#BookChat: Architekturbiennale

Seit 1980 pilgern alle zwei Jahre Architekturinteressierte aus aller Welt zur Biennale nach Venedig. Am 18. Mai 2023 eröffnet die diesjährige, von der ghanaisch-schottischen Architektin Lesley Lokko kuratierte Architekturbiennale. Zur Einstimmung und Vorbereitung dienen diese drei Bücher.

Die Architekturbiennale lockt alle zwei Jahre ein architekturinteressiertes Publikum in die Lagunenstadt an der Adria. Für die teilnehmenden Nationen ist „La Biennale“ eine der wichtigsten Plattformen, um das eigene Architekturschaffen öffentlich zu präsentieren und eine mediale Aufmerksamkeit dafür zu evozieren. Zur Einstimmung auf die diesjährige Biennale empfehlen wir in dieser Ausgabe unseres #BookChats drei lesenswerte Bücher zur berühmten Ausstellung in Venedig.

Beyond the Biennale

Welche Wirkung hat die Architekturbiennale als Katalysator der Baukulturvermittlung in den einzelnen Ländern? Wie kann Architektur überhaupt ausgestellt und vermittelt werden? Ist eine Einordnung der Beiträge nach Ländern überhaupt noch zeitgemäß? Die Herausgeber*innen Bianca Anna Boeckle, Celina Martinez-Cañavate und Peter A. Staub gehen in ihrem Buch unter anderem diesen Fragen nach. Der Fokus der Publikation liegt dabei auf den deutschsprachigen Ländern Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz. Anhand einer Dokumentation der Beiträge dieser Länder seit 2014 verfolgen die Herausgeber*innen das erklärte Ziel, das Format der Architekturschau kritisch zu hinterfragen und Möglichkeiten für dessen zukunftsorientierte Entwicklung zu diskutieren.

Neben den illustrierten Dokumentationen der Länderbeiträge findet sich in dem Buch unter anderem ein Text von Riklef Rambow, Professor für Architekturkommunikation am KIT und Lydia Schubert, wissenschaftliche Mitarbeiter an der Professur, über Ausstellungen als Medium der Architekturkommunikation. Zudem führten die Herausgeber*innen ein Interview mit Rambow und Andreas Ruby, Direktor des Schweizerischen Architekturmuseums über die Wirkung der Biennale über die Grenzen Venedigs hinaus. In ihrem Schlussessay arbeiten Boeckle, Martinez-Cañavate und Staub detailliert die unterschiedlichen Wirkungsebenen der Biennale heraus und reflektieren dabei ihre Analysen auch selbstkritisch.

Germania, Venezia

Während es die Kunstbiennale bereits seit 1895 gibt, findet die Architekturbiennale erst seit 1980 statt. Die Länderpavillons kamen im Rahmen von Francesco Dal Cos Biennale-Direktorium 1991 als Bestandteil der Schau hinzu. Das seit 1989 mauerlose und seit 1990 wiedervereinigte Deutschland markiert somit von Anfang an den politisch-kulturellen Rahmen der deutschen Beiträge. Stephan Trüby und Verena Hartbaum dokumentieren in diesem Buch systematisch sämtliche deutschen Beiträge zur Biennale von 1991 bis 2016. Welche Themen wurden zu welcher Zeit und vor welchem Hintergrund im Deutschen Pavillon gesetzt? Wie waren die nationalen und internationalen Reaktionen? Welche Rolle spielten die Architektenverbände und der Bund hinsichtlich inhaltlicher und verfahrenstechnischer Entscheidungen? Unter anderem diesen Fragen wird in Form einer sogenannten „Oral History“ nachgegangen. Das bedeutet, dass es sich bei der Publikation um eine Sammlung dokumentierter Gespräche zwischen den Herausgeber*innen und wichtigen Akteur*innen im Hinblick auf die deutschen Beiträge zur Biennale handelt. Das Buch sei somit allen empfohlen, die sich für die Geschichte des Deutschen Pavillons und die Hintergründe bestimmter Entscheidungen interessieren.

Relocating a Structure

Unter dem Titel „Open for Maintenenance“ gestalten acht Kurator*innen der ARCH+ und der Architekturbüros Summacumfemmer und Büro Juliane Greb den Deutschen Pavillon der anstehenden Architekturbiennale 2023. Dafür sollen fast ausschließlich Materialien der Kunstbiennale 2022 wiederverwendet werden. Auch der vergangene deutsche Beitrag zur Biennale 2022 „Relocating a Structure“ der Künstlerin Maria Eichhorn wird in das Konzept einbezogen. Eichhorn hat in diesem Rahmen an ausgwählten Stellen im Innenraum des Pavillons Putz abgeschlagen und den Boden geöffnet. So traten die Nahtstellen zum Vorschein , an denen der ehemalige Bayerische Pavillon von 1909 zum Deutschen Pavillon erweitert wurde. Dies geschah 1938 unter der Herrschaft der Nationalsozialisten. Seitdem wurde die Architektur kaum verändert.

Allein für die detaillierte fotografische Dokumentation der Arbeit Eichhorns lohnt sich ein Blick in das gleichnamige Buch. Bei der Publikation handelt es sich jedoch um weitaus mehr als einen Ausstellungskatalog. Es finden sich darin außerdem eine Reihe historischer Dokumente und Aufnahmen. Zudem beinhaltet der Band unter anderem eine reich bebilderte Chronologie des Deutschen Pavillons, die  Architekt Arno Löbbeke und Assistenzkuratorin Leonie Radine verfassten. Ein weiterer Text stammt vom Chefredakteur der ARCH+ Anh-Linh Ngo, der das Verhältnis der Biennale zum Kolonialismus analysiert und mit Bezug auf aktuelle Debatten über den Umgang mit Denkmälern den Deutschen Pavillon in einen intersektionalen Diskurs einbettet.