Vom Wert gebrauchter Bauteile: Das Kollektiv Baukreisel

Gebrauchte Bauteile bergen ein gewaltiges Potenzial. Das Kollektiv Baukreisel erforscht Mittel und Wege, wie man daraus für die Baubranche schöpfen kann.

Ausrangierte Bauteile gibt es in Hülle und Fülle. Den Weg zurück in den Kreislauf findet jedoch nur ein Bruchteil. Daran möchte das 2022 gegründete Kollektiv Baukreisel etwas ändern. Das 16-köpfige interdisziplinäre Team von Architekt*innen, Sozialwissenschaftler*innen, Ökonom*innen und Jurist*innen macht sich dafür stark, die Wiederverwendung ganzer Bauteile voranzutreiben. Was mit dem Upcycling ausgedienter Türen begann, entwickelte sich zu diversen Lehrformaten und Forschungsprojekten.


Aus Tür wird Tisch

Startschuss für ihre Arbeit, die das Kollektiv selbst als „kreativen Aktivismus“ bezeichnet, gab 2021 die Generalsanierung eines Schulcampus aus den 1960er-Jahren in der Nähe von Freiburg. Dabei wurde eine Menge Material abgerissen, das auf der Mülldeponie landen sollte – darunter auch verschiedenfarbige Türen mit Zargen aus Tropenholz. Aus dem Ärger über den Umgang mit dem Material ist ihr erstes Projekt entstanden: Sie bewahrten die Türen vor der Tonne und entwarfen und realisierten daraus eine Möbelkollektion mit Tischen, Bänken und Hockern.  


Von Wulfen nach Venedig

Es folgten weitere Projekte, darunter mehrere Sommerschulen. Im August 2022 organisierten sie gemeinsam mit dem Verein Ruhrmoderne und dem Referat für Stadtverbessung* die Sommerschule „Stimmen und Steine“ in Wulfen. Hier setzten sie sich mit dem materiellen und immateriellen Erbe der Ladenpassage von Josef Paul Kleihus auseinander, die mittlerweile abgerissen wurde. In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Nachhaltiges Bauen des KIT veranstaltete Baukreisel einen Ausbau-Workshop auf einem Schulcampus in Ditzingen. Das dort gesicherte Material kam auf dem Seekult Festival 2022 in Form einer weiteren Möbelserie zum Einsatz. Im Rahmen des Programms „Maintenance 1:1“ des Deutschen Pavillons auf der Architektur-Biennale fand die zweite Sommerschule 2023 in Venedig statt. In Kooperation mit dem KOEN Institut der TU Graz und dem Fachgebiet für Nachhaltiges Bauen des KIT in Karlsruhe wurde der Workshop entwickelt und durchgeführt. Innerhalb weniger Tage entwarfen und realisierten sie gemeinsam mit Architektur-Studierenden aus Karlsruhe, Graz und Venedig einen Mehrzweckraum mit Bartresen für die Kunstgalerie Spazio Punch auf der Giudecca.


„reuse.matters“

Neben Sommerschulen, Workshops und anderen Lehrformaten arbeitet das Kollektiv an ihrem Langzeitprojekt „reuse.matters“. Erklärtes Ziel des Projekts ist die Entwickelung implementierbarer Prozessbausteine für das zirkuläre Bauen. Wie können rückgebaute Materialien möglichst unkompliziert wieder in den Kreislauf geführt werden? Wie müssen die Rahmenbedingungen angepasst werden, damit dies zum Standard wird? Im Fokus ihrer Forschungen stehen Bauteile, deren Produktion besonders vieler Ressourcen bedarf: Fenster, Beton und Gebäudetechnik. In den Reallaboren „concrete.matters“, „window.matters“ und „system.matters“ erarbeiten sie optimale Nachnutzungen für jedes Material.  Eingebettet in dieses Langzeitprojekt ist auch ihre Fellowship mit Bauhaus Erde und Experimental. Untersuchungsgegenstand der Zusammenarbeit ist das Gebäude des ehemaligen Max-Planck-Instituts in Dortmund: Ein Hochhaus aus den 1950er-Jahren, das teilweise rückgebaut werden soll. Inspiriert durch dieses Beispiel wird erprobt, wie rückgebaute Betonstrukturen als Elemente in neuen Bauwerken zum Einsatz kommen kann.


Workshop in Wuppertal

Wenn die Lehr- und Forschungsarbeit von Baukreisel euer Interesse geweckt hat, könnt ihr im Rahmen unserer Sommerschule mit dem Kollektiv zusammenarbeiten. Vom 11. bis 18. September 2024 findet unsere zweite Sommerschule „Wert der Dinge“ in Wuppertal statt, die wir gemeinsam mit Prof. Jan Kampshoff sowie V-Prof. Marc Günnewig, Prof. Karsten Voss und Katharina Simon von der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der Bergischen Universität Wuppertal organisieren. Architekturinteressierte Studierende dürfen sich erneut auf ein abwechslungsreiches Programm mit Workshops, Vorträgen, Abendgesprächen und Exkursionen freuen. Bewerben könnt ihr euch bis zum 14. Juli 2024.