Architekt*innen haben einen hochkommunikativen Beruf. Zu ihrem Alltag gehören Besprechungen, Telefonate und E-Mail-Austausch mit Bauherr*innen, Fachplaner*innen und Behörden, Präsentationen, Erläuterungsberichte für Wettbewerbe, Projektbeschreibungen für die eigene Webseite und Bewerbungsverfahren, Teamsitzungen oder Mitarbeiter*innen-Gespräche. Die Liste ließe sich weiter fortsetzen, aber der Punkt ist längst klar: Nur die wenigsten verbringen ihre Zeit im Büro mit stillem Zeichnen, Rendern oder Modellbauen. Schade, dass Kommunikationskompetenz trotzdem eine so geringe Rolle in der Ausbildung spielt und der Umgang mit allen anderen „Handwerkszeugen“ des Entwerfens, Planens und Bauens selbstverständlich vermittelt und trainiert wird, während die Sprache oft vernachlässigt bleibt.
Im Rahmen von Lehraufträgen zunächst an der TU Berlin, seit einigen Jahren an der BTU Cottbus am Fachgebiet Entwerfen und Bauen im Bestand von Prof. Per Pedersen und an der Hochschule „Berlin International“ sind verschiedene Formate entstanden, um Studierende begleitend zu einem Entwurfsstudio für das Thema zu sensibilisieren und den Umgang mit Sprache im Architekturkontext einzuüben. Es ist noch nicht lange her, dass kritische Professor*innen so etwas für eine Art Verkaufstraining für schlechte Entwürfe hielten. Architektur spreche doch vor allem für sich selbst, und gute Arbeiten seien von sich aus überzeugend, da müsse man doch nicht noch extra lernen, darüber zu reden. Diese Auffassung geht zum Glück langsam in Rente, und eine jüngere Generation Lehrender und vor allem die Studierenden sind sich sehr wohl bewusst, welchen Anteil Kommunikation bereits im Entwurfsprozess hat und dass ein hierfür geschärftes Bewusstsein hilfreich ist.
Denn es geht ja längst nicht nur um die Abschlusspräsentation (das tut es auch, und wer - anstatt nach durchmachter Nacht ohne jegliche Vorbereitung - einmal mit minimaler Arbeit an Kernaussagen, Timing und Präsenz erfolgreich war, wird sich das merken). Es geht auch um die Frage, was wir uns überhaupt ohne Sprache vorstellen können. Entstehen Entwürfe, gute inhaltliche Konzepte wirklich nur beim Skizzieren und dem Bauen von Arbeitsmodellen? Oder hat das Entwickeln einer Absicht, einer gestalterischen Intention, das Herstellen einer gewünschten räumlichen Qualität oder Atmosphäre nicht auch schon ganz direkt mit Sprache zu tun? Vieles sagt sich so leicht daher: Wir wollen einen „Campus“ gestalten, in einer Wohnanlage soll „Gemeinschaft“ im Vordergrund stehen, eine Fassade soll „Dynamik“ ausdrücken. Aber was bedeuten diese Begriffe eigentlich (Spoiler: für so gut wie jede*n etwas anderes …)? Welche Qualitäten sind genau gemeint, woran können sie sich architektonisch festmachen? Fertigkeiten in dieser Art des Umgangs mit Sprache zu entwickeln, Begriffe zu hinterfragen und selbst bewusster zu benutzen, erweitert das Vorstellungsvermögen, erhöht die Präzision im Austausch mit der Gruppe im Studio, mit den Lehrenden schon ab der ersten Tischkritik und später mit den Auftraggeber*innen.
So kann es sinnvoll sein, durch Schreibübungen und vor allem das Lesen von digitalen und analogen Architekturmedien den eigenen fachspezifischen Wortschatz kontinuierlich herauszubilden. Hilfreich sind ebenfalls Grundlagen der Kommunikationstheorie, denn auch das Sprechen über Architektur ist keine Einbahnstraße, bei dem es nur auf das Absenden wohlgeformter Botschaften ankommt (und wer diese nicht versteht, hat halt leider Pech). Sprachliche Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit sind gefragt. Wer das Modell von „Sender und Empfänger“ kennt und weiß, dass nach Friedemann Schulz von Thun jede Nachricht mindestens vier Seiten hat, redet im besten Fall nicht einfach drauflos, sondern überlegt sich vorher, was er*sie bei welcher Art von Zuhörer*innenschaft erreichen will und kann. Wer unter Anleitung einen Architekturvortrag analysiert und gegen die Gewohnheit mal nicht nur auf tolle Projekte achtet, sondern beobachtet, wie Profis ihre Auftritte einleiten und beenden, wie sie sich ihrem Publikum zuwenden, mit Körperhaltung, Mimik und Gestik das Gesagte unterstreichen, kann für sich selbst wertvolle Anregungen mitnehmen. Und wer erfährt, dass schon vor über 2000 Jahren große Philosophen wichtige Erkenntnisse über die Produktionsstadien einer Rede oder Bühnenpräsenz niedergeschrieben haben, kann beruhigt sein, nicht in einer neumodischen Marketing-Veranstaltung gelandet zu sein.
Diese Art von Architektur-Kommunikations-Lehre zielt nicht auf Studierende ab, die ohnehin an alternativen Berufsbildern interessiert sind. Es kann ein beglückender Nebeneffekt sein, das eine oder andere Talent auf diese Weise zu einem Praktikum in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Büros oder im Architekturjournalismus zu ermutigen, wenn der klassische Berufsweg bei aller Liebe zum Gebauten nicht der richtige zu sein scheint. Aber grundsätzlich geht es vor allem darum, zukünftige Architekt*innen empathischer für ihre Zuhörer*innenschaft und sicherer im Umgang mit einem ihrer wichtigsten Werkzeuge zu machen, der Sprache. Im besten Falle hilft sie ihnen dabei, ihre Konzepte erfolgreicher zu entwickeln und zu vermitteln.