Kunst und Bauökonomie: Florine Schüschke über Alternativen zur finanzialisierten Stadt

Florine Schüschke ist Architektin, Künstlerin im Kollektiv ufoufo und seit 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Bauwirtschaft und Projektentwicklung. In ihren Arbeiten beschäftigt sie die Frage nach einer nicht-profitorientierten Stadt. Wir haben mit ihr über sozio-ökonomische Aspekte in Planung und Lehre sowie ihren interdisziplinären Einfluss darauf gesprochen.

Was können wir uns unter den Kerninhalten und deinen bisherigen Aufgaben am Fachgebiet Bauwirtschaft und Projektentwicklung vorstellen?

Das Fachgebiet wurde 2022 von Prof. Gabu Heindl übernommen und unter dem Namen „ARCHITEKTUR STADT ÖKONOMIE“ auf gemeinwohlorientierte Projektentwicklung und Umbauwirtschaft neu ausgerichtet – was hoffentlich bald auch der Standard für die „Bauwirtschaft“ wird. Es geht um sozio-ökonomische Aspekte der Planung, also die Beziehungen zwischen Bauwirtschaft, Wohnungskrise, Eigentum und um bezahlbare als auch klimagerechte Lösungen. Ein großer Teil unserer Lehre besteht darin, kritisches Denken zu vermitteln. Ich war die letzten zwei Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin und habe neben der Vorbereitung meines PhDs die Lehre mitbetreut, vor allem Entwurfsstudios und Theorieseminare.

Du selbst bist Künstlerin und Architektin und beschäftigst dich viel mit dem öffentlichen Raum. Wie kamst du mit diesem Hintergrund an das Fachgebiet „Bauwirtschaft“?

Für mich hat Architektur immer mit dem öffentlichen Raum, den wir jeden Tag nutzen, zu tun. Unsere Städte sind zunehmend von den Finanzentscheidungen der Investoren geprägt und nicht mehr durch die realen Bedürfnisse der Bewohner*innen. Der bröckelnde gesellschaftliche Zusammenhalt hängt für mich stark mit der Finanzialisierung des Raums zusammen und der Verdrängung, die dadurch ausgelöst wird. In meinen künstlerischen Projekten, die ich auch gemeinsam mit unserem Kollektiv urban fragment observatory (ufoufo) mache, geht es häufig um Beispiele, die Alternativen zur finanzialisierten Stadt zeigen. Diese Themen finden sich auch in der gemeinwohlorientierten Ausrichtung des Fachgebiets wieder.

Die Berliner Liegenschaftspolitik und damit auch Fragen der Wohnungskrise und der Eigentumsverhältnisse begleiten mich schon mehrere Jahre. 2018 habe ich knapp 8000 ehemals öffentliche Liegenschaften kartiert, die seit 1989 vom Berliner Senat verkauft wurden – das waren über die Hälfte der öffentlichen bebaubaren Grundstücke, die privatisiert wurden und nun für den heutigen Bedarf an Wohnen und Soziales fehlen. Darauf aufbauend schreibe ich meinen PhD über die Privatisierungsfolgen in Berlin.

Was bedeutet ökonomisches Planen und Handeln für dich, und wie fließen deine interdisziplinären Schwerpunkte in deine Lehre und Forschung ein?

Umdenken und Umbauen vor Neubauen. Oder gar nicht bauen, sondern in Menschen und Nutzungen investieren. Die letzten Semester über haben wir am Fachgebiet einen Schwerpunkt auf Leerstände gelegt. Trotz Wohnungsmangels steht in Kassel wahnsinnig viel leer. Diesen Bestand müssen wir nutzen, umwidmen und zu Wohnraum umbauen. In Kassel haben wir die Leerstände einerseits kartiert, um die Situation aufzuzeigen, aber auch in Umbaustudios mit Studierenden entworfen, was aus den leeren Gebäuden werden könnte. Umbauten sind in den allermeisten Fällen günstiger als Neubauten.

Es wird immer noch zu viel abgerissen! Mit unserem Kollektiv ufoufo haben wir letzten Herbst eine Initiative gegründet, um das landeseigene Gebäude An der Urania 4-10 in Berlin vorm Abriss zu bewahren. Inzwischen hat der Senat das Gebäude entgegen sämtlicher Empfehlungen aus der Fachwelt abreißen lassen. Dort wird nun ein Neubau mit wahrscheinlich deutlich geringeren räumlichen Qualitäten entstehen, als der Bestandsbau aufweisen konnte.

Hast du Wünsche für die zukünftige Architekturausbildung?

Ich wünsche mir, dass Studierende während des Studiums die Chance bekommen, sich ihrer eigenen Wirksamkeit bewusst zu werden und zu merken, dass sie nach einem Architektur- oder Planungsstudium nicht zwangsläufig der profitorientierten Bauwirtschaft zur Verfügung stehen müssen.