Von Rom nach Riga: Ein saisonaler Pavillon auf Reisen

Einen langen Weg hat der „Saisonale Salon“ von Studio Susanne Brorson vor sich. Bei jedem Zwischenstopp erhält das experimentelle Bauwerk eine neue Gebäudehülle aus regionalen, nachwachsenden Rohstoffen.

Wer von Rom über Stuttgart nach Riga reist, braucht mehrere Outfits für die verschiedenen Klimazonen im Gepäck. Selbiges gilt für den „Saisonalen Salon“ – ein hölzerner Pavillon von Studio Susanne Brorson, der im Rahmen eines Stipendiums an der Villa Massimo in Rom in Zusammenarbeit mit Studierenden der Università degli studi di Roma Tre entstanden ist. Je nach Wetterlage kleidet sich das kleine, auf Pontons gelagerte Bauwerk in lokale, biogene Materialien wie Gräser, Schilf, Seegras und Reet. Enden soll die lange Reise des Pavillons in Riga. Auf dem Zunda-Kanal zwischen den beiden Architekturfakultäten der ortsansässigen Universität soll er Teil eines „Floating Campus“ werden.

Experimenteller Pavillon

Befreit von Regulierungen und Auflagen, bieten Pavillons das ideale Experimentierfeld für neue Werkstoffe und Bauweisen. In der Lehre ermöglichen diese temporären Strukturen Studierenden, im realen Maßstab zu bauen. Der „Saisonale Salon“ thematisiert eine Facette der Kreislaufwirtschaft, die in der Bauindustrie wenig Beachtung findet. Während Zirkularität in der Baubranche in erster Linie die Wiederverwendung von ausrangierten Baustoffen meint, liegt der Fokus des hölzernen Pavillons auf die Nutzung von Bioabfällen. Das kompakte Bauwerk erforscht die Eigenschaften biobasierter Materialien, ihre traditionelle Verarbeitung und die notwendigen Handwerkstechniken. Dafür errichtete die Architektin Susanne Brorson mit ihren Studierenden an der Deutschen Akademie der Villa Massimo in Rom zunächst eine drei Meter hohe Holzstruktur auf einem Grundriss von 15 Quadratmetern, die je nach Standort mit regionaltypischen Materialien verkleidet werden kann.

Lokale Fassadenverkleidung

In Rom erhielt der modulare Pavillon eine Fassade aus einem Gras, das in der Region traditionell für Dächer verwendet wurde. Die Studierenden arbeiteten mit lokalen Grasdachdecker*innen zusammen, mit denen sie das pflanzliche Material ernteten. Außerdem kamen für die Gebäudehülle Riesenschilf und jede Menge Grünschnitt aus dem Park der Villa Massimo zum Einsatz. Riesenschilf ist eine invasive Art, die einheimische Pflanzen verdrängen und ökonomische sowie gesundheitliche Schäden verursachen kann.

Die erste Zwischenstation des „Saisonalen Salons“ war Stuttgart. Hier führte Prof. Andrea Klinge vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit ihren Studierenden einen DesignBuild-Workshop durch. In diesem Zuge bekam der Pavillon sein süddeutsches „Sommerkleid“ verpasst: eine Fassade aus Seggengräsern, Binsen und Schilfgras von wiedervernässten Flächen nahe des Murnauer Moors. Unterstützt von dem Kollektiv Frugal Bauen experimentierten die Studierenden mit Knoten- und Flechtverbindungen aus den jeweiligen Materialien. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei der Stiftung Kunst und Natur in Nantesbuch reist der Pavillon im Oktober weiter nach Rügen. Dort soll es in Zusammenarbeit mit dem Greifswalder Moorzentrum ein „Winterkleid“ aus Seegras und Reet erhalten. Anschließend wird der Pavillon endlich zu Wasser gelassen.

Endstation Riga

Im Frühjahr 2025 soll die Reise des schwimmenden Pavillons in Riga enden. In der lettischen Hauptstadt gibt es zwei Universitäten mit Architekturfakultäten: die Riga International School of Economics and Business Administration (RISEBA) und die Technische Universität Riga (RTU). Die Fakultäten sind an gegenüberliegenden Ufern des Zunda-Kanals gelegen. Um deren Verbindung zu stärken, entsteht hier die „Riga Floating Bridge“, ein schwimmender Campus ähnlich der Floating University in Berlin. In diesem von der Sto-Stiftung geförderten Projekt soll der „Saisonale Salon“ seine Heimat finden.