Wie realisiere ich ein Bauprojekt im universitären Umfeld?

15.06.2022

Simon Fischer und Felix Latzel haben einen Leitfaden entwickelt

Im Sommer 2020 fand auf dem Campus Nord der Technischen Universität Braunschweig die feierliche Eröffnung eines 35 Quadratmer großen Pavillons statt. Das wäre noch nicht unbedingt eine Nachricht, würde es sich bei dem kleinen Holzbau nicht um ein Projekt handeln, das eine Gruppe Studierender in eigener Initiative zunächst als Semesteraufgabe bearbeitet und dann mit viel Überzeugungskraft, Geduld und Einsatz wirklich gebaut hat. 1:1 statt immer nur 1:100: Wieso nicht tatsächlich mal etwas realisieren? Dieser Erfahrungsbericht ist ein praktischer Leitfaden, an dem ihr euch für die Umsetzung eurer eigenen Ideen orientieren könnt.

Die Entstehungsgeschichte unseres „Studierenden-Pavillon“ begann im Sommersemester 2017, als an der Technischen Universität Braunschweig wie üblich auf dem Entwurfsbasar der Architekturfakultät die Aufgabenstellungen für das kommende Semester vorgestellt wurden. Zur Wahl standen unter anderem ein Museum, ein Kulturzentrum und zum wiederholten Mal die „Schule der Zukunft”. Spannend - Aber irgendwie auch nichts Neues. Und am Ende wieder nur ein weiteres Haus auf dem Papier.

Wäre es nicht möglich, tatsächlich einmal etwas zu realisieren? 1:1 anstatt immer nur 1:100? Leichter müsste das Projekt sein, pragmatischer - Ein Pavillon! Schnell stellten sich grundsätzliche Fragen zur Planung und Umsetzung:

  • Wie kann ich ein Selbstbauprojekt sinnvoll in mein Studium integrieren?
  • Für wen baue ich überhaupt?
  • Wer finanziert mein Projekt?
  • Welche Unterstützung brauche ich bei der Umsetzung?

Hier sind einige Antworten, die bei der Planung eigener Selbstbauprojekte helfen sollen.

Studienfortschritt und Fachkompetenz sichern

Leistungspunkte sind die Währung der Hochschule und dienen als Nachweis des Studienfortschritts. Um diesen zu sichern, sollte man sich an einen Lehrstuhl wenden, der die geleistete Projektarbeit entsprechend „vergüten” kann. Außerdem sollte er natürlich inhaltlich zum Vorhaben passen, damit eine fachgerechte Betreuung sichergestellt ist.

Wir hatten von Anfang an den Wunsch, überwiegend mit Holz zu arbeiten. Für eine bestmögliche fachliche Unterstützung während Planung und Bau erschien uns eine Kombination aus Instituten mit Fokus Entwurf und Konstruktion sinnvoll. Folglich nahmen wir mit dem „Institut für Tragswerksentwurf” (ITE) sowie mit dem Institut für „Baukonstruktion und Holzbau” (iBHolz) Kontakt auf, deren Professoren wir mittels einer Projektvorstellung von unserer Idee überzeugen konnten. Die Kombination dieser Institute erwies sich im Nachhinein für unser interdisziplinäres Team aus Architektur, Wirtschaft und Bauingenieurwesen auch im Hinblick auf die Vergabe von Leistungspunkten bei unterschiedlichen Studienordnungen als hilfreich.

Bauherrschaft finden und Strukturen verstehen

Weil das Projekt im Kontext der Universität geplant wurde, sollte das Bauwerk auch auf dem Campus entstehen. Daher war schnell klar, dass unser Bauherr die TU Braunschweig selbst sein sollte. Um die zuständigen Gremien und Abteilungen überzeugen zu können, haben wir zunächst verfügbare Restflächen auf dem Campus identifiziert. Nach Auswahl eines für uns passenden Grundstücks war es notwendig, den Entwurf hinsichtlich einiger orts- und nutzerspezifischer Bedürfnisse zu überarbeiten. Anschließend konnten wir der Universität unseren konkreten Projektvorschlag präsentierten.

Ein solches Bauvorhaben aus studentischer Initiative war für alle Beteiligten etwas Neues. Aufgrund der komplexen Struktur der Universität waren sehr viele Gespräche mit unterschiedlichsten Akteuren notwendig, um die nötige Akzeptanz und schließlich auch eine Freigabe für das Projekt zu erwirken. Dabei gehörten Gebäudemanagement, Präsidium, Studentenwerk und die Fachschaften zu unseren wichtigsten Partnern. Stellvertretend für die Universität als Bauherrin leistete schließlich das Gebäudemanagement die nötige Unterschrift im Bauantrag. Als bauvorlageberechtigter Entwurfsverfasser und Tragwerksplaner des Bauvorhabens trat nach außen das Institut für Baukonstruktion und Holzbau auf. Einen Großteil der Planungsleistungen und Statikberechnungen konnten wir aber selbst erbringen – mit tatkräftiger Unterstützung und Begleitung durch die Institute.

Woher kommt das Geld?

Glücklicherweise gibt es an der TU Braunschweig mit dem „Sandkasten” eine partizipative Plattform, die Studierenden nicht nur die Möglichkeit gibt, Projektideen für den Campus zu veröffentlichen, sondern auch Beratung anbietet und mit einem starken Netzwerk bei der Umsetzung zur Seite steht.
 
Mithilfe eines in der Plattform integrierten Online-Abstimmungssystems lässt sich eine argumentative Grundlage entwickeln, die als hilfreiches Instrument für die Freigabe von Finanzierungsmitteln genutzt werden kann. Darüber hinaus haben wir unser Vorhaben immer wieder auf allen möglichen Veranstaltungen präsentiert, um mit Nutzenden und potentiellen Förderern in Dialog zu treten. Am Ende ist es gelungen, die notwendigen 50.000 Euro für die Realisierung des Pavillons zu akquirieren. Geldquellen waren vor allem Stiftungen, Hochschulmittel und lokale Braunschweiger Unternehmen.

Opening, Video: Babor Massomi, TU Braunschweig

Realisierung - Fertigung und Aufbau

Nachdem wir die Entwurfsphase abgeschlossen hatten, begann für uns die Ausführungsplanung. Dabei war das „Bundesbildungszentrum des Zimmerer- und Ausbaugewerbes” (Bubiza) in Kassel unser wichtigster Partner, der uns tiefe Einblicke in die Welt des Holzbaus ermöglichte, uns zugleich aber auch immer wieder unsere fachlichen Grenzen aufzeigte. So hatten wir bei der Entwicklung  konstruktiver Details und der Modelle für die digitale Fertigung der Bauteile sowie bei der Materialbeschaffung immer erfahrene Zimmerleute an unserer Seite. 
 
In den Werkhallen des „Bubiza” durften wir schließlich auch gemeinsam mit unseren freiwilligen Helfern aus dem Kommiliton*innen-Kreis die Wandelemente und Träger in einer ebenso arbeitsintensiven wie lehrreichen Woche vorfertigen. Von dort wurden die Bauteile direkt zum Aufbau nach Braunschweig transportiert und innerhalb von drei Tagen montiert. Im Rahmen eines offenen Workshop-Tages entwickelten wir passende Möbel für den Pavillon und das Konzept für eine Ausstellung, feierlichen Schlusspunkt bildete dann die Eröffnung des Gebäudes im Juli 2020.

Fazit und „Aha”-Erlebnisse

  • Trotz Integration in den Studienablauf stand der zeitliche Aufwand für das Projekt in keinem passenden Verhältnis zu den erhaltenen Leistungspunkten. Seid Euch dessen bewusst: Ein Bauprojekt dauert oft sehr viel länger als geplant. Die Motivation, ein solches Vorhaben in Angriff zu nehmen, sollte vielmehr im Erfahrungsgewinn liegen und nicht im messbaren Studienfortschritt.
  • Anders als in der freien Wirtschaft bietet ein Uni-Bauprojekt Raum und Verständnis für Rückschläge und Lernmomente. Es liegt fast in der Natur der Sache, mit dem einen oder anderen Thema bisher noch keinerlei Erfahrungen zu haben. Geht offen damit um – Lernbereitschaft ist der Schlüssel zum Weiterkommen.
  • Wer wie wir als Student*innen aktiv auf (lokale) Unternehmen zugeht, kann absolut positive Erfahrungen machen: Wir haben überraschend viel Entgegenkommen bei der Planung und Finanzierung erlebt, außerdem eine große Bereitschaft, Wissen weiterzugeben.
  • Der intensive Austausch mit diversen Akteur*innen weckt vielerorts den Wunsch nach Mitsprache. Das ist natürlich gewollt und auf mehreren Ebenen hilfreich, kostet aber auch Zeit und Nerven. Darüber solltet ihr euch bewusst sein und am Ende die nötige Balance finden.