November / Dezember 2023
Karlsruhe Institut für Technologie
Museo diffuso
zur Entvölkerung alpiner Dörfer

Karlsruhe Institut für Technologie
Master
17.10.2023
Professur Gebäudelehre, Prof. Meinrad Morger
Kulturbauten
Vectorworks, Adobe Indesign & Photoshop
Das schweizerische Dorf Simplon leidet wie viele andere alpine Dörfer unter einem stetigen Rückgang der Bevölkerung. Zwar existieren Formen des Tourismus, immerhin verläuft der Simplonpass am Dorf vorbei, dennoch ist die Zahl der Einwohner*innen kontinuierlich rückläufig.
Das große Potenzial der Region ist die Landschaft selbst. Es ist eine wechselvolle Landschaft im Einflussgebiet verschiedener Klima- und Kulturregionen. Im Laggintal, an der Grenze zwischen Alpenhauptkamm und südlichem Abhang gelegen, finden sich eine ganze Reihe von Pflanzen und Tieren, welche im Wallis nur dort zu finden sind. Bewusst wird daher die Landschaft der Region als konzeptueller Ausgangspunkt gesehen und im Ort erlebbar gemacht. Zentrale Idee ist dabei, dass Kulturräume im Dorf verteilt sind und sich nicht auf ein einziges Gebäude beschränken. Die Kulturräume befassen sich mit Flora, Fauna, Geologie und den stummen Zeugen des menschlichen Einflusses - Mauern, Wege und Gebäude. Das weitverbreitete Museum – museo diffuso – bringt Besucher-, Künstler- und Bewohner*innen miteinander in Kontakt.
Kombiniert werden die Kulturräume mit Infrastrukturen, die für das dörfliche Leben und die Attraktivität des Ortes unabdingbar sind. Die Eingriffe im Gefüge des Dorfes stehen daher sowohl neuen Nutzern als auch der dörflichen Gemeinschaft zur Verfügung. Dorfladen, Wohnungen mit Wohngemeinschaften, Atelierwohnungen im Dorf und Umland, Arbeitsräume und ein Arztraum sind weitere Nutzungen.
Ein zweigeschossiger Kulturraum schält sich in das unter Napoleon errichtete "gross Huis" und wird durch einen Dorfladen sowie Wohnungen und Wohngemeinschaften ergänzt. Die alte Kaplanei widmet sich in ihren Kulturräumen der Geologie und schafft in ihren Untergeschossen Raum für einen Arzt, eine Atelierwohnung, sowie Arbeitsräume. Eine ungenutzte Brache des Dorfes, sozusagen ein terrain vague, wird für die Vermittlung der Flora und Fauna der Region genutzt. Subtil ist daher die Erschließung des Hortus Conclusus im dichten Areal des Stutzji. Ein Holzsteg führt zum Hortus und ragt bewusst mit wenigen Stufen in den alten Saumweg , um zu einer Erkundung einzuladen. An zentraler Stelle wird der Dorfplatz durch einen Pavillon besetzt. Er bildet das Foyer des museo diffuso und gibt dem Platz seine Funktion als zentrales Element im Dorf zurück.
Durch die gezielte Umnutzung leerstehender Gebäude sowie eine intensive Auseinandersetzung mit vernakulären Bauweisen, werden die Maßnahmen sensibel im Ort eingefügt. Mauern in Trockenbauweise, Steinplattendächer und Blockbauweisen bilden die bauliche Tradition des Ortes und werden daher feinfühlig in die heutige Zeit übersetzt. Die Reaktivierung leerstehender Gebäude und die Verwendung lokaler Materialien stehen sinnbildlich für eine ganzheitlich nachhaltige Entwicklung. Der ständige Einbezug verschiedener Maßstabsebenen – Landschaft, Dorf und Haus – bildet einen wesentlichen Baustein zur Stärkung der Gemeinde Simplon.
Text von Simon Riede.