Universell und einzigartig: Débora Mesa Molina über Industrialisierung und interdisziplinäre Synergien

Débora Mesa Molina, Mitbegründerin von Ensamble Studio, lehrt ab Herbst 2025 als Professorin für Architektur, Kunst und Technologie an der ETH Zürich. In ihrer Arbeit ergründet sie über verschiedene Wege die Vorfertigung im Bauwesen. Wir sprachen mit ihr darüber, wie und in welchen Rollen, sie Architekturstudierende zukünftig ausbilden möchte.

Sie waren bereits in Harvard, am MIT und an der Georgia-Tech in der Lehre tätig. Was sind ihre bisherigen Schwerpunkte und Methoden?

Meine Lehre befasst sich mit dringenden Herausforderungen, die ich in meiner beruflichen Tätigkeit erlebe und die ich für künftige Generationen als entscheidend erachte. Ich versuche, Interaktionen zwischen Wissenschaft und Praxis zu provozieren, um den Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich in dringende, reale Probleme zu vertiefen. Zu meinen zentralen Themen zählen die Verbindung von Architektur und Landschaft sowie die Industrialisierung des Bauens. Unabhängig vom Kurs gestalte ich den Unterricht als Entdeckungsraum, in dem die Studierenden ihren eigenen Weg finden – über Forschung, praktisches Experimentieren und die Verknüpfung von Entwurf und Konstruktion. Meine Methode lehrt mit Kopf und Händen zugleich zu arbeiten und die Architektur durch den Dialog mit anderen Disziplinen zu erweitern. Dabei geht es stets darum, aus der Geschichte und dem Status quo zu lernen, um über Konventionen hinauszudenken – sei es, um Typologien neu zu definieren, neue Anwendungen für bekannte Materialien zu entwickeln oder traditionelle und zeitgenössische Bautechniken miteinander zu verbinden.

Sie werden ab diesem Jahr ihre Professur für Architektur, Kunst und Technologie an der ETH beginnen. Was sind Ihre Erwartungen – was wollen Sie vermitteln?

An der ETH werde ich weiterhin Brücken zwischen architektonischer Praxis, Forschung und Lehre schlagen. Dabei werde ich die Erforschung von Synergien zwischen Industrie und Natur in der Architektur vertiefen. Die gebaute Umwelt muss über die Gewinnung und den Verbrauch hinausgehen und Planungs- und Bauprozesse einbeziehen, die im Einklang mit der natürlichen Intelligenz stehen. Im Laufe der Jahre habe ich erkannt, dass das Fachwissen eine*r Architekt*in über Bauprozesse, Materialien und Technologien nicht nur eine praktische Notwendigkeit ist, sondern auch ein starker Katalysator für Innovation, kreativen Ausdruck und professionelles Handeln. Unsere ganzheitliche Sichtweise kann dazu beitragen, unproduktive konventionelle Logik sowie die Veralterung und Starrheit der Branchen und Märkte, in denen sich die Architektur bewegt, zu überwinden.

Meine Professur soll daher eine Kultur des praktischen Lernens und Experimentierens fördern, in der Herstellung zum Werkzeug der Entdeckung wird. Dieser Ansatz ist umso wichtiger in einer zunehmend digitalisierten Welt, die uns von der Körperlichkeit der Architektur abkoppelt. So sollen die Studierenden testen und Verständnis von Architektur entwickeln, das über digitale Darstellungen hinausgeht und sich auf materielle, räumliche und ökologische Realitäten bezieht.

Als Gründerin von WoHo entwickeln Sie Lösungen für bezahlbaren Wohnraum. Welche Rolle spielen vorgefertigte Komponenten in Ihrer Lehre, und wie können diese eine nachhaltige und kostengünstige Architektur fördern?

Bei der Vorfertigung geht es nicht nur um Effizienz, sondern auch darum, die Beziehung der Architektur zur Industrie und zur Umwelt zu überdenken. In meiner Lehre verwende ich Vorfertigung – oder allgemeiner gesagt, Industrialisierung – als Rahmen, um zu untersuchen, wie Modularität, Massenanpassung und neue Materialien zu hochwertigen, zirkulären Lösungen führen können. Die Vorzüge der Vorfertigung sind hinlänglich bekannt – Bauvariablen zu kontrollieren, Abfall zu reduzieren und die Sicherheit zu erhöhen. Doch ich will über das Bekannte hinausgehen und weitgehend ungelöste Fragen stellen: Wie steigern wir Erschwinglichkeit ohne Qualitätsverlust? Wie vereinen wir Universalität und Einzigartigkeit? Ich fordere die Studierenden auf, sich diesen Fragen zu widmen und Vorfertigung nicht als Einschränkung oder Rezept für alles zu sehen, sondern als Werkzeug, um das Entwerfen und Bauen von Räumen integrativer zu gestalten.

Sie sind ein Teil von Ensamble Studio. Wie beeinflusst die Praxis dort Ihren Ansatz in der Lehre?

Meine Erfahrung bei Ensamble Studio ist eine grundlegende Referenz für meine akademische Arbeit. Das Beste, was ich den Studierenden anbieten kann, ist das, was ich durch meine eigene Forschung und Praxis gelernt habe – die Perspektive, die ich über viele Jahre und Kontexte gewonnen habe. Ich lehre gerne, was ich tue. Als Studentin an der Universidad Politécnica de Madrid hatte ich das Glück, von Professor*innen mit ausgeprägter Praxis zu lernen, die mir halfen zu verstehen, wie abstrakte Ideen geerdet werden können. Ensamble Studio ist eine experimentelle Praxis, in der wir – nicht ohne viel Mühe – Raum für Forschung und kreative Freiheit geschaffen haben, und diese Freiheit erlaubt es uns, die Linien zwischen Architektur, Kunst und Wissenschaft zu verwischen. Unser proaktiver Ansatz prägt meinen Unterricht direkt: Wir ermutigen die Studierenden, sich aktiv einzubringen, produktiv mit Ungewissheit umzugehen und architektonische Möglichkeiten zu erweitern.

Welche Rolle spielt dabei die Kunst?

Einer der Hauptgründe, warum ich mich für ein Studium der Architektur entschieden habe, ist, dass ich unschlüssig war, ob ich eine wissenschaftliche oder künstlerische Laufbahn einschlagen sollte, und ich sehr früh eine Entscheidung treffen musste. Die Architektur schien beides zu vereinen, und glücklicherweise hat sich das für mich bewahrheitet. Die Kunst ist für die Architektur von zentraler Bedeutung. Architektur ist so komplex und normativ, dass man die Kunst leicht aus den Augen verlieren kann. Aber Architektur ohne Kunst hat keine Seele, keine kulturelle Relevanz und keine inhärente Schönheit. Für meine Lehre ist nicht nur die Kunst von Bedeutung, sondern auch die Künstler*innen selbst – ihre kreative Freiheit, ihre Sensibilität, ihre Kühnheit bieten Architekt*innen eine neue Perspektive und bilden ein notwendiges Gegengewicht zum technischen Wissen. Ihr Ansatz erinnert uns daran, dass Architektur nicht nur Probleme löst, sondern auch Gedanken anregt, Emotionen weckt und Staunen hervorruft.

Sie verbinden industrielle Fertigung mit Handwerk. Wie vermitteln Sie an der ETH diese Synergien und welches Potenzial sehen Sie dabei für die Architektur?

Die Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Industrie zu erforschen, ist heute unerlässlich. Die Architektur der Zukunft muss sich diese Dualität zu eigen machen und Gebäude schaffen, die nicht nur effizient und skalierbar sind, sondern auch reich an materieller Intelligenz, kultureller Bedeutung und Sinneserfahrungen.  Meine eigene professionelle Arbeit kann als Referenz dienen, diese Synergien zu vermitteln und zu entdecken. Die reiche Forschungskultur und die Ressourcen der ETH werden diese Entdeckungen sicher erleichtern.

Was sind Ihre Wünsche für das Architekturstudium?

Ich wünsche mir, dass die Architekturausbildung Neugierde, Experimentierfreude und kritisches Denken fördert. Neben der Beherrschung von Werkzeugen und Techniken müssen die Studierenden lernen, Konventionen zu hinterfragen, interdisziplinär zusammenzuarbeiten und ihr eigenes Design-Ethos zu entwickeln. Die Zukunft der Architektur hängt von unserer Fähigkeit ab, zu überdenken, wie und warum wir bauen, um die Disziplin nachhaltiger und integrativer zu machen und auf die Herausforderungen unserer Zeit zu reagieren. Ich möchte, dass die Studierenden Architektur als eine kontinuierliche Erkundung betrachten – eine, die Technologie und Kunst in sinnvolle Erfahrungen integriert. In einer sich schnell verändernden Welt ist es schwer vorherzusehen, wie sich unser Beruf entwickeln wird, aber wir können nicht einfach nur dasitzen und warten. Architektur ist eine außergewöhnliche und notwendige Disziplin, und Architekt*innen müssen aktiv werden, um weiterhin eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der gebauten Umwelt zu spielen. Als Ausbilderin fühle ich mich verantwortlich, Generationen von Architekt*innen auszubilden, die hybride Rollen verkörpern – Architekt*innen als Bauende, Wissenschaftler*innen oder Entrepreneur*innen. Sie sollen dabei in der Lage sein, sowohl aktuelle als auch zukünftige Herausforderungen zu meistern. Genauso wichtig ist es, eine Mentalität der Neugierde, der Widerstandsfähigkeit und des Mutes zu fördern, die Studierende dazu befähigt, angemessene Risiken einzugehen, aus Fehlern zu lernen und mitzugestalten, was Architektur sein kann.

Das Interview in englischer Sprache wurde automatisch übersetzt und von BauNetz CAMPUS redaktionell geprüft und bearbeitet.