Focus@Campus

Sensible Gestaltung

Zum feinfühligen Umgang mit aufgeladenen Räumen

Editorial

Zum feinfühligen Umgang mit aufgeladenen Räumen

von Natalie Pawlik

Architektur ist eine Zeitzeugin. Die Bauwerke, in denen unser aller Leben stattfindet, werden errichtet, zerstört, rekonstruiert, erweitert und neu gedacht. Manche Gebäude überdauern Jahrtausende und erinnern uns an eine Zeit vor unserer. Während einige Orte und ihre Geschichte uns nostalgisch, gar sehnsüchtig werden lassen, kann die Beschäftigung mit anderen beklemmende Gefühle auslösen. Die Annäherung an solche Orte – sei sie künstlerisch, entwerferisch oder forschend – bedarf einem hohen Maß an Behutsamkeit und Sensibilität. Planerische und gestalterische Methoden müssen dabei mit Bedacht erlernt, ausgewählt und angewendet werden. Die emotionale Komponente spielt dabei eine besonders wichtige Rolle. Kann man für Gefühlszustände wie Intimität einen architektonischen Rahmen schaffen? Wie lässt sich gestalterisch an einem kontroversen Diskurs teilnehmen? Auf welche Art und Weise kann man einen historisch oder emotional aufgeladenen Ort, seine Atmosphäre und Geschichte reflektiert vermitteln?

In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit verschiedenen Ansätzen, die sich sensiblen Themen auf unterschiedliche Art und Weise nähern. Im ersten Beitrag geht es um die künstlerische Auseinandersetzung mit gebauter Intimität. Von der Telefonzelle bis zum Beichtstuhl – Architekt und Publizist Francisco Moura Veiga beschäftigt sich mit geeigneten Typologien für intime Orte, die er in einem sogenannten emotionalen Katalog dokumentiert. Mit dem Mitinitiator des Synagogen-Projekts Prof. Jörg Springer sprachen wir über einen möglichen architektonischen Ausdruck jüdischen Lebens in deutschen Großstädten. Im Interview erzählte er uns von den Besonderheiten der Rekonstruktionsdebatte hinsichtlich des Wiederaufbaus kriegszerstörter Synagogen und inwiefern studentische Entwürfe, Beitrag für einen aufgeladenen Diskurs bieten können. Um die behutsame Gestaltung eines Audiowalks zur Vermittlung der ambivalenten Biografie Franz Ehrlichs - Architekt und Gestalter - geht es im dritten Beitrag. Jens-Uwe Fischer entwickelte auf Basis seiner Forschungsarbeit gemeinsam mit dem Design-Studio Refrakt eine auditive App, die durch das Konzentrationslager Buchenwald führt, in dem Ehrlich zeitweise inhaftiert war.

Typologien der Intimität

Ein Katalog gebauter Emotionen

Text von Natalie Pawlik

Bude, Kabine, Zelle, Nische – wenn ein Begriff wie das englische Wort „booth“ nicht eindeutig zu übersetzen ist, wird es interessant. Der Architekt, Publizist und wissenschaftliche Mitarbeiter am Voluptas Lehrstuhl der ETH Zürich Francisco Moura Veiga erforscht solche mehr oder minder visuell und akustisch abgeschirmten, kleinen Räume. 2020 realisierte er für eine von der Visarte Basel organisierte Gruppenausstellung die temporäre Installation „Booth For All Trades“ – ein Titel, der neugierig macht. Zwei Jahre später folgte die „Hiding Booth“, eine von bodenlangen Vorhängen umhüllte Kabine, die in der Galerie M Books in Weimar aufgestellt wurde. Im Fokus seiner Arbeit stehen die Fragen, wie sich Sicherheit und Intimität gegenseitig bedingen und welchen architektonischen Rahmen es braucht, um diesen Zustand zu evozieren.

Gebaute Intimität

Auf den ersten Blick erscheint es widersprüchlich, eine Typologie für einen höchst subjektiven Zustand tiefster Vertrautheit entwickeln zu wollen. Kann man Intimität überhaupt räumlich denken? Für Francisco Moura Veiga ist die flexibel zu öffnende beziehungsweise zu schließende Kabine eine gebaute Verkörperung dieses Gefühlszustandes. Um diese Hypothese zu überprüfen, baute er seine erste „Booth For All Trades“: Eine Kleinstarchitektur, deren leuchtend blaue Vorhänge bis zu drei Personen vom restlichen Galerieraum abschirmen. Die begehbare Skulptur ist Beichtstuhl, Fotokabine, Telefonzelle und Leseecke in einem. In ihrer Mitte hängt ein Buch von der Decke, das zum Schmökern und Verweilen einladen soll. Seine zweite Installation in Weimar beschäftigt sich mit dem Thema des Versteckens: Um die sogenannte „Hiding Booth“ betreten zu können, müssen mehrere Lagen farbigen Stoffes Schicht für Schicht beiseite geschoben werden. Die Installation thematisiert auf spielerische Art und Weise die Abstufungen der räumlichen Abgeschiedenheit.

Vom Beichtstuhl bis zur Peep-Show

Eine Dokumentation dieser räumlichen Auseinandersetzungen mit Architektur gewordener Intimität ist in dem schwarz gebundenen Buch „Typology of Intimacy. An Emotional Catalog of Booths“ zu finden, das Veiga 2022 herausgegeben hat. Die Publikation beinhaltet unter anderem ein kurzes Interview mit dem Psychoanalytiker und -therapeuten Vasco Santos über die mögliche Bedeutung des Begriffs Intimität. Sodann erzählen in dem darauffolgenden Kapitel „Questions of Typology“ acht Nutzer*innen von ihren persönlichen Erfahrungen mit unterschiedlichen „booths“ wie etwa Beichtstühle, aber auch Räume für Peep-Shows.

Der sogenannte „Emotional Catalog“ findet sich in der zweiten Hälfte des Buches. In jeweils ein paar Abbildungen und einem kurzen Text – manchmal nicht länger als wenige Wörter – interpretieren 31 Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Architekt*innen, Fotograf*innen und Wissenschaftler*innen die Typologie. Toilettenbüdchen reihen sich an Zollstationen und Bushaltestellen. Das facettenreiche, persönliche Sammelsurium aus Fotografien, Zeichnungen und Auslegungen ist das Ergebnis einer architektonischen wie künstlerischen Forschung zur Verschränkung von Raum und Emotion.

„Booths“ zum Sammeln

Auf der Innenseite des Schutzumschlags der Publikation befinden sich insgesamt acht rechteckige Felder – zwei davon mit den Namen der beiden realisierten „booths“ beschriftet. Die Felder sind für die zwei beiliegenden Aufkleber im Stil der berühmten typologischen Tafeln des klassizistischen Architekten Jean-Nicolas-Louis Durand aus dem frühen 19. Jahrhundert gedacht. So wird aus dem Katalog ein Sammelalbum. Die sechs leeren Felder lassen vermuten, dass Veiga noch weitere Installationen geplant hat. Die nächste soll im Herbst 2023 in Lissabon stattfinden und sich mit der Intimität in Bars beschäftigen. Weitere Interventionen sind im portugiesischen Santarém und Zürich geplant.

Über Roma
ROMA ist die führende Marke für Sonnenschutzsysteme mit höchstem Anspruch an Funktionalität, Ästhetik und Langlebigkeit. Als mittelständisches Unternehmen mit über 1.500 Mitarbeitern ist unsere wichtigste Erkenntnis in mehr als 40 Jahren Unternehmensgeschichte: Wohnen beginnt vor dem Fenster. Mit ROMA Rollladen, Raffstoren und Textilscreens haben Sie die Möglichkeit, das Raumklima, die Lichtstimmung und die Privatsphäre zu gestalten, denn kein anderes Element eines Gebäudes hat darauf mehr Einfluss als der Sonnenschutz.

Ein Beitrag zum Diskurs

Interview mit Prof. Jörg Springer zum Synagogen-Projekt

Interview von Katharina Lux

Der Wiederaufbau von Synagogen in Deutschland ist eine sensible Bauaufgabe und gegenwärtig eine intensiv geführte Debatte. Im Synagogen-Projekt stellten Architekturlehrstühle der TU Darmstadt, TU Dresden, HCU Hamburg und der Bauhaus-Universität Weimar ihren rund 140 Studierenden die Aufgabe, einen angemessenen architektonischen Ausdruck jüdischen Lebens in deutschen Großstädten zu finden. Gegenstand der Bearbeitung waren die realen Vorhaben und Diskussionen zum Wiederaufbau der Synagogen am Fraenkelufer in Berlin und am Joseph-Carlebach-Platz in Hamburg sowie das ebenfalls in Hamburg gelegene Ruinenfragment einer ehemaligen Synagoge. Prof. Jörg Springer, Mitinitiator des Projektes und Leiter des Lehrstuhls Entwerfen und komplexe Gebäudelehre der Bauhaus-Universität Weimar hat uns im Gespräch Einblicke in das Projekt gegeben. Er sprach mit uns über die Herangehensweise, den Entwurfsprozess und den Beitrag, den die Studierendenarbeiten zu einem architektonischen Diskurs leisten können.

Wie kam das Synagogen-Projekt zustande?

Prof. Jörg Springer: Anlass war der Beschluss, dass nach dem Anschlag von Halle in Hamburg die Synagoge am Joseph-Carlebach-Platz wiederaufgebaut werden soll. Der stand bereits eine ganze Weile zur Diskussion, es gab aber bis dato keine Entscheidung. Erst als Reaktion auf den Anschlag fand sich eine breite Mehrheit für den Wiederaufbau. Dass dieser in historischer Form, als Rekonstruktion der zerstörten Synagoge erfolgen sollte, wurde dabei offensichtlich nicht weiter diskutiert. Für uns Architekten entstand so eine besondere Situation und uns interessierte die Debatte, die auf diesen Beschluss folgte. Auch, weil die Diskussion um den rekonstruierenden Wiederaufbau von Synagogen an gleich zwei Orten stattfand: in Hamburg und in Berlin. Das war bis dahin mit einer kleineren Ausnahme im Nachkriegsdeutschland ein absolutes Novum. Da haben wir gesagt, das müssen wir zum Anlass einer Auseinandersetzung bei uns an den Unis machen. Wir wollten einen Beitrag zum Diskurs leisten – gemeinsam mit den Studierenden.

Wie haben Sie den Diskurs zum Thema Rekonstruktion empfunden, und welchen Einfluss hatte Ihre Wahrnehmung auf die Aufgabenstellung an die Studierenden?

Prof. Jörg Springer: Mit dem Wunsch nach einer Rekonstruktion werden im Grunde architektonische Fragen aufgeworfen: Ist zeitgenössische Architektur in der Lage, zeichenhaft zu wirken, kann sie Erinnerung an Vergangenes tragen? Ich kann diese Fragen bis heute nicht mit Gewissheit beantworten. Es wurde viel darüber diskutiert, ob eine Rekonstruktion das Bedürfnis der jüdischen Gemeinde nach Erinnerung und Gedenken respektieren würde. Die klassischen Argumente für und gegen eine Rekonstruktion jedenfalls greifen in diesem konkreten Beispiel nicht ohne Weiteres. Man kann der jüdischen Gemeinde in Hamburg ja schlecht vorhalten, mit der Rekonstruktion Geschichte ungeschehen machen zu wollen. Aber natürlich gibt es die Sorge vor missverständlichen Zeichen, die vor allem in der Debatte zum Wiederaufbau in Hamburg eine wichtige Rolle spielt.

Wir haben uns dann Fragen gestellt wie: Warum genau gibt es jetzt in jüdischen Gemeinden oder in Teilen der jüdischen Gemeinde dieses Interesse an der Wiederherstellung der historischen Gebäude? Anders, als bei früheren Synagogenbauten geht es offensichtlich auch darum, Sichtbarkeit wieder herzustellen – und das, indem das Haus prominent und eindrücklich sein soll. Allerdings ist in Hamburg der stadträumliche Kontext inzwischen ein ganz anderer. Das nicht nur wegen des Bunkers, der vor dem Haupteingang der Synagoge stünde, sondern auch wegen der Unibauten, die eine Freistellung der Synagoge, wie in der ursprünglichen Situation, heute verunmöglichen. In Berlin wäre das schon einfacher, da ist der Kontext relativ unverändert.

Es sind eben diese Fragen nach Zeichenhaftigkeit, nach der Angemessenheit des architektonischen Ausdrucks im stadträumlichen Kontext, die dann die Studierenden in ihren Arbeiten zu behandeln hatten.

Wie haben Sie und die Studierenden gemeinsam mit anderen Akteur*innen wie den jüdischen Gemeinden an dem Projekt gearbeitet?

Prof. Jörg Springer: Die Situation war in Hamburg und in Berlin sehr verschieden. In Berlin war es einfach, die Gemeinde war sehr offen für einen Austausch. In Hamburg war es wegen der wirklich sehr vehement geführten Diskussion zunächst schwieriger. Das hat sich jedoch später geändert, als die Entwürfe zeigten, dass die Anliegen der Gemeinde ernst genommen wurden.

Generell haben wir Menschen angesprochen, von denen wir wussten, dass sie etwas beitragen können. Edward van Voolen, ein Rabbiner, der unter anderem in Potsdam lehrt, hat uns eine Einführung darin gegeben, was eine Synagoge überhaupt ausmacht, und was sie von einer Kirche unterscheidet. Wir hatten zudem großes Glück, dass Miriam Wenzel, Direktorin des jüdischen Museums in Frankfurt, in der Zeit Gastprofessorin bei uns in Weimar war und ihre Perspektive in die jüdischen Gemeinden vermitteln konnte.

Wie war es für die Studierenden, eine Typologie zu planen, die ihnen mehrheitlich selbst eher unbekannt ist?

Prof. Jörg Springer: Ich glaube nicht, dass hierbei ein Problem besteht. Natürlich geht es hier um eine Synagoge, die ist architektonisch und räumlich sehr interessant und programmatisch sehr vielschichtig. Vielleicht tendieren einige der studentischen Projekte für eine Synagoge dennoch zu sehr ins Sakrale. Interessanter ist in meinen Augen jedoch tatsächlich jene Ebene, die sich mit der Vorstellung einer Rekonstruktion auseinandersetzt. Die Ebene, die nach dem architektonischen Ausdruck des Bauwerks fragt – und zwar ganz explizit eben nicht nur nach dem Innenraum – sondern nach der Wirkung eines solchen Gebäudes in die Stadt hinein.

Was war für Sie das Ziel des Projektes? Und wie würden Sie sagen, können studentische Entwürfe wie diese den Diskurs zu dem Thema beeinflussen?

Prof. Jörg Springer: In Hamburg ist die Debatte ja ziemlich konfrontativ verlaufen. Das war vielleicht auch ein Problem der Textbeiträge, die dazu verleiten, sich am Ende scharf zu positionieren. Zeichnen wir ein Haus, ist das anders. Da werden auf eine andere Art und Weise unterschiedliche, auch widersprüchliche Aspekte zusammen gedacht. Ein Haus ist für viele da, es soll lange stehen. Man muss also mögliche Gegenpositionen mitdenken und wird vielleicht auch irgendwann gelassener.

Ich finde es besonders schön, dass die Ausstellung der Arbeiten gewandert ist. So konnten durch die studentischen Projekte auch nicht beteiligte Personen einen Zugang erhalten. Das war ja das eigentliche Ziel – mit den Entwürfen wollten wir einen Beitrag zum Diskurs leisten. Ich denke, wir leisten unseren Beitrag nicht, indem wir ideale Lösungen anbieten – wir leisten ihn, indem wir anschauliche architektonische Bilder anbieten, die ermöglichen, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.

Haben Sie das Gefühl, diesen Beitrag mit dem Projekt geleistet zu haben? Was konnten Sie und ihre Studierenden daraus mitnehmen?

Prof. Jörg Springer: Ja – In den Gesprächen, die im Buch dokumentiert sind und die wir ja erst nach dem Entwurfsprojekt, in Kenntnis der studentischen Arbeiten geführt haben, wurde deutlich: Die Projekte ermöglichen eine sehr breite Diskussion, sie eröffnen andere Perspektiven. Das apodiktische Gegeneinander der Positionen gibt es nicht mehr, wir können viel differenzierter und genauer argumentieren, eben weil es die Anschauung der Projekte gibt.

Natürlich werden da auch Schwierigkeiten in den Projekten sichtbar. Sehr gute, wunderschön entworfene Projekte, die in ihrer sympathischen Zurückhaltung wohl doch nicht hinreichend zeichenhaft wären und umgekehrt, Arbeiten, die mit einem gewissen Pathos ausgeführt sind. Es kommt aber vielleicht gar nicht darauf an, dass eine einzelne Arbeit alles richtig macht. Erst die Zusammenschau der Projekte macht die Breite der denkbaren Ansätze anschaulich und ermöglicht es, präzise über die Angemessenheit des architektonischen Ausdrucks zu sprechen.

Über ROMA
ROMA ist die führende Marke für Sonnenschutzsysteme mit höchstem Anspruch an Funktionalität, Ästhetik und Langlebigkeit. Als mittelständisches Unternehmen mit über 1.500 Mitarbeitern ist unsere wichtigste Erkenntnis in mehr als 40 Jahren Unternehmensgeschichte: Wohnen beginnt vor dem Fenster. Mit ROMA Rollladen, Raffstoren und Textilscreens haben Sie die Möglichkeit, das Raumklima, die Lichtstimmung und die Privatsphäre zu gestalten, denn kein anderes Element eines Gebäudes hat darauf mehr Einfluss als der Sonnenschutz.

Raum in Ruhe hören

Audiowalk in Buchenwald zum Bauhäusler und KZ-Häftling Franz Ehrlich

Text von Katharina Lux

Im 2022 erschienenen biografischen Essay „Gefangen in der Titotalitätsmaschine“ beschäftigen sich der Architekt und Designtheoretiker Friedrich von Borries und der Historiker Jens-Uwe Fischer mit dem Leben von Franz Ehrlich. Dieser war Architekt, Bauhäusler und Widerstandskämpfer, ehe er KZ-Häftling und später zum Kollaborateur der Nazis wurde. Basierend auf der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und der damit einhergehenden Publikation entstand im November 2022 der Audiowalk von Jens-Uwe Fischer in Zusammenarbeit mit dem Künstler-Kollektiv und Design-Studio Refrakt. Mit behutsamer Gestaltung führt er die App Besucher*innen zu verschiedenen Orten auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald, die mit Ehrlich verbunden sind. Die sensible Auseinandersetzung mit seinem widersprüchlichen Lebenslauf und dem unmittelbar damit verknüpften Ort soll sowohl über den auditiven Weg als auch über die räumliche Annäherung nachvollzogen werden.

Zwischen Widerstand, Überlebenskampf und Kollaboration

Franz Ehrlich, der am Bauhaus Dessau studierte, kam 1937 als politisch Verfolgter ins Konzentrationslager Buchenwald. Als Zwangsarbeiter musste er für die SS Gebäude, Inneneinrichtungen und Gebrauchsgegenstände entwerfen und gestaltete unter anderem das Tor des Häftlingslagers mit der Inschrift „Jedem das Seine“. Durch den Aufbau von Werkstätten im KZ involvierte er zudem seine Mithäftlinge und bewahrte sie mit dadurch entstandenen relevanten Arbeitsplätzen oftmals vor dem Tod. Nach seiner Entlassung 1939 stellte ihn die SS als Architekten an. Er arbeitete zunächst in der SS-Neubauleitung Weimar-Buchenwald und später im SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt in Berlin. Ehrlich war so nun auch zum Kollaborateur des NS-Regimes geworden. Die Ambivalenz seiner Person prägte sein Werk und wirft unter anderem die Frage auf, inwieweit  Gestaltung politisch ist und wie sie gesellschaftspolitisch wirksam sein kann.

Von Borries und Fischer interessierten sich nicht nur für Ehrlichs kreative Arbeit. Vielmehr war es den Forschern ein Anliegen, den komplexen Lebensweg des Architekten zu analysieren und die Widersprüche in dessen Leben zu untersuchen und aufzuzeigen. Diese stehen beispielhaft für den Totalitätsanspruch und die Ambivalenzen der Moderne und spiegeln symbolhaft die gesellschaftspolitischen Konflikte und Katastrophen des 20. Jahrhunderts wider.

Aus Widersprüchen lernen

Den Anspruch, diese Geschichte durch einen eigenen künstlerischen Beitrag niedrigschwellig zu erzählen und für jede*n greifbar zu machen, nahm Jens-Uwe Fischer zum Anlass, diesen Zugang über das Format des Audiowalks zu schaffen. Über dieses Medium entwickelte er eine gestalterische Position, die mit der Vorstellungskraft der Besucher*innen arbeitet. Die Zuhörer*innen sollen den Ort aus bestimmten Perspektiven betrachten, um eigene Schlüsse aus der Vergangenheit zu ziehen. Fischer war es wichtig zu vermitteln, sich nicht nur auf die schwarz-weißen Darstellungen der Geschichte zu beschränken, sondern auch die unendlichen Graustufen zu berücksichtigen – sowie tatsächlich verständlich zu machen, wie sich Verhalten unter bestimmten Bedingungen äußern kann.

Sensible Mittel der Gestaltung

Carla Streckwall und Alexander Govoni von Refrakt haben sich daraufhin gemeinsam mit Jens-Uwe Fischer der Aufgabe angenommen, eine angemessene gestalterische Lösung in Form einer App für die Vermittlung dieser aufgeladenen Geschichte zu entwickeln. Einem Leitsystem folgend sollen die Besucher*innen über verschiedene Stationen durch das Gelände des ehemaligen KZ Buchenwald geführt werden und in direktem Bezug zum Ort mehr über das Schaffen und Leben Franz Ehrlichs erfahren. Die Zusammmenarbeit beim Entwurf der App für die Buchenwald-Gedenkstätte war von gestalterischer Freiheit geprägt, aber auch von der klaren Notwendigkeit, sich intensiv mit dem Thema und der Geschichte auseinanderzusetzen. Für diese Aufgabe mussten sie selbst Spezialist*innen auf dem Gebiet werden und viele Geschichten von Expert*innen verinnerlichen, um Inhalte und Gestaltung sinnvoll zu planen.

Wenig Bild, mehr Blick

Herausgekommen ist dabei ein Audioguide für das Gelände, bei dem die Besucher*innen möglichst wenig auf ihre Smartphones, sondern sich stattdessen bewusst auf die Umgebung konzentrieren sollen. Gleichzeitig sollte das Thema ausreichend visualisiert und die App auch für Benutzer*innen zu Hause verfügbar gemacht werden. So haben Refrakt die visuellen Elemente auf Bilder der vorhandenen Strukturen reduziert, um Orientierung und Erkennbarkeit zu ermöglichen. Auf historisches Bildmaterial wurde bewusst verzichtet, um nicht zu sehr vom Ort und den auditiven Inhalten abzulenken. Aktuelle Fotografien der einzelnen Stationen sollen hingegen der Orientierung in der Gedenkstätte dienen. Vor Ort können die Besucher*innen ihre Position auf der Karte sehen und die Reihenfolge der Etappen verfolgen. Am Ende jeder Station erklärt die App zudem, welcher Punkt auf dem Gelände der nächste sein soll. Es wurde darauf geachtet, dass die Übergänge entsprechend gestaltet sind, um sich auch an unbekannten Punkten auf dem Gelände zurechtzufinden.

Angemessenheit in Farbe, Schrift und Ausdruck

Der visuelle Eindruck und die Handhabung sind essenzieller Bestandteil für die Vermittlung von Atmosphäre sowie der Sensibilität des Themas und Ortes. Schrift und Farbe können hierbei eine entsprechende Stimmung erzeugen und die Raumwahrnehmung beeinflussen. So war es Carla Streckwall und Alexander Govoni wichtig, eine Typographie zu wählen, die zum einen Wiedererkennungswert besitzt und leicht lesbar ist. Zum anderen soll die Schrift nicht zu dominant sein, sondern den Inhalt in den Vordergrund stellen. Auch die Farbwahl spielte bei der Gestaltung der App eine große Rolle, da viele Farben eine symbolische Bedeutung mit sich bringen. Gewählt wurde ein Petrolblau, das so angepasst wurde, dass Display und die Außendarstellung miteinander harmonieren. Neben der niedrigschwelligen Vermittlung inhaltlicher Komplexität sollte mit dem Audiowalk ein Bildungstool entstehen, das nicht zuletzt mit gestalterischer Sensibilität Architekturgeschichte durch räumliche Erfahrung vermittelt.

Über Roma
ROMA ist die führende Marke für Sonnenschutzsysteme mit höchstem Anspruch an Funktionalität, Ästhetik und Langlebigkeit. Als mittelständisches Unternehmen mit über 1.500 Mitarbeitern ist unsere wichtigste Erkenntnis in mehr als 40 Jahren Unternehmensgeschichte: Wohnen beginnt vor dem Fenster. Mit ROMA Rollladen, Raffstoren und Textilscreens haben Sie die Möglichkeit, das Raumklima, die Lichtstimmung und die Privatsphäre zu gestalten, denn kein anderes Element eines Gebäudes hat darauf mehr Einfluss als der Sonnenschutz.