Gleiche Möglichkeiten für alle: Barbara Eitner über Chancengleichheit in der Architektur
Barbara Eitner ist Innenarchitektin und Lehrbeauftragte an der Peter Behrens School of Arts (PBSA) der Hochschule Düsseldorf (HSD). Darüber hinaus engagiert sie sich sowohl in den Gremien der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (AKNW) als auch auf Bundesebene für Chancengleichheit in der Architektur und verwandten Disziplinen. Wir sprachen mit ihr über die aus ihrer Sicht notwendigen Veränderungen, damit unsere Branche ein inklusiverer Ort wird.
Wie würden Sie aktuell die Chancengleichheit in der Architektur und verwandten Disziplinen beschreiben? Beobachten Sie Unterschiede je nach Fachrichtung?
In der Arbeit auf Bundesarchitektenkammerebene haben wir das Thema „Baustelle Chancengleichheit“ getauft und es ist in vielerlei Hinsicht eine Baustelle, auf der die verschiedenen Akteur*innen an Strategien und Verbesserungen arbeiten. Wir sind auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel. In Teilen befinden wir uns noch in der Phase Null, in anderen Bereichen haben wir die LPH 8 schon erfolgreich abgeschlossen. Chancengleichheit ist ein großer Themenkomplex mit vielen Unterthemen im Hinblick auf Herkunft, Geschlecht, Alter, sozialen Status oder anderen persönlichen Merkmalen. In unserem Architektur-Kontext bezieht sich das zusätzlich auf die Lehre und den Beruf, beispielsweise auf den beruflichen Status (angestellt, freiberuflich oder selbstständig) oder die Bürogröße.
Für einen differenzierten Blick auf die Fachrichtungen fehlen uns bisher die entsprechenden Zahlen. Was wir wissen ist lediglich, wie sich bei den Studierenden und Berufstätigen das Verhältnis von Frauen und Männern in den Fachrichtungen darstellt. Während in meiner Fachrichtung, der Innenarchitektur, schon immer die Anzahl der Frauen höher war, ist heute auch in der Architektur eine steigende Tendenz bei der Anzahl der Frauen abzulesen. Auch in der Stadtplanung und der Landschaftsarchitektur steigt der Frauenanteil. Bei den Studierenden liegt der Frauenanteil bereits bei 60 Prozent.
Sie engagieren sich unter anderem für mehr Chancengleichheit sowohl in den Gremien der AKNW als auch auf Bundesebene. Welche Möglichkeiten des berufspolitischen Engagements gibt es in diesem Bereich? Wie können Interessierte einsteigen?
Auf AKNW- wie auf BAK Ebene gibt es entsprechende Arbeitskreise. In der AKNW setzt sich der Arbeitskreis aus Vertreter*innen der Berufsverbände zusammen, die Projektgruppe der BAK wird von Entsandten der Bundesländer gebildet, die sich beteiligen möchten. Wer sich engagieren möchte, könnte dies in einem der Berufsverbände tun, denn dieses Thema betrifft ja unseren gesamten Berufsstand und sollte demnach in allen Verbänden präsent sein. Die AKNW hat kürzlich die Charta der Vielfalt unterzeichnet, die für Vielfalt und Toleranz in der Arbeitswelt steht.
Spielt das Thema eine Rolle in Ihrer Lehre an der PBSA Düsseldorf? Sprechen Sie über Diversität und Chancengleichheit mit Ihren Studierenden? Welche Themen beschäftigen die Studierenden aus Ihrer Sicht aktuell besonders?
Ich versuche meine Studierenden für das Thema zu sensibilisieren und es sichtbar zu machen, indem wir darüber sprechen. Aktuell bearbeitet mein Kurs „Ausstellungsarchitektur“ das Thema „a kind city“ im Rahmen meines „exhibition to go“ Virtual-Reality-Formates. In diesem Format konzipieren die Studierenden Ausstellungskonzepte in VR und AR. Das Oberthema bietet hervorragend Raum für das Thema Chancengleichheit und ich bin gespannt, welche Themen von den Studierenden verfolgt werden. Ich nehme wahr, dass nach wie vor Nachhaltigkeit, Bauwende und Klimaschutz sehr wichtige Themen sind, aber auch Gemeinschaft und Teilhabe, Migration und Zusammenleben eine große Rolle spielen.
Sie sind Mitgründerin des Büros null2elf. Welche Rolle spielt das Thema Chancengleichheit in Ihrer Büropraxis? Welche Maßnahmen ergreifen Sie konkret, um ein möglichst faires Umfeld für Ihre Mitarbeiter*innen zu schaffen?
Da wir ein recht kleines Büro sind, fällt es uns leicht, flexibel zu bleiben und individuelle Absprachen und Regelungen je nach Lebenslage, Talent und Neigung für und mit unseren Mitarbeitenden zu treffen, ohne dass uns dabei schwindelig wird. Bei einem großen Büro wäre dies in der Form gar nicht möglich. Wir setzten auf Kommunikation und Transparenz, das ist der einzige Weg. Man muss um die Bedarfe und Bedürfnisse wissen, um darauf eingehen zu können – und zwar gegenseitig. Es ist ein Miteinander. Und wenn eine Lösung nicht funktioniert, versuchen wir eine andere. Wir sind maximal digital aufgestellt, auch das hilft uns.
Wie können Probleme wie der Gender-Pay-Gap oder strukturelle Diskriminierung im großen Maßstab angegangen werden? An welchen Stellschrauben muss gedreht werden, damit die Planungsbranche ein inklusiverer Ort wird?
Gender-Pay-Gap und strukturelle Diskriminierung müssen beide weiterhin als Problem erkannt, benannt, mithilfe von Equal-Pay-Days, Diversity Tagen und anderen Formaten sichtbar gemacht werden und sichtbar bleiben. Damit Veränderung eintreten kann, müssen wir gewachsene Strukturen und Rollenbilder, die noch immer zu wenig hinterfragt werden, Stück für Stück aufbrechen. Weiterhin müssen wir uns für einen gesellschaftlichen Wandel bereit machen, der Diversität als Gewinn versteht. Gehältertransparenz kann sicherstellen, dass gleiche Arbeit auch gleich bezahlt wird.
Aber es müssen auch Werkzeuge für kleinere Bürostrukturen geschaffen werden, in denen aufgrund einer projektbezogenen unsteten Auftragslage es an konkreten dauerhaften Stellenbeschreibungen und somit an Vergleichbarkeit mangelt. Unbezahlte Care-Arbeit müsste gleichmäßiger verteilt, Frauen bestärkt und ermutigt werden. Letztlich muss auch das generelle Berufsbild hinterfragt, die Bewertung von Arbeit neu gedacht, Ideen wie „der Comparable Worth Index“ weitergedacht werden.