Platz 2
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Juli / August 2019

RWTH Aachen

Unsere lieben Toten

Der Energiefriedhof als neue Sepulkraltypologie

von Leon Seibert

Hochschule:

RWTH Aachen

Abschluss:

Master

Präsentation:

27.02.2019

Lehrstuhl:

Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens / Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt; Lehrstuhl und Institut für Kunstgeschichte / Univ.-Prof. Dr. Alexander Markschies

Rubrik:

Sakralbauten

Software:

Rhinoceros, AutoCAD, Vray, Photoshop, Illustrator, InDesign

Sepulkralkultur ist eine der ältesten kulturellen Erscheinung der Menschheitsgeschichte. Die Gewissheit und Unvermeidbarkeit des eigenen Todes und dem geliebter Mitmenschen drückt sich in ihrer Verarbeitung schon immer durch aufwendige Bestattungen aus. Mausoleen vergangener Zivilisationen prägen noch heute Landschaften und Städte, Grabbeigaben lassen Rückschlüsse auf ansonsten völlig unbekannte Kulturen schließen.

Dennoch befindet sich die westliche Bestattungskultur in einer Sinneskrise. Wachsende Kosten und kurze Liegefristen resultieren vielerorts in einem Abrücken von der klassischen Bestattung. Die Kremation floriert - eine Urne verbraucht weniger Platz und ist ergo günstiger, ein Verstreuen der Asche macht den Friedhof als Typologie sogar gänzlich obsolet.

Dieses Phänomen wurde im Zuge dieser Arbeit exemplarisch an einer der Hauptstädte der Todeskultur untersucht: Paris. Eine Stadt,deren Friedhöfe Touristen-Attraktionen sind, und die tief unter ihren Straßen die unzähligen Knochen Verstorbener in den Katakomben aufbewahrt. Doch trotz der enormen Rolle der Sepulkralkultur für die Pariser Stadtentwicklung ist auch hier ein Wandel zu beobachten. Eine Zunahme der Kremation führt unweigerlich zu einem Aussterben kleinerer Friedhofsanlagen und einer historischen Preservation der bedeutenderen Beispiele. Die Toten werden schließlich gänzlich aus dem Alltag verschwinden.

Dieses Projekt plädiert stattdessen für eine neue Friedhofstypologie, die den Ansprüchen der heutigen Zeit gerecht werden kann. Ein Ort, der im Zentrum des alltäglichen Lebens liegt und Trauer und Gedenken nicht tabuisiert, sondern ihm den angemessenen Raum bietet.

Dazu galt es insbesondere einen Widerspruch zu lösen, unter dem Friedhöfe seit jeher leiden: Vermeintlich als Ort der Ewigkeit konstatiert, werden sie zwangsläufig irgendwann gefüllt sein. Ein Verzicht auf eine Grablege führt aber zugleich zu einem fehlenden Ortsbezug - die Trauer könnte überall stattfinden.

Stattdessen ist dieser Entwurf ein alternativer Vorschlag:
Bei der Kremation bleibt nur ein Bruchteil des Körpers in Form der Asche über, der Rest wird in Wärme und somit in Energie umgewandelt. Statt diese Energie zum Heizen zu benutzen, wie es bereits in vielen Krematorien üblich ist, wird sie im Energiefriedhof stattdessen gespeichert und in verschiedenen Formen ausgedrückt und spürbar gemacht: Licht, Wärme, Strom.

Hierbei bietet das Projekt mehrere Kleintypologien, die den verschiedenen Bedürfnissen und Formen von Trauer und Gedenken gerecht werden. Skulpturale Energieleiter verknüpfen die verschiedenen Räume über die Gesamtanlage. Zugleich schafft das Projekt einen Raum, der mitten im Alltag liegt und mit der umliegenden Stadt in einen Dialog tritt, gleichzeitig aber als ein Ort des Rückzugs fungiert. Das Gesamtprojekt stellt hierbei zweifelslos keine Allgemeinlösung für ein hochkomplexes kulturelles Phänomen dar, versteht sich aber als ein exemplarischer Vorschlag für einen Umgang mit diese