Ice, Ice, Baby! Wenn Eis essen zur Architektur wird
Architektur und Gelato? Eine unterschätzte Kombi. Dass eine Eisdiele nicht nur kulinarisch, sondern auch architektonisch bereichernd ist, zeigen vier Projekte.

Es ist Juli, die Sonne brennt, 30 Grad – und es wird noch heißer. Was hilft? Ein kaltes Eis. Aber eine Eisdiele ist weit mehr als ein Ort für den kleinen Genuss. Sie ist ein sozialer Treffpunkt und ein Raum der Begegnung. Dennoch bleibt sie architektonisch oft unterschätzt. In diesem Artikel stellen wir vier Projekte vor, die Lust auf Eis – und gute Architektur – machen: Ein solarbetriebener Holzpavillon in der Schweiz verbindet Nachhaltigkeit mit sozialem Austausch. Eine soziologische Analyse in Berlin zeigt, wie sich die Eisdiele als städtischer Mikrokosmos lesen lässt. In einem Entwurf für Köln wird das Eis im Innenraumdesign zur Hauptfigur. Und in der Schweizer Ortschaft Mulegns entsteht eine experimentelle Alpenscheune mit Gelateria.

Sorollo: Solar-Pavillon mit Glacéwagen auf dem Campus
In der Schweiz gibt es erstaunlich wenige italienische Eisdielen. Ein Umstand, der Prof. Anna Jessen von der Ostschweizer Fachhochschule (OST) zu einem studentischen Wettbewerb inspirierte. Das Ergebnis: der Sorollo-Pavillon, ein Holzbau, der an einen alten Eisenbahnwagen erinnert. Studierende errichteten in Zusammenarbeit mit Blumer Lehmann AG und 3S Swiss Solar Solutions AG auf dem Campus Rapperswil einen energieautarken Bau mit Photovoltaikanlage und mobilem Glacéwagen. Im Zentrum steht ein langer Tisch: Ausgabetheke und sozialer Treffpunkt zugleich für Besucher*innen und Hochschulangehörige.

Florentinische Super-Mega Eisdiele
Im Berliner Lindencenter haben Luisa Knödler und Samuel Kleinschmidt im Rahmen des Lehrforschungsprojekts NHSH 4.0 geleitet von Prof. Kristin Wellner an der TU Berlin die Eisdiele Florenz unter die Lupe genommen. Mit Blick auf das Alltägliche kartierten sie, wer hier sein Eis isst, wie sich der Raum füllt, wo die Gespräche entstehen. Ihre Zeichnungen halten skurrile, lebendige, fast filmische Momente fest und zeigen, dass die Eisdiele Florenz ein diverser Treffpunkt und eine Konstante im Kiez ist.

Darauf aufbauend entwickelten die beiden Studierenden eine typologische und historische Analyse – vom mobilen Eiswagen bis zur Mall. Als Zukunftsvision entwerfen sie eine architektonische Superstruktur, inspiriert von Kubas Coppelia, der größten Eisdiele der Welt. Dabei soll Eis als urbanes Gesamtkonzept gedacht sein – mit Freizeitpark, Hotel, Ausstellung und Eisbibliothek.

Innenraumgestaltung mit Geschmack in Köln
Wie sieht ein Raum aus, der nach Eis schmeckt? An der Bergischen Universität Wuppertal entwickelte Raquel Del Fresno eine farbenfrohe Innenraumgestaltung für ein Eiscafé in Köln-Nippes. Ihr Entwurf ist ein Konzeptprojekt für das Modul „Innenraumgestaltung“ unter der Leitung von Prof. Annemarie Neser. Anhand der Design-Regeln von Laurence Llewelyn-Bowen spielt die Studierende mit Kontrasten, Texturen und dem Charakter des Eises selbst. Tropfenformen an den Wänden, pastellige Farbpaletten und eine prominente Feature Wall mit schmelzenden Eiskugeln sollen das Eisessen zu einem Erlebnis machen. Trotz der visuellen Reize bleibt der Raum luftig: schlanke Möbel, klare Blickachsen und zurückhaltende Flächen sorgen für Balance. Der Clou: Die Architektur verstärkt den Geschmack.

Gelateria Mulegns
In der Graubündner Ortschaft Mulegns realisierten Studierende der ETH Zürich mit der Kulturinstitution Origen ein experimentelles Gebäude: Die Gelateria Mulegns verbindet alpine Scheune mit barocker Kuppel. Außen schlicht wie ein Stall, entfaltet sich innen ein farbenfroher, organisch geformter Raum.
Die Struktur, die in unmittelbarer Nähe des Weissen Turms liegt, besteht aus lokalem Holz und recyceltem Kunststoff, gefertigt mit robotergestütztem 3D-Druck. Die transluzente Hülle, die facettierte Holzstruktur und die geschwungenen Formen verschmelzen zu einer multisensorischen Erfahrung. Und im Mittelpunkt? Natürlich das Eis.
