Mit dem Material auf Tuchfühlung gehen – Bachelor und Masterstudierende der TU Berlin haben im Sommersemester 2022 am Lehrstuhl „adreizehn“ von Prof. Mechthild Stuhlmacher detailliert durchgearbeitete Kleinarchitekturen für jeweils drei Friedhöfe in Berlin entwickelt. Der Titel des Studios „Form follows Material“ verdeutlicht die besondere Herangehensweise an die Gestaltungsaufgabe: Nicht das Raumprogramm oder im Vorhinein gesetzte Funktionen sollten Startpunkt der Entwurfsgedanken sein, sondern die Materialien. Die ganz spezifischen Eigenschaften der einzelnen Baustoffe, seien es Ziegelsteine, Holz oder Stahl, mussten die Studierenden herausarbeiten. Haptik, Atmosphären, aber auch der symbolische Gehalt – gerade im Kontext eines Friedhofes ein spannender Aspekt – spielte hierbei eine zentrale Rolle. Im Sinne eines umfassenden Verständnisses des Materials betrachtete der Kurs auch die Herkunft und den Entstehungsprozess: Eine Exkursion führte in eine nahegelegene Ziegelei.
Im Geiste von Sigurd Lewerentz
Großes Vorbild für die Herangehensweise des Entwurfskurses war der schwedische Architekt Sigurd Lewerentz (1887–1975), der im Laufe seiner langen Karriere unterschiedlichste Bauten mit einem außerordentlichen Gespür für die Materialität und den Ort sowie mit virtuoser Detaillierung schuf. Die Studierendengruppe machte sich auf den Weg nach Schweden, um in Stockholm, Malmö und Klippan die Zeugnisse des Meisters aus erster Hand zu erfahren. Eine Reise, die bei den Studierenden tiefe Eindrücke hinterließ.
Neues Programm für vier Berliner Friedhöfe
Bei den Bauplätzen handelte es sich um die drei aktiven Friedhöfe Georgen Parochial Friedhof IV im Stadtteil Friedrichshain, den Friedhof am Fließtal in Berlin-Tegel, den Friedhof Ruhleben sowie den inaktiven St. Jacobi Kirchhof in Berlin-Neukölln. Für die Bearbeitung der Entwürfe war die Thematik der Bestattung und des zeremoniellen Rahmen eines Friedhofes nicht zentral festgelegt. Es blieb den Studierenden selbst überlassen, wie sie mit diesem Kontext umgehen. Während einige Entwürfe neue Formen der Beisetzung zum Thema machten, fokussierten sich andere eher auf die ruhevolle und gegenweltliche Atmosphäre, die von diesen Orten ausgeht. Teilweise setzten sich Gruppen auch mit dem Bestand auseinander, zum Beispiel mit vorhandenen Friedhofskapellen und erweiterten diesen. Die Ergebnisse rangieren von einer Imkerei über ein Kolumbarium bis hin zur Bibliothek. Der Fokus auf der Materialität ermöglichte den schnellen Einstieg in den Detailmaßstab. Folglich fielen die großen, im Maßstab 1:33 erstellten Modelle der Studierenden zum Ende des Kurses ebenfalls überaus detailreich aus und repräsentierten die angedachte Materialität.