Energy shapes culture: Eindrücke aus dem „Chair for Sustainable Urbanism“
Lernen, mit Energie zu planen: Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Energiekrise beschäftigt sich das Fachgebiet für nachhaltige Stadtentwicklung und Städtebau mit neuen Denkansätzen zum Thema energiebewusstes Leben. Zwei Studios des Lehrstuhls geben uns Einblicke in ihre Lehr- und Lernprozesse.
Eines der bestimmenden Themen unserer Tage ist die Energiefrage. Die sich immer deutlicher abzeichnenden Folgen der Klimaveränderung, Massenproteste gegen den Braunkohlenabbau und schließlich der Russisch-Ukrainische Krieg mit der einhergehenden Gasverknappung führen uns vor Augen, dass ein „Weiter so wie bisher“ kaum zu vertreten ist. Gastprofessor Moritz Maria Karl leitet den neu betitelten Lehrstuhl „Chair for Sustainable Urbanism“ an der Technischen Universität Berlin, in welchem die Lehre schwerpunktmäßig auf Lösungsansätze für diese Themen abzielt. Dort haben sich im Wintersemester 2022/23 zwei Studios, jeweils im Bachelor- und Master, mit der Frage „Wie können und wollen wir zusammenleben in einer Zeit, in der die Verfügbarkeit von Energie ihre Selbstverständlichkeit verloren hat?“ beschäftigt.
Zwei Studios – ein Leitmotiv
Für die aktuelle Studierendengeneration ist das konzeptionelle Mitdenken der Energieaspekte im Entwurf selbstverständlicher geworden, aus der Einsicht der Notwendigkeit heraus. Im Masterstudio „HEAT“ erfolgte hierbei die Annäherung an die Thematik auf einer sehr persönlichen Ebene: die des eigenen Körpers. Hitze ist dabei ein metaphorisches Leitmotiv des Kurses – Energie verspüren wir häufig in Form von Hitze und generiert so bestenfalls Behaglichkeit. Teilnehmer*innen des Bachelor-Studios „LOW-ENERGY | HIGH-X“ sollten eine klimafreundliche Siedlung am Rande Berlins entwerfen, als utopischen Gegenentwurf zur energiehungrigen Stadtentwicklung der Gegenwart. Die Studierenden und Lehrenden haben uns Einblicke in ihre laufende Projektarbeit gewährt und beschrieben, was für sie energieorientiertes Lernen und Lehren bedeutet.
Interventionen zu Hitze und Behaglichkeit: Das Studio „HEAT“
Jeder Studierende war aufgerufen, seine eigenen Hitzeempfindungen und damit verbundene Praktiken zu untersuchen und festzuhalten. Dabei handelt es sich um einen von drei Hauptanalyse-Strängen während des Semesters. Nach dem menschlichen Körper stand im nächsten Schritt die Untersuchung des Raumes durch Mappings auf dem Plan. Wie hängt menschliches Verhalten in einem Raum mit dessen thermischen Bedingungen zusammen? Darauffolgend fand eine Beschäftigung mit institutionalisierten Energiesystemen im städtischen Maßstab statt und eine Kontaktfindung zu Personen, die unter der aktuellen Energiekrise zu leiden haben. Schließlich sollen im Spannungsfeld von Körper, Raum und Stadt Prototypen entworfen werden, die eine alternative Kultur im Umgang mit Energie etablieren könnten.
Im Zuge dieser Analyse- und Projektarbeit sind Ideen für fünf Interventionen entstanden, die sich von Live-Performance bis hin zur Soundinstallation erstrecken. So werden beispielsweise seitens einer Gruppe eine global-partizipative Karte, ein Modell mit Bildern einer Wärmebildkamera als auch Videoinstallationen arrangiert. In Kombination mit einem Wegleitsystem im gesamten Universitäts-Gebäude sollen so Informationen rund um das Thema Energie sichtbar gemacht werden. „Wie viel Energie bist du bereit zu geben, um eine Nachricht zu versenden?“ Mit dem Gedanken an diese Frage will eine Gruppe ein Fahrrad in der Fensterfront platzieren und zu einer Art Kommunikationsgerät umbauen. Verbunden mit einem Tageslichtprojektor bildet es so Nachrichten ab, die mit schweißtreibender Arbeit großflächig an die Fassade der Fakultät projiziert werden.
Wenig Energie, hohe Qualität: Studio LOW-ENERGY | HIGH-X
Die Aufgabe der Bachelor-Studierenden: Eine utopische Siedlung am Stadtrand von Berlin entwerfen. Auch hier stand zunächst das wesentliche Nachdenken über Energie und die Verwendung im urbanen Kontext als Grundlagenbildung an. Die Energieströme des alltäglichen Lebens und die damit verbundenen Auswirkungen waren zu untersuchen und kartieren. Im zweiten Schritt folgte eine Case-Study-Analyse von kommunalen Wohnbauprojekten. Lokale Berliner Beispiele wie die Wohnstadt Carl Legien von Bruno Taut und Franz Hillinger, auch unrealisierte Utopien wie Frank Lloyd Wrights „Broadacre City“ dienten als Referenzen und Orientierungspunkte für die eigenen Entwürfe. Diese sollen pro Gruppe ein „low-energy, high-X“-Wohnblock für 1000 Personen sein. Unveränderbare Grundvoraussetzung für diesen Entwurf ist der geringe Energieverbrauch, der „low energy“-Anteil. Das „high-X“ steht für eine zentrale Qualität des jeweiligen Entwurfes, die dafür sorgen soll, dass die Siedlung für die potenziellen Bewohner*innen Attraktivität ausstrahlt.