Ein Spaziergang durch die Giardini: Best of Biennale Teil 2

Die größte Biennale aller Zeiten – Mit diesem Versprechen eröffnete am Wochenende die 19. Architekturausstellung in Venedig. CAMPUS war dabei und gibt einen Überblick. Hier kommt Teil 2: drei Länder-Highlights der Giardini.

Prägnante Appelle, Sinneserfahrungen, Humor, Materialität, Selbstreflexion – die Themen der Länderpavillons lassen sich nicht auf einen Nenner bringen. 

Wenn Architekt*innen neue Karrierewege einschlagen

Wer mit der CAMPUS-Brille durch die Giardini schlendert, bleibt unweigerlich am Ungarischen Pavillon hängen. Mit cleaner RGB-Farbcodierung und anonymen Mannequins suggeriert die Ausstellung There Is Nothing to See Here. Export your Knowledge! eine fiktionale Arbeitsumgebung eines Büros. Sie rückt jene Architekt*innen ins Rampenlicht, die ihren Beruf erfolgreich hinter sich gelassen haben. 

Unter dem Motto „#noismore“  übt das Kurator*innenteam um Márton Pintér scharfe Kritik an dem Verlust kreativer Souveränität, den Planende heutzutage in der Baubranche erleben. Der Pavillon fordert plakativ dazu auf, architektonisches Wissen in andere Disziplinen zu „exportieren“. Dafür zeigen dreizehn Berufsbiografien alternative Wege nach dem in der Architektur – etwa in Politik, Musik oder Mathematik. Hinter der Kritik steckt auch die Botschaft: In einer Welt, in der Nicht-Bauen die nachhaltigste Option ist, könnten und sollten Architekt*innen ihre Fähigkeiten auch in anderen Bereichen einsetzen. „Wir sind hier, um Ja zum Nein zu sagen“, bringt es Pintér auf den Punkt. Wer sich für das Thema interessiert, sollte unbedingt unseren Alumni-Podcast „Studiert, um zu bauen?“ hören.

Veranda als Inbegriff der Großzügigkeit

Eine schwebende Holzkonstruktion kündigt schon von Weitem den US-Amerikanischen Pavillon an. Ausgestellt wird: eine typologische Abhandlung der Veranda. Mit Porch: An Architecture of Generosity laden die Kurator*innen der University of Arkansas dazu ein, die „USA at its best“ zu erkunden – verkörpert durch den Typus Veranda. Wer sich von der etwas überfrachteten Ausstellungsgestaltung nicht abschrecken lässt, erlebt das für die DNA der USA repräsentative Element aus historischer, gesellschaftlicher und selbstverständlich architektonischer Perspektive. In einem politisch gespaltenen Kontext setzt der Beitrag des Teams von Prof. Peter B. MacKeith auf Gemeinschaft und Austausch.

Ausstellungsprojekt Baustelle

Selbstreferenziell und ressourcenbewusst offenbart sich der Dänische Pavillon als Baustelle – die zugleich Ausstellung ist. Die Kunst darin zeigt sich, dass die materiellen „Innereien“ des Pavillons räumlich ansprechend und informativ inszeniert sind. Anders als die Länderausstellungen von Finnland, Frankreich oder Korea, die ebenfalls ihre eigenen Pavillonbauten thematisieren, gelingt dem dänischen Beitrag Build of Site eine Echtzeit-Fallstudie im Maßstab 1:1. Kurator Søren Pihlmann, unterstützt von Expert*innenteams der Royal Danish Academy, University of Copenhagen, Technical University of Denmark und ETH Zürich, testet damit hyperlokale Methoden zur Wiederverwertung von Baumaterialien.

Und noch ein Extra-Tipp: Wer sich für Handzeichnungen und den menschlichen Maßstab interessiert, sollte den Rumänischen Pavillon nicht verpassen. In einem künstlerisch-architektonischen Dialog untersucht das junge Team – Künstler Vlad Nancă, Muromuro Studio und Cosmina Goagea – die Beziehung zwischen Mensch, Staffage und Gebäude. Die Grundlage bilden vor allem Originalzeichnungen bekannter rumänischer Architekt*innen des 20. Jahrhunderts. 

Biennale für die Unis 

Die diesjährige Biennale rückt akademische Einrichtungen in den Fokus. Das Projekt Biennale Sessions unterstützt Universitäten, Kunstakademien und Hochschulen dabei, Kurztrips für große Gruppen zu organisieren und bietet kostenlose Workshops an. Bislang haben sich 24 italienische und 20 ausländische Institutionen beteiligt.