räume kuratieren, seien es physische Räume oder Gedankenräume.

Meine Intention ist es, darauf aufmerksam zu machen, wie vielfältig und interdisziplinär der Beruf ist und wie unzählig die Schnittstellen zu anderen Bereichen (z. B. Handwerk, Fotografie, Politik, Tanz, Wirtschaft etc.) sind. Interdisziplinäres Arbeiten ist die Zukunft und sollte viel häufiger praktiziert werden. Mir ist es wichtig, für die einzelnen Ausgaben mit Personen zusammenzuarbeiten, die gute Vorbilder verkörpern, da sie nicht nur tolle Architekt*innen, sondern auch tolle Menschen sind.

Darüber hinaus arbeiten Sie mit dem Bonner Kunstmuseum an einem Architekturvermittlungsprojekt. Was interessiert Sie besonders an der Architekturvermittlung?

In dem von mir konzipierten Architekturvermittlungsprogramm „Ein Museum ist auch nur ein Haus“ geht es einerseits um das Kunstmuseum als Gebäudetypologie im geschichtlichen Kontext, andererseits um die ganz konkrete Architektur des Bonner Kunstmuseums. Diese wird in drei aufeinanderfolgenden Führungen thematisiert, um die Wahrnehmung der Besucher*innen zu schulen. Viele Personen besuchen das Bonner Kunstmuseum regelmäßig, ohne die Architektur des Gebäudes näher zu kennen, wobei die Räume essenziell für die Präsentation der Kunstwerke sind und deren Wahrnehmung prägen.

Meine Intention mit diesem Programm ist es, den Menschen die Architektur näherzubringen und ihren Blick darauf zu schärfen. Dies gelingt leichter durch ein so spannendes Gebäude. Für die Führungen erstellte ich Booklets, die ich den Besucher*innen an die Hand gebe, um dem Erzählten visuell folgen zu können. Das Projekt entsteht in Zusammenarbeit mit dem Bonner Kunstmuseum und dank des Vertrauens einer tollen Kuratorin, die das Thema der Architekturvermittlung genauso wichtig findet wie ich.


Haben Sie Tipps für Absolvent*innen, die sich für Ihren Berufsweg interessieren? Was würden Sie Personen, die über eine Selbstständigkeit oder eine eigene Publikation nachdenken, mit auf den Weg geben?

Jede*r sollte sich fragen, wofür er oder sie sich in diesem Berufsfeld wirklich interessiert. Im Alltag ist es leicht, die eigenen Wünsche und Ziele aus den Augen zu verlieren. Deshalb rate ich dazu, sich mit anderen auszutauschen, zu vernetzen und zu informieren. Auf diese Weise erkennt man, was alles möglich ist.

Nicht Jede*r möchte selbstständig sein, aber alle, die den Drang verspüren und für ein Thema brennen, sollten dies ausprobieren. Über Fördermittel kann man in den ersten Jahren finanzielle Unterstützung erhalten, und auch die Architektenkammer bzw. das Versorgungswerk bieten reduzierte Beiträge für Gründer*innen. Informiert euch und tauscht euch aus.