Mit Würde trotz widriger Umstände: Das „Project: Unity!“

In Zusammenarbeit mit dem Kyiver Architekturbüro Balbek Bureau rief der BDB Studierende der Uni Kassel, TH Lübeck und TU Darmstadt dazu auf, modulare Unterkünfte für ukrainische Geflüchtete zu bauen. Die Entwürfe werden bis zum 8. Juli im Rahmen des Hamburger Architektursommers präsentiert.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges haben unzählige Menschen in der Ukraine ihre Heimat verloren. Möglichst schnell müssen ihnen jetzt Notunterkünfte bereitgestellt werden. Die naheliegende Lösung sind oft Container, die mit menschenunwürdigen Bedingungen einhergehen. Eine Alternative zeigt das von Slava Balbek gegründete Kyiver Architekturbüro Balbek Bureau mit dem Projekt „Re:Ukraine Housing“. Unter dem Motto „Dignity no matter what“ entwickelte es ein System an Werten und Prioritäten, das ein angemessenes, temporäres Wohnen für Geflüchtete gewährleisten soll. Grundlage bildete die Analyse von über zwanzig realisierten modularen Unterkünften aus verschiedenen Ländern. Der entstandene Baukasten setzt sich aus drei Leitsätzen mit jeweils drei untergeordneten Prinzipien zusammen: Funktion (Modularität, Möglichkeit der Skalierbarkeit, Flexibilität), Empathie (Würde, Sozialisierung, Komfort) und Technik (Geschwindigkeit, Budget, Ressourcen). In einem Pilotprojekt, das momentan in der Nähe von Kyiv gebaut wird, möchte Balbek Bureau die verschiedenen Prinzipien testen und Feedback von den Bewohner*innen einholen, um das System weiter zu optimieren.

Lernen und helfen

Als Zeichen der Solidarität Deutschlands mit der Ukraine hat es sich der BDB (Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure) zur Aufgabe gemacht, modulare Unterkünfte nach der Idee von Balbek Bureau in die Tat umzusetzen. Unter dem Titel „Projekt: Unity!“ unterstützte der Verband drei interdisziplinäre studentische Teams der Uni Kassel, der TH Lübeck und der TU Darmstadt beim Bau von drei Grundmodulen. In einem zweiten Schritt sollten die Studierenden ein Wohnkonzept entwickeln und eine Inneneinrichtung realisieren, die den Bedürfnissen der Bewohnenden entsprechen. Das Motto „Students, drop your pencils! Unite! And rebuild!“ macht die Absicht des Vorhabens deutlich. Studierende haben die Möglichkeit, Werkerfahrungen zu sammeln, eigene Ideen umzusetzen und mit Partner*innen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenzuarbeiten – und das alles für einen guten Zweck. Die fertigen Module inklusive Möbel werden bis zum 8. Juli 2023 im Rahmen des Hamburger Architektursommers ausgestellt. Im Anschluss sollen sie demontiert und in die ukrainische Stadt Lwiw transportiert werden, um dort zum Einsatz kommen. Initiiert wurde das Projekt von den Architekten Florian Müller und Stefan Gruthoff, für das Projektmanagement ist Thomas Bussemer zuständig.

Geborgenheit und Effizienz

Am Fachbereich Bauwesen der TH Lübeck fertigten Studierende unter der Betreuung von Prof. Dipl.-Ing. Stefan Wehrig und Stefan Gruthoff Entwürfe mit einem besonderen Augenmerk auf die Gestaltung der Fassade und des Innenraums an. Im Rahmen eines Wettbewerbs wählte die Jury für die Realisierung die Idee von Johanne Lüdemann und Fynn Eric Schaper aus, die besonders sensibel auf das Bedürfnis der Geflüchteten nach Geborgenheit eingingen. Das Team konzentrierte sich nicht nur auf räumliche Qualitäten, sondern analysierte auch Baukosten, verschiedene Varianten von Dämmstoffen und technischer Gebäudeausrüstung im Hinblick auf unter anderem ökologische Aspekte.

Mehr Modularität

Das Team der Fachschaft FB14 (Bau- und Umweltingenieurwesen) an der Uni Kassel setzt sich als einziges ausschließlich aus Studierenden zusammen. Diese entschieden sich, den Entwurf von Balbek Bureau noch weiter zu modularisieren. Wände und Decken sollen getrennt voneinander gebaut und erst am Standort zusammengefügt werden. So können sich einerseits Kleinbetriebe entscheiden, mit einem Teilmodul die Menschen in der Ukraine zu unterstützen. Andererseits lassen sich mit zunehmender Modularität insgesamt mehr Module pro LKW transportieren. Die Umsetzung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem BuBiZA (Bundesbildungszentrum des Zimmerer- und Ausbaugewerbes).

Bauen mit Papier

Für den Entwurf der TU Darmstadt war das FGPG (Fachgebiet Plastisches Gestalten) verantwortlich, dessen Fokus auf dem Entwerfen mit plastisch formbaren Materialien liegt. Neben der Arbeit mit modellierbaren Baustoffen wie Ton, Gips, Beton oder Lehm bildet seit 2012 das Bauen mit Papier einen Forschungsschwerpunkt. Ziel ist es, herauszufinden, wie Papier als Werkstoff für das Bauen eingeführt werden kann. Auch beim „Project: Unity!“ wollte das von Prof. Ariel Auslender geleitete Fachgebiet diese Expertise einbringen. Neben der Herstellung des hölzernen Moduls entwarfen die teilnehmenden Studierenden auch einen Aufsatz aus Papierwerkstoffen.