Pilze statt Polystyrol: Mycel Model Making

Auch im Architekturstudium halten umweltverträglichere Baumaterialien Einzug. Stuttgarter Studierende experimentierten mit Pilzen für den Modellbau. 

Zahlreiche Universitäten und Institute forschen derzeit an der Etablierung von pilzbasierten Materialien im Bauwesen. Man erhofft sich, durch neue Werkstoffe aus biologisch abbaubarem Myzel – dem Wurzelgeflecht von Pilzen – petrochemisch hergestellte Produkte ersetzen zu können. An der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT) fand im Wintersemester 2023/24 dazu ein echter Modellversuch im Kleinen statt. Studierende im ersten Semester des International Master of Interior-Architectural Design (IMIAD) sollten die Potenziale von Myzel für den Architekturmodellbau ausloten. Betreut wurden sie dabei von den Myzel-Forscherinnen Julia Krayer und Lina Vieres vom Fraunhofer-Institut für Umwelt, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) sowie der akademischen Mitarbeiterin Melissa Acker.

Substratsuche

Der Kurs begann mit dem Workshop „beyond the lab“. Gemeinsam mit der Biodesignerin Miriam Josi vom Pariser Büro aléa untersuchten die Kursteilnehmer*innen, welche Stoffe aus dem internen Abfallstrom der Hochschule besonders als Substrat für das Pilzwachstum geeignet sein könnten: Die Holzspäne der Sägewerkstatt landeten in den Modellen der Studierenden anstatt im Brennofen. 

Was kann das Material?

Für den eigentlichen Entwurf sollte sich jede*r Studierende auf einen Aspekt des Materials konzentrieren, der ein besonderes Interesse weckte. Das konnte etwa eine Arbeits- und Veredelungsmethode oder eine Methode des Formenbaus sein. Daraufhin galt es, einen Standardmaßstab aus der Architekturproduktion auszuwählen und in diesem sein Konzept zu erarbeiten. Die Spanne reichte von Mock-ups oder Möbelstücken im Maßstab 1:1 bis hin zu 1:500 Städtebau-Modellen. 

Eingangs fand eine grundsätzliche Beschäftigung mit den spezifischen Maßstäben statt. Welche Aspekte können in welchem Maßstab am besten vermittelt werden? Nach der Referenzanalyse von existierenden Modellen in der jeweiligen Größe ging es darum, die Bedeutungsebene im Myzel-Modell festzulegen: Was für ein Material soll der pilzbasierte Baustoff im Modell repräsentieren, oder steht er gar für sich selbst? Die Eigentümlichkeiten des neuen Werkstoffes sollten die Teilnehmenden gestalterisch erkunden. Konstruktive Aspekte waren dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Durcharbeitung des selbstgewählten Teilaspektes.

Lebendige Forschung

Der Umgang mit einem „lebendigen“ Material brachte auch ganz neue Fragestellungen mit sich. Beispielsweise ob lediglich das inaktivierte Myzel zum Modellbaueinsatz verwendbar ist, oder doch das wachsende Geflecht als Designtool fungieren kann. Der Prozesses wurde anhand von Fotos und einem Laborjournal umfassend dokumentiert, von den Materialversuchen bis hin zum Endprodukt. Für die Pilzzucht und Produktion der Myzel-Versuche hat das Werkstatt-Team ein improvisiertes „Myco-Lab“ hergerichtet und ein Auszug des Projektes im Foyer der HFT präsentiert.