Stadtraum mit Statements: Katharina Cibulka über feministische Kunst im öffentlichen Raum
Katharina Cibulka, Künstlerin, Filmemacherin und Lehrende, vereint gesellschaftspolitische Fragen und kollektive Kreativität – etwa mit Projekten wie SOLANGE, wo sie feministische Botschaften auf Baugerüsten inszeniert. Wir sprachen mit ihr darüber, wie sie die Studierenden für Machtstrukturen im Stadtraum sensibilisiert und sie ermutigt, eigene Perspektiven sichtbar zu machen.

Du unterrichtest seit 2021 am Institut für Raum und Designstrategien. Welche Schwerpunkte setzt du in deiner Lehre, und welche Rolle spielt deine interdisziplinäre künstlerische Praxis dabei?
KC: Ich unterrichte in enger Zusammenarbeit mit der Architektin Sabine Pollak. Während Sabine ihre architektonische Expertise einbringt, konzentriere ich mich auf künstlerische und gesellschaftspolitische Aspekte, insbesondere im öffentlichen Raum.
In meiner Lehre ist es mir wichtig, die Studierenden zu sensibilisieren und sie dazu zu ermutigen, neue Fragen zu stellen. In unserem Seminar „Stadt Raum Geschlecht“ liegt der Fokus auf Gleichberechtigung und dem öffentlichen Raum. Jedes Semester zeigt, wie groß der Gesprächsbedarf in diesem Bereich ist – wir begegnen Unwissenheit, Unsicherheit, Scham und Sprachlosigkeit.
Ich setze Übungen ein, um den Studierenden zu veranschaulichen, wie unterschiedlich wir Menschen den öffentlichen Raum erleben, abhängig von Geschlecht und kulturellem Hintergrund. Über mehrere Monate hinweg arbeiten wir intensiv an ihren Ideen, diskutieren in der Gruppe und geben gegenseitiges Feedback. Mein Ziel ist es, die Studierenden dabei zu unterstützen, ihre Ideen in greifbare Werke zu verwandeln.
In unserem Seminar sind alle willkommen, egal aus welchen Instituten. Ich sehe mich selbst als eine Art „Projekthebamme“, die den kreativen Prozess begleitet und unterstützt. Übrigens vertritt in diesem Jahr Sabine Pollak gemeinsam mit Michael Obrist und Lorenzo Romito unter dem Titel „Agency for better living“ Österreich bei der Biennale in Venedig, was mich sehr für sie freut.

Deine Arbeiten bewegen sich zwischen Kunst, Film, Fotografie und performativen Interventionen im öffentlichen Raum. Welche inhaltlichen und ästhetischen Fragestellungen sind für dich zentral, und wie entscheidest du, welche Form ein Projekt annimmt?
KC: In meinen Arbeiten stehen gesellschaftspolitische Themen wie Feminismus, soziale Gerechtigkeit und Gemeinschaftlichkeit im Vordergrund. Bei der Auswahl der Form eines Projekts orientiere ich mich an der jeweiligen Idee und wähle die Technik, die am besten geeignet ist. Manchmal ist es eine sorgfältig inszenierte Fotografie, in anderen Fällen ist ein Video oder eine Skulptur passender. Ich investiere viel Zeit in die Materialauswahl und achte darauf, dass sowohl das Konzept als auch die Ästhetik harmonieren. Ich strebe danach, ein diverses Publikum im öffentlichen Raum zu erreichen und auf mehreren Ebenen zu berühren.

Mit Projekten wie den Stickereien im SOLANGE-Projekt setzt du dich auf poetische und zugleich radikale Weise mit gesellschaftlichen Missständen auseinander. Welche Bedeutung hat Sichtbarkeit für feministische und soziale Anliegen, und wie werden diese in deiner Lehre behandelt?
KC: Sichtbarkeit ist für feministische und soziale Anliegen von entscheidender Bedeutung. Wer oder was nicht gesehen wird, existiert nicht im kollektiven Bewusstsein. In einer Welt, in der das Unsichtbare gerne ignoriert wird, ist es unerlässlich, dass die Beiträge von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen in den Vordergrund gerückt werden. Deshalb habe ich mich entschieden, die SOLANGE-Sätze großflächig im öffentlichen Raum auf Baustellen zu platzieren – einem Ort, der traditionell von Männern dominiert wird. Durch diese Sichtbarkeit fordern wir die Aufmerksamkeit der Menschen ein. Unser Ziel ist es, Diskussionen anzuregen, den Austausch über unterschiedliche Lebensrealitäten zu fördern und letztlich Veränderungen herbeizuführen.
Das Sticken, eine traditionell weiblich konnotierte Tätigkeit, wird in meiner Arbeit ins Gigantische skaliert. Die Verwendung von grellem Pink und die dreidimensionale Körperlichkeit der Stickerei machen die Botschaft unübersehbar. Diese Handarbeit steht symbolisch für den mühsamen Prozess, unsere Rechte zu erarbeiten und zu verteidigen.
In meiner Lehre geht es genau darum: Wie werde ich gehört? Wie werde ich gesehen? Wie kann ich aktiv mitgestalten? Ich lege großen Wert darauf, die Studierenden zu ermutigen, sich kritisch mit gesellschaftlichen Missständen auseinanderzusetzen und ihre eigenen Perspektiven einzubringen.

Du bist in künstlerischen Kollektiven aktiv, etwa als Mitbegründerin der Künstlerinnengruppe peek a corner oder der Frauenband telenovela. Welche Impulse gibt dir die kollektive Arbeit, und welche Rolle spielt sie in deiner Vermittlung an der Universität?
KC: Die kollektive Arbeit spielt eine zentrale Rolle in meinem künstlerischen Denken. Bereits in meiner frühen kreativen Laufbahn als E-Bassistin in einer Frauenband erlebte ich, wie besonders und bedeutend es war, in einem von Männern dominierten Umfeld sichtbar zu sein. Später schlossen wir uns als Frauen zu einem Kollektiv zusammen, um unseren Frust über soziale Ungerechtigkeiten in Performances Ausdruck zu verleihen.
Heute arbeite ich erneut mit vier Frauen an unserem Projekt SOLANGE. Wir inspirieren uns und setzen viel Energie dafür ein, dass unser „Baby“ gedeiht. In einer Zeit, in der Individualismus zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist kollektive Arbeit für mich noch wichtiger geworden. Inzwischen haben wir 32 SOLANGE Netze in neun Ländern in sechs Sprachen realisiert und gemeinsam schon große Herausforderungen gemeistert.
Eine besonders faszinierende neue Erfahrung für mich ist der Umgang mit Raum und Gemeinschaft im Theater. Vor zwei Jahren bekam ich die Möglichkeit, ein Bühnenbild für das Tiroler Landestheater zu gestalten. Inzwischen sind es schon zwei – wo ich mich sowohl als Künstlerin als auch als Aktivistin ästhetisch und gesellschaftspolitisch einbringen kann. Das Theater ermöglicht es mir, Teil einer großen, kreativen Gemeinschaft zu sein und ein neues Publikum zu erreichen.
An der Universität lege ich großen Wert darauf, Offenheit und Flexibilität zu fördern. Ich ermutige die Studierenden, starre Rollenbilder und konventionelle Vorstellungen zu hinterfragen und den Mut zu entwickeln, neue Wege zu beschreiten.
