Bottom-Up statt Top-Down: Impulse von der LINA-Konferenz in Sarajevo
Für die diesjährige Konferenz hat das europäische Netzwerk LINA einen besonderen Ort auserkoren: Vertreter*innen renommierter Institutionen und 25 LINA-Fellows trafen sich in der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina.

Nach Konferenzen in Ljubljana und Kopenhagen versammelte das EU-geförderte Netzwerk LINA in diesem Jahr 25 Fellows und Vertreter*innen von 34 internationalen Organisationen – darunter Museen, Universitäten, Stiftungen, Biennalen und Triennalen – in Sarajevo. Im Fokus stand die Bedeutung von Communities für die Stadtentwicklung und ihr Beitrag zur Förderung architektonischer Innovation. Ein Thema, das angesichts des Austragungsortes der Konferenz besondere Relevanz hat, denn die Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina ist historisch geprägt von Bottom-Up-Ansätzen, die sich auch im Stadtbild spiegeln.
Olympische Spiele, Kriegszerstörung und selbstverständliche Heterogenität
Das Straßenbild von Sarajevo lässt sich in keine Schublade packen: Stuckdekorierte Fassaden reihen sich an moderne Fensterbänder, osmanische Einflüsse koexistieren Seite an Seite mit österreich-ungarischen und sozialistischen. Lücken wurden scheinbar ohne Berührungsängste gefüllt – in großen Teilen ganz offensichtlich in Eigenregie der Bewohner*innen. Omnipräsent sind die olympischen Ringe, die immer wieder auftauchen, sei es mitten im Kreisverkehr oder auf Schildern. Obwohl die Olympischen Winterspiele inzwischen 40 Jahre her sind.

Vor dieser besonderen Kulisse organisierten Dunja Krvavac und Irhana Šehović von der ortsansässigen Organisation LIFT Spatial Initiatives gemeinsam mit dem LINA-Team die zweitägige Konferenz in ihrer Heimatstadt. Die beiden Gastgeberinnen wurden während der Belagerung Sarajevos in den 1990er-Jahren geboren und teilten ihre ganz persönliche Geschichte zur architektonischen Genese der Stadt. Als Kinder lernten sie, auf dem Asphalt statt auf den Grünflächen zu spielen, denn dort waren sie vor Landminen sicher. Sie berichteten auch vom Community initiierten Wiederaufbau der Stadt nach dem Bosnienkrieg. „In einer Stadt, in der es kein „Top-Down“ gibt, ist das „Bottom-Up“ der einzige Mechanismus für Veränderungen“, sagten Dunja Krvavac und Irhana Šehović in ihrem Vortrag.
Von der Gemeinschaft ausgehend
Die beiden Konferenztage waren dem Thema „Community-Led Architecture“ gewidmet. Was bedeutet eigentlich Gemeinschaft? Braucht es Führung in der Architektur und Stadtentwicklung? Wie geht eine Stadt damit um, wenn „von oben“ zu wenig passiert? Wohnt Architektur eine inhärente Gewalt inne? Diese Fragen schwebten über den Panels der 25 LINA-Fellows und wurden auch in der Ansprache von Léopold Lambert, Chefredakteur von „The Funambulist“, aufgegriffen. Am zweiten Konferenztag konnten sich die Fellows und Members während einer Wanderung entlang der Olympia Bob- und Rodelbahn Trebević kennenlernen und über mögliche Kooperationen sprechen. Die Fellows erhalten so die Chance, europaweit an Workshops, Ausstellungen, Buchprojekten und anderen Formaten mitzuarbeiten.

Kürzlich erhielt die LINA-Plattform die Nachricht, dass die Europäische Kommission eine Finanzierung für weitere vier Jahre genehmigt hat. Die wachsende Zahl der Mitgliedsorganisationen wird so voraussichtlich in der Lage sein, über 400 Kooperationen mit aufstrebenden Talenten in 40 Ländern in ganz Europa und im Mittelmeerraum zu unterstützen.