Eine Struktur oder gar ein Gebäude planen und bauen, von der konzeptionellen Entwicklung bis zur Ausführung – und das bereits in der Uni: Dieser Prozess wird als „DesignBuild“ bezeichnet und findet in der Architekturausbildung immer mehr Zuspruch. Durch die praktische Umsetzung konkreter Projekte sollen die Studierenden fachübergreifende Planung und handwerkliche Kompetenzen erlernen. Darüber hinaus müssen sie eigenständig Finanzierungskonzepte erstellen, logistische Aufgaben übernehmen sowie mit den verschiedenen am Prozess beteiligten Akteur*innen in den Austausch treten. Eine transdisziplinäre Lehrmethode, die Theorie, Forschung und Praxis in einem ganzheitlichen Ansatz verbinden soll und abstraktes Wissen mit realen Erfahrungen verknüpft.
Ob temporär oder dauerhaft – etwas Reales wird geschaffen, und zwar für bekannte Nutzer*innen, mit konkreten Rahmenbedingungen und reellen Konsequenzen. Trotz der positiven Aspekte und eines hohen Maßes an Engagement bringen DesignBuild-Projekte eine Vielzahl an Herausforderungen an die Lehre mit sich. Insbesondere Projekte, die bauliche Eingriffe in marginalisierten Gemeinschaften oder anderen Kulturen darstellen, können Konflikte auslösen. Eine kritische Auseinandersetzung mit sozialen und ethischen Bedenken ist daher bei diesen Beispielen unabdingbar und kann im gleichen Zuge auch Chancen für die Entwicklung der Lehrmethode bieten.
Wie sehen die Potenziale dieser praxisnahen Lehrmethode aus? Wie läuft ein DesignBuild-Projekt genau ab? Und wie übernehmen die Teilnehmer*innen Verantwortung für die entstandenen Interventionen? Unter anderem nähern wir uns diesen Fragen in den Beiträgen dieser Ausgabe. Einen Überblick dazu gab uns Ass. Prof. Peter Fattinger, der im Jahr 2000 das design.build studio an der TU Wien gegründet und die rasante Entwicklung der Lehrmethode über die letzten 23 Jahre miterlebt hat. Zu den Evaluierungskriterien und der internationalen Verbreitung der Lehr- und Architekturproduktionsmethode forscht Dr. Nina Pawlicki. Sie hat uns in dem Interview ihre persönliche Begeisterung und kritische Betrachtung der Methode vermittelt. Wie jedoch diese Prozesse an einem Lehrstuhl ablaufen und wie sich die DesignBuild-Lehre mit den Jahren verändern kann, zeigen wir anhand von zwei besonderen Lehrstühlen der Bauhaus Universität Weimar sowie der TU München.
DesignBuild im Überblick
Das design.build studio an der TU Wien
Text von Sorana Radulescu
Erste Versuche, die DesignBuild-Lehrmethode in Architekturschulen einzuführen, stammen aus den frühen 1970er Jahren in den USA. In den folgenden Jahrzehnten wandten einzelne enthusiastische Lehrende die Methode stichprobenartig an. Die letzten zehn Jahre hingegen vermerken ein exponentiell steigendes Interesse aller Beteiligten am akademischen DesignBuild. Ass. Prof. Peter Fattinger, der auf über 20 Jahren Erfahrung in der handlungsorientierten Lehrmethode zurückblickt, hat diese rasante Entwicklung miterlebt. Im Jahr 2000 gründete er das design.build studio an der TU Wien, zu einer Zeit, als das Interesse an der Durchführung von kleinen Bauprojekten im Rahmen der Architekturausbildung noch nicht so stark ausgeprägt war wie heutzutage. Inzwischen gilt er als Referenz in diesem Feld und verfügt über ein umfassendes Verständnis des DesignBuild, das es mit uns geteilt hat.
Ein internationales Netzwerk
Was als Experiment begann, entwickelte sich schnell zu einem attraktiven Lehrangebot. Um den Austausch mit Gleichgesinnten und die Institutionalisierung der Methode zu fördern, gründete Ass. Prof. Fattinger das European DesignBuild Knowledge Network und das Netzwerk Design for the Common Good mit. Die in diesem Rahmen organisierten Kongresse und Symposien sowie die gemeinsame Projektdatenbank steigerten die Sichtbarkeit und verdeutlichten die Potenziale der Methode. Gleichzeitig ermöglichte der Erfahrungsaustausch zwischen den Lehrenden zahlreiche Synergieeffekte auf europäischer und globaler Ebene.
Die Forschung über DesignBuild ist noch jung und die Methode ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend ausgewertet. Insbesondere die Auswirkung dieser Interventionen, die durch eine sogenannte „post occupancy evaluation“ geprüft werden kann, wird bisher nur selten analysiert. Ziel des internationalen Netzwerks ist es, Evaluierungskriterien zu bestimmen, um eine Vergleichbarkeit der Analyseergebnisse zu schaffen.
Von der Skizze zum fertigen Bau – Was zeichnet die DesignBuild-Lehre aus?
Das akademische DesignBuild baut auf der Idee auf, dass Gestalten und Bauen als ein ganzheitlicher Prozess erlebt werden muss. Es ist ein und dasselbe Team, das alle notwendigen Planungs- und Bauleistungen ausführt. Dies geschieht im Spannungsfeld zwischen Spontanität, Improvisation und einem starren Normen- und Regelwerk, dessen Strenge sich nach Art des Baus – temporär oder dauerhaft – unterscheidet.
Wie die Bauwerke, die Ass. Prof. Fattinger seit 23 Jahren betreut, sind die meisten DesignBuild-Interventionen gemeinwohlorientiert und haben einen sozialen Schwerpunkt. Deswegen agieren die Projekte häufig an den Stellen, an denen die Nutzer*innen einen dringenden Bedarf signalisieren. Aus dem Wunsch heraus, einen Mehrwert für benachteiligte Gruppen zu schaffen, haben zahlreiche DesignBuild-Teams im Globalen Süden agiert – eine Tendenz, die kritische Stimmen aus der Branche als postkoloniale Haltung betrachten. Wenn Peter Fattinger auf seine Erfahrungen in Südafrika zurückblickt, wo zu Beginn seiner Karriere Projekte umgesetzt hat, betont er die Vorteile der immersiven Lernerfahrung an einem für das Team kulturell fremden Ort. Dennoch hat er in den letzten Jahren eher lokal gehandelt, denn es gibt aus seiner Sicht immer und überall eine Gelegenheit, gute Architektur den Menschen näherzubringen, die auf andere Weise keinen Zugang dazu hätten.
Dies sei aber nur möglich, weil in einem DesignBuild-Unterfangen die architektonische Leistung auf einer Pro-bono-Basis erfolgt. Dafür stelle jedes Projekt nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die Lehrenden einen neuen Schritt aus der Komfortzone und damit eine bereichernde Lernerfahrung dar.
Aufgrund der überschaubaren Dauer der Projekte – der Zeitplan folgt dem Takt des Semesters oder des akademischen Jahres – fühlt sich DesignBuild wie ein Crash-Kurs an, in dem der Erwerb von Fachwissen und sozialen Kompetenzen gleichermaßen intensiv erfolgt. Die Fähigkeit zur Verhandlung in kollektiver und kooperativer Teamarbeit, die Verwaltung kleiner Budgets, der Druck enger Zeitpläne – all diese Herausforderungen müsse eine Gruppe der Teilnehmer*innen mit Begeisterung und Überzeugung meistern. Diese Art der Zusammenarbeit kann das Teamgefühl stärken und lege oft auch den Grundstein für eine spätere Bürogründung.
Die Zukunft von DesignBuild
Ass. Prof. Fattinger ist von der Relevanz der Lehrmethode überzeugt. Er hofft darauf, dass sich DesignBuild als ein bedeutender – wenn auch nicht verpflichtender – Bestandteil im Curriculum der Architekturlehre etabliert. Um dem wachsenden Interesse der Studierenden an diesem Lehrangebot gerecht zu werden, wäre es notwendig, dass die Hochschulen zukünftig die finanzielle und personelle Unterstützung für solche Vorhaben entsprechend anpassen. Letztendlich scheinen sich akademische DesignBuild-Projekte hoher Sichtbarkeit zu erfreuen und können als herausragende Beispiele für das soziale Engagement der Hochschulen fungieren.
Interview mit Dr. Nina Pawlicki über mögliche Bewertungskriterien für DesignBuild-Projekte
Interview von Sorana Radulescu und Natalie Pawlik
Ursprünglich als Reformbestreben gegen die vorherrschenden Methoden von Architekturlehre und -praxis entwickelt, ist die Lehr- und Architekturproduktionsmethode DesignBuild an internationalen Hochschulen immer weiter verbreitet. Solche Projekte suchen nach Lösungen für globale und gesellschaftliche Herausforderungen und proklamieren einen Wandel in Praxis und Lehre. Inwieweit der intendierte Wandel jedoch wirklich stattfindet, ist bisher wenig untersucht. Dr. Nina Pawlicki beschäftigt sich seit 2009 mit DesignBuild-Projekten und untersuchte in ihrer Dissertation, die sie 2020 an der TU Berlin abschloss, die Handlungsfähigkeit und Wirkung der Methode als Bewegung. Im Gespräch erzählte sie uns, wie sie zu DesignBuild gekommen ist, was sie daran besonders begeistert und welchen Aspekten der Lehrmethode sie kritisch gegenübersteht. Außerdem sprach sie mit uns über die Aufstellung möglicher Kriterien, anhand derer man DesignBuild-Projekte bewerten könnte.
Warum beschäftigen Sie sich mit dem Thema DesignBuild und welche Projekte haben Sie dazu motiviert, sich dieser Methode anzunehmen?
Im Wintersemester 2008/09 habe ich selbst als Studentin an einem DesignBuild-Projekt in Mexiko mitgewirkt. Es handelte sich dabei um ein Projekt, bei dem Studierende europäischer Hochschulen im globalen Süden bauten, was damals sehr verbreitet war. Die Projektleiterin und Dozentin Prof. Ursula Hartig hatte damals schon die Idee zu einem DesignBuild-Symposium, das ich dann zusammen mit ihr 2012 an der TU Berlin organisierte. In diesem Zuge habe ich dann auch begonnen, mich auf einer „Meta-Ebene“ mit dem Thema zu beschäftigen und die Methode kritisch zu reflektieren. Das Symposium bildete den Grundstein für das europäische Forschungsprojekt European DesignBuild Knowledge Network, in dessen Rahmen die Webplattform dbXchange.eu entstanden ist. Seit diesen Anfängen hat mich das Thema und die Herangehensweise nie so richtig losgelassen. Die Intensität und die Art der Zusammenarbeit in DesignBuild-Projekten hat mich auch als Architektin sehr geformt.
Wie sind Sie zur Lehre gekommen? Wie würden Sie Ihre Lehre beschreiben und welche Aspekte sind Ihnen besonders wichtig?
Da unsere Dozentin Ursula Hartig damals nicht mit nach Mexiko reisen konnte, haben wir Studierenden das Projekt selbstständig vor Ort umgesetzt. Zwei Jahre später hat sie mich gefragt, ob ich Interesse an einer koordinierenden Position in einem ähnlichen Projekt hätte. In diesem Zuge durfte ich ein bisschen in die Lehre reinschnuppern. Damals schon habe ich mich gefragt, warum solche Projekte so oft im globalen Süden stattfinden. Das ist ja nicht nur mit aufwändigen Reisen verbunden, sondern auch mit machtstrukturellen Fragen. Seit 2015 habe ich dann immer mehr Projekte, vor allem im Berliner Kontext initiiert und durchgeführt. Am Natural Building Lab, das ich 2017 mitgegründet habe, versuchen wir nun die DesignBuild-Methode stärker in längerfristig angelegten Reallaboren im Bauwesen anzuwenden. Den Studierenden dabei dennoch ein hohes Maß an Eigenverantwortung zu ermöglichen, ist immer wieder ein Spagat, dem wir uns gerne als Herausforderung stellen.
Worin liegt der Anreiz, DesignBuild-Projekte im globalen Süden durchzuführen? Was ist Ihre Haltung dazu?
Ich glaube, dass in den internationalen DesignBuild-Projekten sicherlich viel gut gemeinte Absicht steckt, Lebensumstände zum Positiven verändern zu wollen. Oft wird versucht, die Lösung dafür rein baulich herbeizuführen, ohne die zugrunde liegenden Strukturen in Betracht zu ziehen. DesignBuild-Projekte reproduzieren neben ihren progressiven Aspekten jedoch auch immer Machtverhältnisse. Europäische Hochschulen sollten sich dieser implizierten Verantwortung bewusst sein und die „ownership“ des Projekts sollte immer in lokaler Hand liegen. Dies erfordert eine sensible Herangehensweise und ergebnisoffene Prozesse.
In Ihrer Doktorarbeit werfen Sie einen kritischen Blick auf die Lehrmethode DesignBuild. Womit genau haben Sie sich in diesem Zusammenhang beschäftigt?
In meiner Doktorarbeit wollte ich meine gesammelten Erfahrungen reflektieren. Ich stellte mir die Frage, was eigentlich ein erfolgreiches DesignBuild-Projekt ausmacht? Geht es dabei ausschließlich um die Nutzung des fertiggestellten Projekts oder auch darum, dass die Studierenden dabei viel gelernt haben? Es gibt Projekte, die von den Nutzer*innen total gut angenommen und weiterentwickelt wurden, und dann gibt es immer wieder Projekte, die eigentlich nie genutzt wurden. Aus Sicht der Lehrenden handelt es sich bei DesignBuild ja aber auch immer um Ausbildungsprojekte und vielleicht haben die Studierenden genau in diesen zweiteren Projekten sehr viel gelernt. Ist es dennoch erfolgreich?
Wie würden Sie den „Erfolg“ eines DesignBuild-Projekts bewerten? Anhand welcher Kriterien kann man beurteilen, ob ein Projekt oder sein Format erfolgreich gewesen ist?
Mir ist es bisher nicht gelungen, eine allgemeine Matrix aufzustellen, anhand derer sich der Erfolg von DesignBuild-Projekten übergreifend bewerten ließe. Es erscheint unzureichend, auf Methoden der Evaluation von reinen Lehrveranstaltungen zurückzugreifen, wie auch auf solche für Gebäude. Für Lehrende oder Projektinitiierende ist es aus meiner Sicht wichtig, sich erstmal des Spannungsfeldes zwischen Architekturausbildung, -praxis und Gesellschaft klar zu werden, in dem die Projekte agieren. Mir erscheint es sinnvoll, von Anfang des Projekts an Parameter festzulegen, die sich an dem spezifischen Projektkontext orientieren. Anhand dieser Parameter kann später dann ein Projekt evaluiert werden und somit auch deren Erfolg bemessen werden.
Gibt es Personen, die Sie in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu dem Thema stark inspiriert haben, die Sie als Vorbilder sehen?
Mein Vorbild zu dem Zeitpunkt, als ich meine Dissertation geschrieben habe, war Ass. Prof. Peter Fattinger, weil er es irgendwie geschafft hat, auf der einen Seite selbst Projekte zu realisieren und auf der anderen Seite auch im Rahmen seiner Dissertation die Methode weiterzudenken. Genau durch solche Arbeiten hat DesignBuild noch einmal eine schärfere Profilierung bekommen.
In Ihrer Doktorarbeit eröffnen Sie das Thema einer neuen Architekturlehre. Was genau ist damit gemeint?
Die Stärke von solchen Hands-On-Projekten liegt für die Studierenden sicherlich darin, dass sie sich mit Material auseinandersetzen können und lernen, wie Details funktionieren. Vor allem aber befähigt es sie dazu, selbst Projekte durchzuführen und über die Rolle des*der Architekt*in nachzudenken – nicht nur im Studio, sondern eben auch in nicht-akademischen Kontexten. Das Verhältnis von Auftraggeber*innen, Architekt*innen und Nutzer*innen wird so erfahrbar gemacht. In der Projektauswahl ist ein sensibler Umgang gefordert, der die Rolle des DesignBuild Studios als Teil der Initiator*innenschaft anerkennt. Der implizierten Verantwortung und des damit einhergehenden Arbeitsaufwandes sollte sich bewusstgemacht werden. In den seltensten Fällen kann das von Studierenden selbst geleistet werden. Dies spricht aus meiner Sicht dagegen, DesignBuild-Projekte als ein komplett studentisch selbstbestimmtes Lehrformat durchzuführen. Vielmehr sind es die Zusammensetzung, die Expertise und die Form der Zusammenarbeit des gesamten Teams (Kernteam, zukünftiger Nutzer*innen, Unterstützer*innen und gegebenenfalls Konnektor*innen), die einen Mehrwert generieren können und somit die Handlungsfähigkeit von DesignBuild bestimmen.
Die Lehrmethode DesignBuild kann an der TU München bereits auf eine beachtliche Geschichte zurückblicken. 2007 entstand am Lehrstuhl für Architektur und Holzbau unter Prof. Hermann Kaufmann das erste von Studierenden realisierte Projekt in Johannesburg, Südafrika. Nach zahlreichen Projekten in Kenia, Kamerun, Sambia, Tansania sowie Sri Lanka und der Emeritierung Kaufmanns 2021 übernahm Prof. Florian Nagler mit seinem Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren das DesignBuild-Programm. Seit einigen Jahren werden nur noch Projekte in Deutschland realisiert.
Um einen besseren Einblick in die Ziele, Methoden und den Wandel der Lehrmethode zu erhalten, sprach baunetz CAMPUS mit Matthias Kestel. Dieser war seit 2011 zuerst als Korrekturassistent an Prof. Kaufmanns Lehrstuhl tätig und seit 2014 als wissenschaftlicher Mitarbeiter – eine Stelle, die die TU München eigens für die DesignBuild-Projekte schuf. 2021 zog er gemeinsam mit dem restlichen DesignBuild-Programm an Prof. Naglers Lehrstuhl um. Von seinen nunmehr zwölf Jahren Erfahrung mit studentischem Selbstbau konnte Kestel uns einiges berichten.
Krankenhaus in Kamerun
Eines der ersten DesignBuild-Projekte, die Matthias Kestel begleitete, war der Neubau eines OP-Traktes für ein Buschkrankenhaus in Ngaoubela, Kamerun. Der alte Operationssaal entsprach nicht mehr den hygienischen Anforderungen. Nach Abschluss der Entwurfs-, Werk- und Detailplanung im Sommer 2012 machten sich acht Studierende auf den Weg nach Kamerun. Sie errichteten den Rohbau des OP-Traktes innerhalb von sechs Wochen mithilfe einer lokalen Baufirma, die das Gebäude schließlich ohne die Studierenden fertigstellte. Vier Jahre später trat das Krankenhaus mit weiteren Aufgaben an den Lehrstuhl heran: Der Neubau von Unterkünften für die Angehörigen der Patient*innen, der Umbau des alten Operationssaals in eine Notfall- und Intensivstation, sowie der Neubau eines Empfangs- und Eingangsgebäudes. Nach einer Planungsphase in München erfolgte die Umsetzung in Kamerun abermals mit der Unterstützung von lokalen Handwerker*innen.
Musterwohnung in München
Mit einer Veranstaltungsreihe wollte die Wohnbaugenossenschaft „Kooperative Grossstadt“ auf die Potenziale wenig genutzter Orte wie den St.-Quirin-Platz in München aufmerksam machen. Als erstes Selbstbauprojekt des Lehrstuhls für Entwerfen und Konstruieren von Prof. Nagler entstand so ein 1:1 Mock-Up einer Musterwohnung, die der Genossenschaft als Ort für Diskussion, Kunst, Nachbarschaft und Beteiligung diente. Gleichzeitig sollte die Wohnung als architektonische Vision auf die mögliche Entstehung eines genossenschaftlichen Wohnungsbaus am St.-Quirin-Platz hinweisen. Nach einer Entwurfsphase wurde das vielversprechendste Projekt zur Umsetzung ausgewählt und schließlich im September 2021 von Studierenden der TU München fertiggestellt.
Soziale Verantwortung übernehmen
Sowohl im globalen Süden als auch in Deutschland besteht der Anspruch der Münchner DesignBuild-Lehre an eine soziale Komponente der Projekte. In Afrika oder Asien sollen die Studierenden mit hochwertiger Gestaltung, innovativen Konstruktionsmethoden und nachhaltigen Materialien einen Beitrag für die zukünftige Entwicklung der Länder leisten. Jedoch profitiert nicht nur die lokale Bevölkerung vom interkulturellen Austausch und Wissenstransfer. Die mehrwöchigen Aufenthalte in einem anderen Kulturraum können für die angehenden Planer*innen zu einer intensiven Erfahrung werden, die einen positiven Einfluss auf ihre Persönlichkeitsentwicklung hat. Nichtsdestotrotz sehen sich DesignBuild-Projekte in Ländern des Globalen Südens einigen Kritikpunkten ausgesetzt. Es besteht beispielsweise der Vorwurf, dass zum Teil fehlende Regulierungen ausgenutzt werden, um unerfahrenen Studierenden die Möglichkeit zum Bauen zu geben. Außerdem verursachen Flüge von Europa in die Länder, in denen gebaut werden soll, einen enormen CO₂-Ausstoß. Aus diesen Gründen setzt die DesignBuild-Lehre der TU München seit einiger Zeit ausschließlich Projekte in Deutschland um.
Laut Matthias Kestel sind Selbstbauprojekte in Deutschland anderen Herausforderungen ausgesetzt als solche in asiatischen oder afrikanischen Ländern. Zum Beispiel müssen unterschiedliche Akteur*innen eingebunden und koordiniert werden. Dennoch sind die Lernerfolge groß: Studierende müssen Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen, entdecken neue Talente und Qualitäten an sich selbst, müssen Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen umgehen – auch in Deutschland.
Der Lehrstuhl für Konstruktives Entwerfen und Erproben (KEE) an der Bauhaus Universität Weimar proklamiert eine ganzheitliche Herangehensweise an die Architekturlehre, die über das reine Entwerfen hinausgeht. Prof. Stephan Schütz, Julius Tischler und Kassandra Löffler stellen in ihrem interdisziplinären Ansatz praktische Erfahrungen und gesellschaftliche Mitgestaltung in den Fokus. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den DesignBuild-Projekten, die einen zentralen Bestandteil der Lehrpraxis ausmachen. Hier haben die Studierenden die Möglichkeit, in Teams an der Planung und Konstruktion von Bauwerken im Maßstab 1:1 mitzuwirken. Der Lehrstuhl legt dabei Wert auf nachhaltige Bauweisen und den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen.
Vom Entwurf bis zum Bau
Am KEE machen DesignBuild-Projekte einen großen Teil der Lehre aus – Eine enge Verknüpfung von Theorie und Praxis prägt hierbei die Abläufe. Zu Beginn des Semesters erhalten die Studierenden eine Aufgabenstellung für ein umzusetzendes Projekt. Diese umfasst meist entweder die Zusammenarbeit mit gemeinwohlorientierten Organisationen für eine dauerhafte Struktur oder temporäre Objekte für den Campus. Die Studierenden entwickeln im ersten Schritt individuell oder in der Gruppe Entwürfe, von denen die besten drei Arbeiten bei einem hochschulinternen Wettbewerb ausgewählt werden.
Neu zusammengesetzte Gruppen arbeiten an den Projekten im Detail weiter. Es folgt ein weiterer Auswahlprozess in der Gemeinde vor Ort oder mit den Bauherr*innen, bei dem unter Berücksichtigung ortsspezifischer Kriterien wie dem Unterhalt und Betrieb des Bauwerks, ein finaler Entwurf ausgewählt wird. Die Herstellung der Bauteile findet größtenteils in den Werkstätten der Universität statt, wobei die Koordination der Bauprozesse, die Beschaffung von Materialien und die Organisation der Logistik von den Lehrenden unterstützt werden.
Während der Bauzeit sind die Studierenden aktiv auf der Baustelle vertreten und setzen ihr erlerntes Wissen in die Praxis um. Der Lehrstuhl betrachtet die Einbindung und Partizipation der Ortsgemeinde als unverzichtbar für die Annahme eines entstehenden Gebäudes. Die enge Zusammenarbeit zwischen Studierenden, Lehrenden und den Projektpartner*innen fördert die ganzheitliche Erfahrung sowie einen interdisziplinären Ansatz, der über den Universitätsalltag hinausreicht.
Über Chancen und Herausforderungen
DesignBuild-Projekte haben einen großen Umfang – vom Entwurf bis hin zur baulichen Umsetzung. Das stellt sowohl Studierende als auch Lehrende vor eine Vielzahl von Herausforderungen. Eine besondere Schwierigkeit für die Studierenden liegt oftmals darin, ihre gestalterischen Ansprüche mit den realen Bauanforderungen zu vereinen. Außerdem müssen die angehenden Architekt*innen unter Umständen eigene Ideen verwerfen, um einen anderen, ausgewählten Entwurf weiterzuentwickeln. Die Teams der ausgewählten Projekte lernen im Zuge dessen, Aufgaben zu delegieren und als Projektleiter*innen zu fungieren, indem sie Entwurfsvorschläge annehmen müssen. Einzelne Arbeitsschritte der Studierenden werden parallel von den Lehrenden koordiniert und begleitet.
Besonders in der intensiven Bauphase erfordern diese Projekte einen erheblichen Zeit- und Ressourceneinsatz. Die Koordination von Teams, die Materialbeschaffung und die Kommunikation mit Projektpartner*innen erfordern ein hohes Maß an Flexibilität. Trotz der anspruchsvollen Herausforderungen sind diese Projekte für alle Beteiligten wertvolle Erfahrungen, die zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung beitragen. Studierende sollen lernen, ihre gestalterischen Ideen umzusetzen und gleichzeitig Einblicke in den Bereich des nachhaltigen und sozialen Bauens zu werfen. Durch die praktische Umsetzung müssen sie sich mit den realen Gegebenheiten auseinandersetzen und ihre Entwürfe an die Erfordernisse des Bauvorhabens anpassen. Dem Team des KEE ist die enge Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Lehrenden besonders wichtig, da nur so ein dynamischer Austausch von Ideen und besonders Soft-Skills in der Teamarbeit gefördert werden kann.
Vom „Festzelt“ und „Traumschüff“
Eine Reihe an praktisch umgesetzten Projekten trägt das KEE bereits in seinem Portfolio. Die Bandbreite der Studierendenprojekte erstreckt sich von temporären Objekten für den Campus bis hin zu dauerhaft genutzten Bauwerken für öffentliche Einrichtungen. Ein Beispiel ist die Freibad-Kolonnade in Rippershausen, Südthüringen. Ursprünglich aus einem studentischen Wettbewerb hervorgegangen, entstand die Idee eines verbindenden Elements zwischen Ort und Freibad. In zwei Bauabschnitten umgesetzt, fungiert die Kolonnade nun als dauerhaftes Zentrum für die Dorfgemeinschaft, als „Festzelt“ für Kulturfestivals und als Ort für private Feiern.
Ein weiteres Projekt war der Baldachin für die Stadtmitte Teuschnitz im Sommersemester 2018. Die Studierenden entwickelten einen Holzpavillon, der als Treffpunkt für Jugendliche dienen und den Dorfplatz aktivieren soll. Hierbei spielte die Verbindung von Architektur und Natur eine zentrale Rolle.
Besonders unkonventionell war hingegen das Projekt „Traumschüff“ im Sommersemester 2017. In Zusammenarbeit mit der ersten Theatergenossenschaft Deutschlands, der Traumschüff e.G., wurde eine schwimmende Bühne mit einer Wohneinheit für Schauspielende entwickelt. Das Hausboot reist seither auf den Flüssen Deutschlands und ermöglicht Theateraufführungen an ungewöhnlichen Orten, die sonst nicht erreichbar wären.
Diese vielfältigen Projekte demonstrieren nicht nur das kreative Potenzial der Studierenden, sondern auch den Beitrag des Lehrstuhls zur Förderung von gemeinwohlorientierten und innovativen Bauvorhaben. Die Verbindung von praxisorientiertem Entwerfen, sozialem Engagement und nachhaltigem Bauen macht den Lehrstuhl zu einem Ort, an dem Hands-on-Methoden und gesellschaftliche Mitgestaltung im Mittelpunkt stehen.
Collage, Rendering, Fotomontage – Ideen entstehen im Kopf und müssen visualisiert werden, um sie greifbar werden zu lassen. Strich für Strich oder Pixel für Pixel wird sichtbar, was zuvor lediglich vor dem inneren Auge schwebte. Aber was verbirgt sich zwischen den Linien und Ebenen? Visualisierungen vermitteln über das Sichtbare hinaus zumeist auch ein Gefühl, eine gewisse Atmosphäre und dadurch auch einen wesentlichen Teil eures Konzeptes.
Ob eine begrünte Fassade mit belebten Bienenkästen, ein von Staffage überfüllter Marktplatz im städtebaulichen Entwurf oder der Blick aus dem Innenraum eures Museums auf den nebligen See: Wir suchen in unserem Call for Visualizations #4 nach der Atmosphäre in euren Arbeiten. Das Format ist uns weniger wichtig als das Gefühl, das darin transportiert wird.
Schickt uns bis zum 11. Februar 2024 eure Visualisierungen. Dabei kann es sich um eine einzelne Arbeit oder eine Serie von maximal vier Abbildungen handeln. Bitte stellt zudem in zwei bis vier Sätzen den Bezug zum Thema des Calls dar und schildert eure Einreichung in Kürze.
Dieser Aufruf wird von Enscape CHAOS unterstützt. Die drei Gewinner*innen erhalten jeweils eine Jahreslizenz im Wert von über 100 Euro. Unsere baunetz CAMPUS Jury wählt die drei aussagekräftigsten Beiträge aus.