Architekturwoche in München: raus aus der Uni, hinein ins Stadtleben

Ins Gespräch kommen – das war das erklärte Ziel der siebten Architekturwoche in München. Drei Lehrstühle der Technischen Universität München beteiligten sich an dem facettenreichen Programm. Ihre Studierenden mischten mit und schufen Orte, an denen über vielfältig nutzbare, klimafreundliche und autofreie Stadträume diskutiert wurde.

2002 initiierte der Bund der Architekten Bayern (BDA) die erste Architekturwoche in München mit dem Ziel, Themen rund um Architektur einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Seit 2004 wird die Architekturwoche bayernweit, an wechselnden Orten in allen BDA-Kreisverbänden, veranstaltet. Die siebte Architekturwoche fand vom 25. Juni bis 01. Juli 2022 unter dem Titel „Stadt:Leben“ statt. Neben der „Zentrale“ am Isartor gab es 32 weitere Schauplätze – die „Satelliten“ – verteilt über die Stadt und Orte in der Region.

An den Satelliten konnten Interessierte beispielsweise Ausstellungen und Präsentationen besuchen, an Installationen werkeln, bei Stadtspaziergängen mitlaufen und an Diskussionen teilnehmen. Außerdem konnten sie mit den Gestalter*innen der Stationen und Aktionen – lokalen Stadtplaner*innen und Architekt*innen, stadtpolitisch aktiven Kollektive, Handwerksschüler*innen aus dem Münchner Umland und Studierenden der Technischen Universität München (TUM) – ins Gespräch kommen. Im Fokus standen Themen wie bezahlbarer Wohnraum, Mobilität, Klima und Pflanzen, Kommodifizierung von Stadträumen und Beteiligungsprozesse bei Stadtentwicklungsprojekten.

Zentraler Pavillon aus Bauzäunen „gewebt“

Das im Osten der Altstadt gelegene Isartor war zentraler Treffpunkt der Architekturwoche, an dem Fachvorträge, Diskussionsforen, Musik- und Filmveranstaltungen besucht werden konnten. Die dafür nötige, vielseitig nutzbare Pavillonstruktur wurde im Wintersemester 2021/2022 an der TUM entwickelt. Dort führte der Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren von Prof. Florian Nagler das Seminar „2B+ Bar, Bühne und mehr“ durch. In einem kleinen Wettbewerb wurde schließlich der Vorschlag von Kilian Jungel und Tim Schellhammer ausgewählt und zur Architekturwoche umgesetzt. Der von ihnen entworfene Pavillon bestand aus in Fünfer-Paketen geschichteten Bauzäunen – inspiriert davon, wie sie auf Baustellen transportiert und gelagert werden. Die je nach Blickwinkel dicht oder locker gewebt erscheinenden Wandelemente setzten die beiden Studenten ein, um eine Raumfolge im Hof des Isartors zu umfassen. Durchgänge schufen sie, indem sie Zaunpakete stapelten. Abends tauchte eine Lichtinstallation vom Planungsbüro Atelier Hybride das Isartor und den Pavillon in tiefes Rot.

Straßenexperiment: In Zukunft autofrei? 

Welche räumlichen Möglichkeiten eröffnet die beabsichtigte Mobilitätswende für die Freiräume der Altstadt? Dieser Frage gingen die Studierenden am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und öffentlichen Raum von Prof. Regine Keller in den vergangenen zwei Semestern nach. Für die Architekturwoche errichteten die Studierenden im Sommersemester 2022 die Installation „Hacken:Platz“, die einen Knick in der Hackenstraße, einem der noch befahrbaren Seitenarme der Fußgängerzone, besetzte. Dazu bauten sie im Rahmen der Lehrveranstaltung „studio1zu1“ aus neuen und wiederverwendeten Paletten, Bauzäunen, Planen und Dachlatten temporäre Sitzmöbel, Ausstellungswände und baumgroße Klappschirme. Die temporäre Freiluftausstellung zeigte die Studienarbeiten des Wintersemesters 2021/22. Mit Ausstellung beabsichtigten die Studierenden mit Besucher*innen über Visionen für eine klimagerechte und autofreie Münchner Altstadt ins Gespräch kommen.

Aktionen statt Formen entwerfen

„Stadt:Lehren“ hieß der Satellit, den Studierende der „Interventionsklasse“ der Professur für Urban Design von Prof. Benedikt Boucsein gestalteten. Das besondere Studienformat bietet der Lehrstuhl all jenen an, die in einer freien Bachelorthesis an die Forschungsthemen der Professur anknüpfen möchten. Ein Teil der Arbeit kann dabei schriftlich sein, vor allem aber sollen die Studierenden im Stadtraum agieren, beispielsweise in Form von subtilen baulichen Eingriffen, Performances, Installationen oder Ausstellungen. Während der Architekturwoche gestaltete die Klasse ein Programm rund um die Architekturgalerie München, dem „Bunker“, und errichtete dazu eine Pavillonlandschaft aus Bauzäunen, Teppichen und verschiedenen Sitzgelegenheiten.

Zum Start eröffneten die Studierenden ihre Ausstellung „Potential Of The Streets“, bei der es um die menschen- und klimafreundliche Umgestaltung von städtischen Verkehrsflächen ging. Mitmachen und Mitdiskutieren hieß es an den nachfolgenden Tagen, bei einem Töpferkurs, Werkstätten für Modellbau und einem „Selbstverteidigungskurs“ gegen diskriminierende Sprache in der Hochschullehre. Mittendrin präsentierten die BauArtUni, die Intervention Kepos und der Chair of Unlearning ihre Ideen.