„Die Förderung der jungen Planer*innen liegt uns sehr am Herzen – es ist ein wichtiger Teil der Europan-Idee.“

Der europäische Architekturwettbewerb Europan baut seit mehr als 30 Jahren ein starkes Netzwerk aus. Über die Auswirkung des Wettbewerbs auf die Entwicklung der Standorte und auf die Karrieren der Teilnehmenden berichten vier Repräsentant*innen des Netzwerks: Camay Imbernón García (Spanien), Iris Kaltenegger (Österreich), Lola Meyer (Deutschland) und Didier Rebois (Europa).  

Wie würden sie das Europan Netzwerk beschreiben?

Europan Europe / Didier Rebois: Europan ist eine föderative Struktur, die nationale Strukturen, die den Wettbewerb in ihrem jeweiligen Land verwalten und einen europäischen Verband vereint. Der europäische Verband koordiniert das zweijährige Programm jedes Wettbewerbs auf europäischer Ebene und regt den Austausch zwischen den Partnern an. Europan ist die Plattform, die bereits seit 40 Jahren europäische Städte, die zu einem gemeinsamen Thema Standorte in verschiedenen Größenordnungen vorschlagen, mit jungen Planer*innen aus den Bereichen Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung zusammenbringt. Das Ziel ist die Förderung von Innovationen – dementsprechend wählen Expert*innenjurys aus den eingereichten Wettbewerbsarbeiten die innovativsten Projektvorschläge aus, die anschließend in Form von Studien oder Realisierungsprozessen weitergeführt werden sollen. 

Europan Spain / Camay Imbernón García: Die erste Bezeichnung, die mir spontan einfällt, ist „Plural“. Europan ist chorisch strukturiert, mit Personen und Institutionen, die gemeinsame Ziele verfolgen. Im Falle Spaniens ist es der Nationale Ausschuss, gebildet aus dem „Consejo Superior de los Colegios de Arquitectos de España“ gemeinsam mit den drei öffentlichen Verwaltungen – der zentralen, regionalen und lokalen. 

Wie werden junge Architekt*in oder Studierende, die einen Wettbewerb gewonnen haben Teil des Netzwerks? Welche Auswirkung hat Europan auf ihr späteres Berufsleben?

Europan Austria / Iris Kaltenegger: Direkt im Anschluss der Preisverleihung, die immer an einem renommierten Architekturinstitut stattfindet, moderieren wir einen Workshop zwischen dem Gewinnerteam und den Standortpartnern, um die nächsten Schritte des Projekts festzulegen. Die Präsentation in der Europan-Wanderausstellung, die Publikation und Einladungen zu Podiumsdiskussionen ermöglichen den Preisträger*innen, sich zusätzlich zum Projekt zu positionieren. Darüber hinaus haben wir seit drei Runden eine Kooperation mit der TU Graz, die einen Call für einen einwöchigen Workshop mit populärer Lunch-Lecture ausruft. Eingeladen sind alle Teams österreichischer Standorte, die es in die erste Juryrunde (Shortlist) geschafft haben. Wenn man Interesse daran hat, seine Fähigkeiten in der Lehre zu testen oder eine akademische Laufbahn anzustreben, bietet dies eine großartige Möglichkeit.

Je nach Projekt versuchen wir, spezifische „windows of opportunities“ zu schaffen.
Ein Beispiel dafür ist die Residency im innovativen Club Hybrid in Graz, bei der das Gewinnerteam winwin-office eine Woche lang im öffentlichen Diskurs an der Weiterentwicklung ihres städtebaulichen Projekts gearbeitet hat. Oft haben wir langjährige und freundschaftliche Beziehungen zu den Teams und unterstützen sie über die laufenden Projekte hinaus. In jeder Europan-Runde laden wir zwei Gewinner*innen in unsere internationale Jury ein. In diesem Jahr sind das Radostina Radulova-Stahmer von Studio-3rd und Theresa Krenn von studio ederkrenn (ehemals uek).

Europan Germany / Lola Meyer: Die Förderung der jungen Planer*innen liegt uns sehr am Herzen – es ist ein wichtiger Teil der Europan-Idee. In Deutschland werden die Gewinnerteams zur Preisverleihung nach Berlin eingeladen und können ihre Entwürfe vorstellen und sich untereinander und mit den Städten austauschen. Im Anschluss werden an jedem Standort Workshops durchgeführt. Hier werden die Teams eingeladen, ihre Arbeiten im Austausch mit den Leuten vor Ort anzupassen und weiterzuentwickeln. Über eine mögliche Auftragsvergabe hinaus versuchen wir, die Gewinner*innen zu fördern, z. B. durch die Einbeziehung in zukünftige Jurys, durch Vorträge oder die Verknüpfung zu Hochschulen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die aktive Vernetzung der Gewinner*innen untereinander – schließlich ist ein Netzwerk engagierter junger Architekt*innen und Planer*innen dringend nötig, um die Zukunftsaufgaben zu stemmen. 

Wie entstehen die Themen des Europan Wettbewerbs und wie kam es zum diesjährigen Themenkomplex? 

Europan Europe / Didier Rebois: Das Thema des jeweiligen Wettbewerbs wird mit etwa zwei Jahren Vorlauf festgelegt. Es bietet einen Rahmen für die Suche nach geeigneten Standorten und Aufgaben und soll gleichzeitig die Fragen und Bedürfnisse der jungen Planer*innengeneration abbilden.

Seit einigen Jahren behalten wir das gleiche Thema in zwei aufeinanderfolgenden Wettbewerbsrunden bei; die erste erlaubt es, ein Thema zu erforschen und – je nach Analyse der Ergebnisse – bestimmte Fragestellungen in der zweiten Runde zu vertiefen. So haben wir seit Europan 12 jeweils drei Themen entwickelt. Im Europan E12 und E13 ging es unter dem Motto „Adaptable City“ darum, wie Städte anpassungsfähig und flexibel gemacht werden können. In E14 und E15 sollte unter dem Slogan „Productive Cities“ die Kombination von Produktion, Arbeiten und Wohnen erprobt werden. Das E16 und E17 Thema „Living Cities“ widmet sich der Frage, wie man das Lebendige und die soziale Dynamik in den Mittelpunkt der Entwicklung der bewohnten Umgebungen stellen kann. 

Der Prozess der Themenfindung beginnt mit Vorschlägen des wissenschaftlichen Komitees von Europan Europe. Diese thematischen Schwerpunkte werden dann in Arbeitsgruppen, die die nationalen Strukturen einbeziehen und durch die Konsultation von Expert*innen diskutiert und weiterentwickelt. Letztendlich entscheidet ein europäisches Gremium, das aus den Teilnehmern der unterschiedlichen Ländern zusammengesetzt ist über das endgültige Thema.

Wie hat Europan in den Jahren seit der Entstehung des Wettbewerbs die Transformation der teilnehmenden Städte beeinflusst? 

Europan Spain / Camay Imbernón García: Wenn auch weniger, als wir es uns gewünscht hätten (einige Projekte wie Córdoba und Toledo kamen nicht zustande), so war Europan doch mehrfach entscheidend an der Entwicklung ganzer Stadtviertel und neuer Formen der Urbanität beteiligt: Bilbao, Barakaldo, Alicante, Sevilla, Ceuta, Rec Comtal in Barcelona, Torrelavega ... Andere sind noch im Gange, wie das Projekt in Lasarte-Oria (Europan 15), das sogar dazu beigetragen hat, die Vorschriften der baskischen Regierung zu ändern und produktive Räume im sozialen Wohnungsbau einzuführen.

Europan Austria / Iris Kaltenegger: In Österreich wurden zahlreiche große Europan-Projekte umgesetzt, die ganze Stadtviertel geprägt und transformiert haben. Neben Innsbruck und Salzburg kommt vor allem Wien eine besondere Rolle zu. Am Projekt Wildgarten lässt sich ein „europaneskes“ Paradebeispiel skizzieren: Ein innovativer städtebaulicher Entwurf von arenas basabe palacios traf auf mutige und engagierte Akteur*innen. Die soziale Begleitung eines Quartiers wurde zweifellos durch ein weiteres Europan-Projekt gestärkt. Bereits im Jahr 2007 reichte das siegreiche Team uek ihr Projekt Oase 22 mit einem Sozialmoderationskonzept ein. Dieser Ansatz wurde mittlerweile in viele neue Quartiere integriert.

 

Europan hat auch auf einer anderen Ebene Einfluss genommen, indem es als Namensgeber für das Fachkonzept „Produktive Stadt“ in Wien fungierte. Darüber hinaus zeigt sich das Vertrauen der Stadt Wien in Europan auch darin, dass sie der diesjährigen Europan-Runde eines der letzten großen Stadtentwicklungsgebiete - „Am Heidjöchl“ - anvertraut hat. Wir hoffen, dass wir auch dort zu einem weiteren Transformationsprozess beitragen können.

Wie wird das international generierte und gesammelte Wissen vermittelt und verwertet? 

Europan Europe / Didier Rebois: Die Kommunikation und der Austausch über den Wettbewerb auf nationaler und europäischer Ebene werden durch Veröffentlichungen, Kataloge, Ausstellungen, Kongresse, Websites und in sozialen Netzwerken gefördert.

Für die aktuelle Europan 17 Runde können bis zum 30. Juli 2023 Projekte eingereicht werden. Alle Autor*innen müssen unter 40 Jahre alt sein. Die Preisträger*innen werden am 4. Dezember 2023 bekannt gegeben.