Schindeln aus Papier: Das Seminar „Schinderei“

Architekturstudierende experimentierten mit der Herstellung von Schindeln aus papierbasiertem, in Formen gepresstem Fasermaterial.

Mit dem übergeordneten Ziel, neuartige nachhaltige Baustoffe für die Bauindustrie zu erschließen, behandelt das Fachgebiet Plastisches Gestalten (FGPG) an der Technischen Universität Darmstadt (TU Darmstadt) in seinen Lehrveranstaltungen unkonventionelle Materialien und deren Herstellungs- und Bearbeitungsmethoden. Im Rahmen des Forschungsschwerpunkts Bauen mit Papier hat es sich zur Aufgabe gemacht, beispielhafte Anwendungen für Papier als recyclefähiges und nachwachsendes Material zu untersuchen. In diesem Rahmen fand im Sommersemester 2023 das Seminar „Schinderei“ statt, das von Prof. Ariel AuslenderNina Christl und Jannis Protzmann geleitet wurde.

Vom Konzept zur Ausführung

Materialexperimente, Konzeption und Gestaltung, Form- und Werkzeugbau, Pressvorgang, Optimierungsversuche und Installation an Dächern oder Fassaden: Das Seminar umfasste den gesamten Herstellungsprozess der Schindeln. Ziel war es, die für gewöhnlich zweidimensionalen Deckungen zu dreidimensionalen Fassadenelementen weiterzuentwickeln. Die so entstandenen vielfältigen Schindeln ähneln zwar prinzipiell ihren hölzernen Verwandten, das Pressverfahren lässt jedoch einen größeren Spielraum an Farben und Formen zu. Neben dem Bau eines Fassadenausschnittes war auch die Planung einer Ecklösung gefordert.

Um Eigenschaften  wie Stabilität, Schwindverhalten, Brand- und Feuchteschutz zu verbessern, testeten die Studierenden außerdem verschiedene Papierzuschläge. Damit wurden sie dem Teilprojekt Papier+ des Forschungsschwerpunkts gerecht, das die Kombination von Papierwerkstoffen mit anderen Materialien wie beispielsweise Lehm untersucht. Auf diese Weise könnte beispielsweise eine Antwort auf die noch offene Frage gefunden werden, wie papierbasierte Materialien in von der Witterung beeinträchtigten Anwendungsbereichen genutzt werden können.  

Symbiotischer Austausch

In Lehrveranstaltungen des FGPG können Architekturstudierende von den Vorgängen und Erkenntnissen aus der Forschung profitieren. So werden sie für nachhaltige Baustoffe im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sensibilisiert, an experimentelle Forschungsmethoden herangeführt und können im Maßstab 1:1 mit Materialien arbeiten. Gleichzeitig kann sich auch die Forschung Ergebnisse aus studentischen Arbeiten zunutze machen und Impulse für Lösungsansätze erhalten. Im Anschluss an das Seminar wagten einige Studierende selbst den Schritt in das wissenschaftliche Arbeiten. So wollen sie die vielversprechendsten Erkenntnisse der Lehrveranstaltungen im Rahmen einer Forschungsarbeit des Masterstudiums vertiefen. Womöglich können sie in diesem Rahmen auch industrielle Fertigungsweisen entwickeln, um eine Anwendung in größerem Maßstab denkbar zu machen.