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Architektur aus dem Drucker

Baustoffvielfalt mit additiver Fertigung

Editorial

Baustoffvielfalt mit additiver Fertigung

von Katharina Lux

Vom Bildschirm zum gedruckten Haus: Die Digitalisierung hält Einzug in die Baubranche und ermöglicht ein nie dagewesenes Maß an Komplexität. Neben exakter Ausführungsplanung in neuester CAD-Software helfen uns nun auch seit einiger Zeit innovative Fertigungstechnologien dabei, zukünftige Bauteile neu zu erfinden. Aus Sand, Metall, Kunststoff oder sogar Salz, Glas und Papierresten präzise Geometrien anfertigen, mikroskopisch klein bis lebensgroß drucken, fünf Minuten oder gar 48 Stunden am Stück arbeiten: Diese Anforderungen kann ein Mensch kaum leisten – ein 3D-Drucker schon. Dieser kann hochdetaillierte physikalische Bauteile bis zu ganzen Wandstrukturen aus einer Reihe von Materialien basierend auf einem digitalen Modell erstellen. Aktuelle Techniken ermöglichen die Genauigkeit in der Anfertigung bis in den Nanometerbereich. Einer der größten Vorteile des 3D-Drucks für Architekturprojekte ist die neuerworbene Freiheit in der Umsetzung komplexer Geometrien. Die zunehmend große Bandbreite an druckbaren Rohstoffen vervielfältigt die Einsatzmöglichkeiten. Immer häufiger lassen sich natürliche Ressourcen durch additive Fertigung in die richtige Form bringen, um ihren Platz in der Konstruktion zu finden.

Welches Material lässt sich wie drucken? Können wir mit additiver Fertigung Ressourcen schonen? Welche neue Anwendungen bietet der 3D-Druck für diese neuen Baustoffe an und wie profitiert die Architektur davon?

In dieser Ausgabe haben wir uns mit unseren Fragen unter anderem an Dr. Philipp Rosendahl gewandt und einiges über seine Forschung sowie den Verarbeitungsprozessen, Unterschieden und Einsatzmöglichkeiten von Glas, keramischen Werkstoffen und sogar Papier im 3D-Druck erfahren. Zum Thema Naturmaterialen stellen wir die Forschung am ITKE der Universität Stuttgart vor, bei der es sich um die Entwicklung an einem 3D-Druckverfahren für Bauteile mit naturfasergestärkten Filamenten handelt. Der Lehrstuhl für Baukonstruktion und Baustoffkunde an der Technischen Universität München (TUM) untersucht im Rahmen eines Forschungsprojektes verschiedenen Verfahren der additiven Fertigung mit Salz. In einem Werkstattkurs haben Studierende in der Schnittstelle zwischen Materialwissenschaft und digitaler Technologie experimentiert, Potenziale für die Architektur analysiert und eigene Modelle erzeugt. Explizit mit natürlichen Materialien beschäftigten sich zudem Forscher*innen im Projekt „Digital Rubble“ an der Technischen Universität Darmstadt und erprobten mithilfe von digitalen Tools und dem 3D-Druck, ob man unbearbeitete Naturmaterialien so ergänzen kann, dass statisch stabile Konstruktionen entstehen.

Glas, Stein, Papier

Dr. Philipp Rosendahl zur Forschung an neuen druckbaren Baustoffen

Interview von Katharina Lux

Mehr und mehr Vielfalt in der Materialwahl: Das „Generative Design Lab“ des Instituts für Statik und Konstruktion (ISM+D) der Technischen Universität Darmstadt erforscht generative und additive Fertigungstechnologien für den Einsatz im Bauwesen. Zu den Forschungsfeldern zählen dabei der 3D-Druck von Glas, Keramik und Papier. Dr. Philipp Rosendahl, Nachwuchsgruppenleiter des Bereichs „Additive Fertigung” am Institut, hat unsere Fragen zu den drei Baustoffen im Vergleich beantwortet und dabei die Prozesse im 3D-Druck erläutert sowie ihre Potenziale und Einsatzmöglichkeiten in der Architektur aufgezeigt.

3D-Druck mit Papier – ein ganz neuer Ansatz für den Einsatz im Bauwesen. Wie geht das und wofür wird es angewendet?

Philipp Rosendahl: Papier ist einer der wenigen Rohstoffe, die tatsächlich vollständig rezyklierbar und wiederverwendbar sind. Das macht ihn attraktiv für den Einsatz als Bauwerkstoff. Seine Anwendung ist allerdings nicht ganz einfach: Papier nimmt Feuchte auf, brennt leicht und muss in bautechnisch sinnvolle Formen gebracht werden. Während wir an anderer Stelle auch Außenwand- und Dachelemente aus Papier erforschen, die Feuchte und Hitze widerstehen müssen, geht es uns beim 3D-Druck vor allem um Formgebung und die Anwendung in Innenräumen. Das sind beispielsweise Verschattungssysteme, die in den Zwischenraum doppelt verglaster Fenster montiert werden. Mithilfe von 3D-Druck können diese sowohl ästhetisch ansprechend als auch funktional so gestaltet werden, dass sie bei hochstehender Mittagssonne Schatten spenden, tief stehendes Winterlicht jedoch einlassen und den Blick nach außen kaum einschränken. Eine andere Anwendung sind Paneele für Innenraumakustik, die beispielsweise in Tagungsräumen oder Großraumbüros zum Einsatz kommen und hier den Schall dämpfen. Dafür ist vor allem die Oberflächenform entscheidend, die wir mit Computersimulationen optimieren und anschließend mit 3D Druck präzise fertigen können. Papier sieht hier gut aus und vermittelt ein angenehmes Raumgefühl. Um das Material dreidimensional formen zu können, versetzen wir die Rohmasse mit natürlichen Bindemitteln wie Stärke oder Lignin. Es entsteht eine zähflüssige Masse, die sich schichtweise auftragen lässt. Eine besondere Herausforderung ist dabei die starke Schwindung, das heißt das Schrumpfen des Materials, wenn es nach dem Drucken getrocknet wird.

Die Historie des Bauens mit Ziegelsteinen ist lang – Sie können diese nun auch drucken. Was können diese neuen Klinker besser, wo finden sie Anwendung und wie funktioniert die additive Fertigung bei keramischen Werkstoffen?

Philipp Rosendahl: Die klassischen rechteckige Mauerziegel wird der 3D-Druck nicht so schnell ersetzen. Diese sind günstig und leicht in großer Stückzahl herzustellen. Dass wir Ziegel nun auch drucken können, ist für Spezialwendungen relevant. Das betrifft beispielsweise die Restauration historischer Gebäude. Wenn diese Teile ihrer häufig künstlerisch gestalteten Fassade verlieren, können wir passgenau Ersatzteile liefern. Deren automatisierte Herstellung ist wichtig, weil die Branche zunehmend Schwierigkeiten hat, Nachwuchs für handwerkliche Berufe zu finden. Hiervon ist der gesamte Sondersteinbau betroffen. Ein beliebtes Produkt sind beispielsweise hohle Ziegelsteine, die Nistplätze für Vögel bieten, sich aber direkt ins Mauerwerk integrieren lassen. Sie werden gebraucht, um amtlichen Auflagen beim Wegfall von Lebensräumen durch Neu- oder Erweiterungsbauten gerecht zu werden. Die Steine werden manuell ausgehöhlt und Landeplattformen händisch anmodelliert. Junge Sondersteinbauer*innen, die dies auch in Zukunft machen möchten, sind schwer zu finden, sodass wir auf 3D-Druck setzen. Dieser erlaubt es, Ziegeln eine komplexe Oberfläche oder Füllungen zu verleihen. Wie schon beim Papierdruck nutzen wir dies, um bestimmte akustische Eigenschaften zu erreichen. Das betrifft sowohl die Absorption von Stadtlärm als auch die akustische und thermische Isolation nach innen. Natürlich lässt sich die freie Formgebung auch rein gestalterisch nutzen. Für den Druck verwenden wir einen Industrieroboter, um auch große Teile herstellen zu können. Herausfordernd ist der große Druck, der notwendig ist, um die feste Tonrohmasse durch eine Düse pressen zu können. Die grobe Maße wirkt außerdem äußerst abrasiv und verschließt viele Einzelteile des Druckers schnell.

Transparent, fest und kaum aus der Architektur wegzudenken: Glas. Mithilfe ihrer Forschungsarbeit können komplexe Geometrien mit diesem Baustoff hergestellt werden. Wie sieht hierbei der Prozess aus und wo werden diese Strukturen eingesetzt?

Philipp Rosendahl: Der Prozess ist eine große Herausforderung. Glas hat eine Schmelztemperatur von über eintausend Grad Celsius. Wenn das Material auf Raumtemperatur abgekühlt wird, schrumpft es stark zusammen. Passiert dies nicht an jeder Stelle gleichmäßig, bilden sich sogenannte Eigenspannungen. Weil Glas sehr spröde ist, kann dies sofort zu Rissen führen. Um das zu vermeiden, drucken wir in einem Ofen, den wir nach Ende des eigentlichen Druckprozesses nur langsam abkühlen. Im Ofen können wir außerdem Glasplatten vorheizen, was nötig ist, um direkt darauf zu drucken. Mit einer kalten Grundplatte stellt die Glasschmelze keine ausreichende Verbindung her. Für Anwendungen im Bauwesen ist es uns wichtig, nicht nur Lage auf Lage, sondern auch an existieren Strukturen andrucken zu können. Ziel sind vollständig transparente Bauteile. Ein Beispiel sind Konsolen, die die Verbindung zwischen gläsernen Treppenstufen und einer gläsernen Seitenwand herstellen. Die Verbindung ist aktuell metallisch, kann aber mithilfe von 3D-Druck komplett durch Glas ersetzt werden. Eine andere Anwendung sind die Verbindungselemente zwischen einzelnen Glasscheiben vom Glasfassaden. Auch diese sind heutzutage metallisch und häufig als schwarze Punkte in der Fassade zu erkennen. Gedruckte Verbinder haben das Potential, die Fassade vollständig transparent zu machen. Unser Prozess arbeitet mit beliebigem Glasbruch. Er erlaubt die vollständige Rezyklierung des Werkstoffs.

Sie erforschen additive Verfahren mit unterschiedlichen Baustoffen. Wie ist ihr Blick auf die verschiedenen Möglichkeiten im 3D-Druck und welche Prognose haben Sie für die Zukunft?

Philipp Rosendahl: Obwohl schon Anfang des 20. Jahrhunderts erste additive Techniken erkundet und erfolgreich zum Bau ganzer Gebäude eingesetzt wurden, erlebt die Technologie erst heute ihren Durchbruch. Während sie lange zu teuer und aufwendig war, besteht heute ein großer Bedarf, Material einzusparen und effizienter zu bauen, Maschinen sind erschwinglich und Softwarelösungen verfügbar. Dies erschließt nun auch der mittelständisch geprägten Baubranche die Technologie. Während der Betondruck zwar noch beantworten muss, wie sich Bewehrungen in den Prozess integrieren lassen, sehen wir bereits ganze gedruckte Häuser in Europa, Amerika, Asien und Afrika. 3D-Druck wird die Branche in naher Zukunft zwar nicht vollständig transformieren, aber er wird zügig ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil. Wir versuchen mit unserer Forschung, den Fachkräftemangel für handwerkliche Tätigkeiten zu kompensieren und unsere Bauwerke funktionaler zu machen. Damit der Wandel gelingen kann, bilden wir unsere Studierenden im Umgang mit allen Aspekten der neuen Technologie aus. Das betrifft Gestaltung, Konstruktion, Berechnung und letztlich die praktische Anwendung.

Stabilität durch Geometrie

Forschungsprojekt zu 3D-gedruckten Bauteilen aus naturfaserverstärkten Filamenten

Text von Natalie Pawlik

Die Auswirkungen der Bauindustrie auf Umwelt und Klimawandel machen alternative Materiallösungen dringend erforderlich. An der Universität Stuttgart forscht die Abteilung für Biobasierte Materialien und Stoffkreisläufe in der Architektur (BioMat) am Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) an einem 3D-Druckverfahren mit naturfasergestärkten Filamenten. Unter der Leitung von Assoc.-Prof. Dr.-Ing. Hanaa Dahy nimmt sich das Forschungsprojekt „3DNaturDruck“ vor, diese materialorientierte Technik auf die Architektur anwendbar zu machen. In Zusammenarbeit mit Studierenden soll jeweils ein Demonstrator für die Innen- und Außenanwendung als auch die strukturelle Anwendung gebaut werden.


3D-Druck mit Biomaterialien

Mit 3D-Druck lässt sich Material computergestützt präzise platzieren, um strukturell differenzierte Komponenten zu schaffen. Hierfür kommen vor allem Kunststoffe zum Einsatz. Naturfasern finden im 3D-Druck bisher jedoch eher selten Verwendung. Aufgrund der eingeschränkten materiellen Eigenschaften von 3D-gedruckten Elementen aus Naturfasern, wird diese Technik bisher vor allem im Innenausbau und im Möbeldesign in kleinem Maßstab angewendet. Die begrenzte Stabilität solcher Komponenten lässt sich darauf zurückführen, dass es sich dabei häufig um den Druck von Pellets aus kurzen Fasern handelt. Die Forschungsgruppe an der Universität Stuttgart konzentriert sich deshalb bei ihrem System auf sogenannte Endlosfasern, aus denen keine Pellets, sondern Filamente 3D-gedruckt werden. Die Herstellung von Endlosfasern hat den Vorteil, dass sie eine optimale Verteilung der Kräfte ermöglicht. Während herkömmliche Technologien zur Herstellung von mit Endlosfasern verstärkten Polymeren mehrere komplexe Prozesse und einen hohen Arbeits- und Energieaufwand erfordern, versprechen sich die Forschenden von dem Verfahren, mit Faserfilamenten die Faserimprägnierung, Ablagerung und Aushärtung in einem einstufigen Verfahren kombinieren zu können.

Drei architektonische Szenarien

Im Sommersemester 2022 führte das Forschungsteam ein Seminar durch, in dessen Rahmen Studierende jeweils einen Demonstrator für die Anwendung im Innen- und Außenraum sowie für die strukturelle Anwendung entwerfen sollten. Im ersten Teil des Seminars erarbeiteten die Studierenden in Dreiergruppen ein System aus Wand- oder Fassadenpaneelen. Der zweite Teil des Seminars war dem Entwurf eines strukturellen Anwendungsdemonstrators mit einer vorgegebenen Größe von maximal 45 Quadratmetern gewidmet. Die Vorschläge der Studierenden wurden anschließend verfeinert und zu zwei Pavillonentwürfen zusammengefasst. Diese beiden Entwürfe werden nun von der Forschungsgruppe weiterentwickelt und sollen als Teil der Projektergebnisse im März und im Juli 2023 realisiert werden. An der Weiterentwicklung können die Studierenden ebenfalls im Rahmen eines Seminars, das im Wintersemester 2022/23 angeboten wird, mitwirken.

Integrativ statt segmentiert

Die Forschenden begreifen den Entwurf ihres Projekts als integrativ und arbeiten entsprechend in einer interdisziplinären Gruppe von Personen aus der Architektur, dem Ingenieurswesen, den Materialwissenschaften und aus anderen Fachrichtungen. Die Expertise und das Feedback all dieser Gewerke fließen selbst in den frühen Stadien in den Entwurfsprozess ein und wirken sich somit auf das Aussehen desselbigen aus. So berücksichtigen die Forschenden beispielsweise die Materialeigenschaften der Naturfasern vom ersten Tag an und justierten ihr Design entsprechend nach. Umgekehrt wurde auch das Material an den Entwurf angepasst. Das Projektteam könne nicht einfach eine Form vorschlagen, ohne zu wissen, wie das Material in dieser Geometrie strukturell funktionieren wird, so Vanessa Costalonga Martins, eine der Projektkoordinatorinnen. Aus diesem Grund würden sie ständig in einer iterativen Schleife zwischen Design, Struktur und Material arbeiten. Diese Arbeitsweise unterscheidet das Projekt erheblich von den üblichen Arbeitsläufen in der traditionellen Forschungspraxis, die in der Regel von einer Trennung der einzelnen Gewerke gekennzeichnet ist. 

3D-gedruckte Salzkonstruktionen

Schädlicher Abfall wird zum innovativen Baumaterial

Text von Sorana Radulescu

Mit Salz wurden bereits in der Antike Konstruktionen errichtet: Im geografischen Raum Nordafrikas konnte eine Mischung aus Salz und Ton als Grundmaterial für den Bau nachgewiesen werden. Die ungefähr 2500 Jahre alte Technik scheint sich jedoch nicht etabliert zu haben und Salz verschwand regelrecht aus unserem gewohnten Baustoff-Repertoire. Aktuell gehört es zunehmend zu der Kategorie der Abfallprodukte. Die größte Abfallmenge entsteht unter anderem im Kalibergbau und in den Entsalzungsanlagen des Meereswassers, bedauerlicherweise mit schwerwiegenden Folgen für die Umwelt. Um die Problematik des umweltschädlichen Überschusses an Salz lösungsorientiert anzugehen, nimmt sich das Forschungsteam an dem Lehrstuhl für Baukonstruktion und Baustoffkunde der Technischen Universität München (TU München) vor, das Abfallprodukt in ein ökologisch wertvolles Baumaterial umzuwandeln. Der größte Nachteil von Salz ist seine Wasserlöslichkeit. Dieser Nachteil überwiegt allerdings nicht seiner äußerst positiven Eigenschaft: Die Fähigkeit Wärme und Feuchtigkeit zu speichern.

Vom Abfallprodukt zum Baustoff

Die intensive Auseinandersetzung mit Salz als Baustoff begleitet das Forschungsteam der TU München schon seit 2017. Das Projekt „Bauen mit Salz“, geleitet von Prof. Florian Musso und Vesna Pungerčar, eruierte die möglichen Vorteile des mineralischen Stoffes für den Bau. Die Erkenntnisse waren vielversprechend: Salz im Verbund wies das Potenzial auf, nicht oder langsam nachwachsende Rohstoffe, wie zum Beispiel Sand, zu ersetzen. Im ersten Versuch wurden die gängigen Bindemittel Zement und Gips gemischt. Die Forschenden suchten dabei nach dem idealen Mischverhältnis der Stoffe, welches zur Herstellung von Ziegeln dienen konnte. Das dezidierte Ziel war jedoch, den Anteil des Bindemittels zu reduzieren und demnach die Salzmenge soweit wie möglich zu erhöhen.

Die ersten positiven Ergebnisse bekräftigten das Forschungsteam in ihrem Vorhaben: Martino Hutz und Vesna Pungerčar definierten weitere Forschungsfragen, die sie im Rahmen des Projektes „3D Druck mit Salz“ weiterverfolgen konnten. Um sich den Einsatzmöglichkeiten von Salz im Bau präziser anzunähern, suchen Hutz und Pungerčar nach der idealen Technologie. Dabei richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf den 3D-Druck – ein Verfahren, das einen Nährboden für das Experimentieren mit einer Vielzahl von Rohstoffen bietet. 

Eine empirische Annäherung

Der Einsatz von Salz als Werkstoff ist noch ein Novum in der Forschung. Die hier angestrebte 3D-Druck-Technologie treibt die Innovation gleich einen Schritt weiter. Das Forschungsprojekt „3D Druck mit Salz“ baut auf einer Vielzahl an Tests und Untersuchungen auf, deren Durchführung eine schrittweise Annährung zu einem Ergebnis erlaubt hat. Dem „Trial-and-Error“-Prinzip folgend hat die Forschungsgruppe unterschiedliche Materialmischungen erprobt. Salz wurde mit Bindemitteln wie Stärke, Ton, Zement oder Gips gemischt. Die entstandenen Mischgruppen konnten die Forscher*innen vergleichend analysieren. Schlussfolgernd konnten sie feststellen, dass die Salz-Ton-Mischung das größte Potential aufwies. Auf dieser Erkenntnis baute die darauffolgende Phase des Forschungsprozesses auf.

3D-gedruckt, anschließend 3D-gescannt

Im nächsten Schritt auf der Suche nach der idealen Mischung konzentrierte sich das Team auf das genaue Verhältnis der Grundstoffe. Dieser zweite Teil der Studie erforderte Präzision, um die Rezeptur zu optimieren. Die Forschenden experimentierten mit Zusatzstoffen – Alkohol, Stärke oder Stroh –, um die physischen Eigenschaften der Mischung zu beeinflussen.

Nach zahlreichen geprüften Kombinationen kam es nun zur Auswertung der idealen Mischung. Hutz und Pungerčar nahmen das Verhalten der gedruckten Proben genau unter die Lupe. Dafür kam ein optisches 3D-Messgerät zum Einsatz, das eine hohe Scangenauigkeit ermöglichte. Die Ergebnisse der Scans, mit nachweisbaren Abweichungen im Mikrometer-Bereich, führten zur weiteren Schlussfolgerung: Die besten Ergebnisse bezüglich der Beständigkeit erzielte die Salz-Ton-Mischung in der Proportion 70 zu 30.

Der Schritt aus dem Mikrometer-Bereich zum architektonischen Maßstab

Ziel des Forschungsprojekts war es, die Anwendbarkeit des 3D-Drucks mit Salz für die Architektur zu definieren. Dafür wagt das Team den Schritt aus dem Testlabor direkt in den Seminarraum. Angepasste Lehrformate, die die Forschung begleiten, ermöglichen Studierenden ein experimentelles und gleichwohl kreatives Erforschen der 3D-Druck-Technologie mit Salz. Im Winter- und Sommersemester 2020/21 konnten sich Masterstudierende mit Salzmischungen kreativ und innovativ auseinandersetzen. In kompakten Lehrformaten wurden Zukunftsszenarien skizziert, die – über Formsprache und räumlicher Qualität hinausgehend – klimatische, gesundheitliche und technische Vorteile anstrebten.

Missing Links

Naturmaterialien verknüpfen durch 3D-Druck

Text von Johannes Medebach

Ein Forschungsprojekt an der Technischen Universität Darmstadt eröffnet uns das gestalterische Potential des Zusammenspiels von modernsten Technologien und dem, was Mutter Natur ganz bereitwillig hergibt: 2019 fand am DDU (Digital Design Unit) unter der Leitung von Prof. Oliver Tessmann und Dr. Bastian Wibranek das vielversprechende Experiment „Digital Rubble“ statt. Mithilfe von digitalen Scans, parametrischen Design Tools, Virtual Reality Programmen und dem 3D-Druck haben die Forschenden erprobt, ob man unbearbeitete Naturmaterialien so ergänzen kann, dass statisch stabile Konstruktionen entstehen. Die Extraktion und Veredelung von Baustoffen verschlingen nämlich einen nicht unbeträchtlichen Anteil an Energie und Ressourcen. Deshalb könnte das Arbeiten mit Vorhandenem und minimalinvasiven Ergänzungen eine Lösungsstrategie für nachhaltigeres Bauen sein. Darüber hinaus schlummern bis dato ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Prinzip. Als Vorläufer für die Forschungsarbeit diente das ebenfalls von Prof. Tessmann und Dr. Wibranek betreute Student-research-project „Scan-Print-Assemble“ von Timur Zhigaylo.

Digitale Steinbrocken

Ausgangsmaterial des Versuches bildeten naturbelassene Steine in  unterschiedlicher Form und Größe. Diese sollten am Ende mit 3D gedruckten Verbindungsstücken so gestapelt werden, dass ein auf Druck belasteter Bogen entsteht – und das ohne weitere Hilfsmittel wie Mörtel oder Kleber. Dazu hat das Team die Brocken zunächst fotogrammetrisch eingescannt und digital als Mesh nachmodelliert. Ein speziell dafür entwickelter Algorithmus ordnete die digitalen Steinmodelle in der sinnvollsten räumlichen Position für die gewünschte Form an. Diese konnten die Forschenden als modulierbare Kurve in das Programm einspeisen und somit aktiv bearbeiten. Durch diese gestalterische Möglichkeit unterscheidet sich das Projekt von bisherigen Versuchen, unregelmäßig geformte Materialien konstruktiv nutzbar zu machen. Im nächsten Schritt berechnete und erschuf dann der Algorithmus die Verbindungs- und Stabilisationselemente automatisch. Nach diesem digitalen Modellierungsvorgang stellte dann anschließend der 3D-Drucker die Verbindungsstücke her. Der Gewichtsunterschied zwischen den Elementen des Gefüges ist enorm: Eine bis zu 14kg schwere Steinmasse kann von einem Verbindungsteil getragen werden, das selbst nur 200 Gramm wiegt.

Virtual Reality als Navigator in der analoge Sphäre

Einen Haken hatten die im digitalen Raum erstellten Idealpositionen der Elemente jedoch: Sie sind im Analogen schwer bis kaum ausmachbar. Um die richtige Stelle der 3D gedruckten „Missing Links“ auf den unregelmäßigen Steinoberflächen zu finden, bedarf es einer Virtual-Reality-Brille. Sie überlagert beide Sphären und assistiert als „Einparkhilfe“ für das physische Zusammensetzen des Bogens. Mit zwei Personen dauert der Aufbau des Bogens so unter fünf Minuten. Die Macher*innen des Projektes ziehen ein positives Resümee aus ihrer Forschungsarbeit und sehen zukünftig Chancen, mit dieser Technologie auch andere „irregular shaped materials“ für den Bauprozess nutzbar machen zu können. Geplant ist unter anderem die Ermöglichung von komplexeren Zielformen wie etwa Schalenkonstruktionen. Neben den Bögen, exisitert bereits eine pyramidenförmige Struktur. Im Verlaufe des Projektes hat das Team  mit netzartigen Printstrukturen gearbeitet, um damit unbearbeitete Äste zu verbinden.