Kreislaufpotenziale bewertet: Der Urban Mining Index

Prof. Anja Rosen hat ein Tool entwickelt, das eine quantitative Bewertungsgrundlage für die zirkuläre Performance von Gebäuden und einzelnen Bauteilen bietet – und dies bereits in der Planungsphase.

Urban Mining fußt auf dem Prinzip, Rohstoffe aus gebauten städtischen Infrastrukturen zurückzugewinnen, bevor sie am Ende ihrer Wertschöpfungskette zu Abfall werden. Dabei ist eine genaue Informationsgrundlage entscheidend, um die Verwertungsmöglichkeiten für Materialien frühzeitig zu prognostizieren und sie im Kreislauf zu erhalten. 

Im Rahmen ihrer Promotion an der Bergischen Universität Wuppertal konzipierte Prof. Anja Rosen den Urban Mining Index (UMI) als Instrument zur Quantifizierung zirkulärer Planungsvorhaben. Dieses Projekt wird nun an der Fachhochschule Münster fortgesetzt, wo Rosen den Lehrstuhl für Circular Construction innehat, und findet bald praktische Anwendung in Form einer Software.

Stadt als Lagerstätte – Hin zu einer Bewertungssystematik 

Bereits während ihres Studiums beschäftigte sich Anja Rosen mit dem kreislaufgerechten Bauen. In ihrer 2009 abgeschlossenen Bachelorarbeit analysierte sie das deutsche Gebäude-Zertifizierungssystem und stellte fest, dass eine objektive Bewertungsgrundlage zirkulärer Bauvorhaben fehlte. 

Angesichts der Tatsache, dass heutige Architekturprojekte die Ressourcen künftiger Generationen beanspruchen, müssten Planende die Kreislauffähigkeit der Bauwerke schon in der Entwurfsphase berücksichtigen. Doch nach welchen Maßstäben und Parametern können Architekt*innen bereits bei der Planung eines Neubaus den Rückbau einbeziehen und bewerten? Getrieben von dieser Frage entwickelte Anja Rosen im Rahmen ihrer Dissertation, betreut von Prof. Annette Hillebrandt, ein agiles Planungs- und Bewertungsinstrument für den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks – den Urban Mining Index.

Die Logik des Urban Mining Index

Der UMI evaluiert das Kreislaufpotenzial eines Bauwerks auf mehreren Ebenen: von der Gesamtstruktur bis hin zu einzelnen Bauteilen (beispielsweise einer Pfosten-Riegel-Fassade), Bauelementen (zum Beispiel dem Fenster), Bauteilschichten (Fensterrahmen), Materialien (Kunststoff) und Rohstoffen (Erdöl). Dabei berücksichtigt die UMI-Systematik Faktoren wie den Rückbauaufwand und die Trennbarkeit der Bauteilschicht, die Nachnutzbarkeit des Materials und die Erneuerbarkeit des Rohstoffs. Das Ergebnis der Bewertung wird durch den „Urban Mining Indicator“ quantifiziert, der den Anteil der kreislauffähigen Baustoffe in Bezug auf die Gesamtmasse der verbauten Materialien misst.

Ein All-In-One-Tool 

Der Gewinn des DGNB Sustainability Challenge Preises 2021 in der Kategorie Forschung unterstreicht die wirtschaftliche Anwendbarkeit der UMI-Systematik. Um als effektives Planungsinstrument genutzt zu werden, muss der UMI jedoch in Anwendungsreife gebracht werden, idealerweise als Teil eines breiteren Instrumentariums für nachhaltiges Bauen. In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Hottgenroth Software AG und mit Unterstützung einer Anschubförderung der FH Münster plant Anja Rosen, die Logik des Index in eine umfassende Software zu integrieren. Das erklärte Ziel ist ein All-In-One-Tool, das den Energiebedarf, die Ökobilanz sowie die Zirkularitätsrate eines Projekts berechnen und anschließend den Gebäuderessourcenpass erstellen kann. Dieses integrale Instrument verspricht, Architekt*innen die erforderliche Unterstützung für eine ressourcenbewusste, zirkuläre Planung zu bieten.