#ToBeContinued: Symbiotic Spaces - gedruckte Häuser fürs Wildleben

Welche Lebewesen bewohnen eigentlich die Städte, und wie kann ihre Vielfalt erhalten bleiben? Laurin Kilbert und das Symbiotic Spaces Collective haben modulare Behausungen mithilfe additiver Fertigung entwickelt, die Tieren neue Lebensräume bieten sollen.

Insekten, Kriechtiere, Vögel – die Spezienvielfalt unserer städtischen, nicht-menschlichen Mitbewohner*innen ist vielfältig. Welche Lebewesen hausen eigentlich auf unseren gemeinsamen Flächen, und welche ihrer Bedürfnisse müssen wir zukünftig in eine Gestaltung einbeziehen, um weitere Lösungen für das Artensterben zu finden? Das Symbiotic Spaces Collective erforscht die Potenziale des Zusammenlebens zwischen Menschen und anderen Arten im urbanen und suburbanen Raum. Das Kollektiv und das Projekt „Symbiotic Spaces“ ging ursprünglich aus der Masterarbeit von Designer Laurin Kilbert an der Hochschule Hildesheim (HAWK) an der Fakultät für Gestaltung hervor. Die modularen Behausungen, die mittels 3D-Druck hergestellt werden, wachsen aus dem Wasser über die Uferkante in die Luft und bieten Tieren wie Insekten, Amphibien, Säugern und Vögeln Lebensräume, um die lokale Biodiversität zu verbessern.  Das erste praktische Pilotprojekt des Symbiotic Spaces Collective findet im Jahr 2022 im Amphibienbiotop Hildesheim statt. Dort werden die Entwürfe aufgestellt und von Biologen der Naturschutzbehörde Hildesheim untersucht. In enger Zusammenarbeit mit der Behörde und dem Schulbiologiezentrum Hildesheim entwickelt hier das Kollektiv derzeit Behausungen speziell für gefährdete Amphibienarten. Dabei dient der wilde Ton des Biotops als Ausgangsmaterial für die 3D-gedruckten Lebensräume. Laurin Kilbert hat uns Einblicke darüber gegeben, wie das Projekt entstanden ist, was dafür nötig war und welche Zukunftsvision es mit sich bringt.

#ToBeContinued präsentiert Abschlussprojekte, die eine Geschichte erzählen: Konzepte, die weiterentwickelt und umgesetzt wurden und den Absolvent*innen einen erfolgreichen Berufseinstieg ermöglicht haben.

Lokalen Ton in den Druck bringen

Gerade in Städten, in denen der Mensch die Umwelt so streng kontrolliert, gibt es noch viel Potenzial, sich aktiv mit der heimischen Tierwelt auseinanderzusetzen und Räume für diese zu schaffen. Durch angelegte Flussbetten und den geringen Randbewuchs ist es oft äußerst schwer für manche Tierarten, Rückzug zu finden. Wie kann also solch eine Behausung geschaffen und gestaltet werden? Zu Anfang des Entwurfsprozesses für seine Masterarbeit und das daraus entstandene Projekt „Symbiotic Spaces“ stellte sich für Laurin Kilbert sehr schnell die Frage, welches Material und welche die Konstruktionsart für etwaige Rückzugsorte der Tiere geeignet wäre. Um die Formen und Material möglichst individuell selbst bestimmen zu können, begann er zunächst, seinen ersten eigenen 3D-Drucker zu bauen - dadurch ließ sich das Rohmaterial bestimmen, gestalten und kontrollieren. Beim Programmier- und Bauprozess des Druckers und der umfangreichen Analysearbeit an einem nahegelegenen See seines Wohnorts, fiel dem ehemaligen Design-Studenten auf, dass das Gesuchte eigentlich direkt vor seinen Füßen liegt: Eine Menge Ton. Der bereits vor Jahrhunderten verwendete, archaische Rohstoff ist nicht nur natürlicher Teil des Biotops geworden, sondern verweist auch historisch zu den Klinkerbauten in Hildesheim und der stillgelegten Industrie in der Stadt und im Umland. Bereits in den 50er und 60er Jahren im städtischen Kontext viel verwendet, sind die Fragen nach diesem Material jedoch heute andere, die nun für Themen wie den Artenschutz Verwendung finden können.

Vielfältige Form für diverse Arten

In einem Biotop leben unterschiedliche Tierarten, die unterschiedliche Bedürfnisse an ihr Habitat stellen. Je nachdem, ob das Individuum Flügel oder Flosse hat, ob es groß und rund oder klein ist, unterscheidet sich die Gestaltung der kleinen Architektur für Insekten, kleine Säugetiere, Fische und Fliegen. Im Projekt Symbiotic Spaces galt es im Zuge dessen, Behausungen aus dem wilden Ton, in unterschiedlicher Form für diverse Arten zu entwickeln. Die Gestaltung der Objekte weist verschiedene Öffnungen und Tiefen auf, die unterschiedliche Architekturen für die jeweiligen Körpertypen bieten. Über das additive Verfahren ließen sich besonders organische und insbesondere kleinteilige Formen digital entwerfen und dezidiert angepasst umsetzen. Die Gestaltung in den Geometrien der Kugel, Halbkugel und Säulen lässt sich auf die Stapelung der einzelnen Schichten rückführen und spart zudem in der Fläche Material ein.

Kollektivarbeit in Kooperation mit dem Naturschutz

Kilberts Masterarbeit war jedoch nur eine Zwischenstation, denn bereits in der Ausführung der Symbiotiv Spaces Prototypen ging die Forschungs- und Projektarbeit weit darüber hinaus. Während der Gestaltung der Abschlussarbeit und der Konstruktion des 3D-Druckers ist das Symbiotic Spaces Collective entstanden, das aus Zusammenarbeit von Mitgliedern unterschiedlicher Disziplinen besteht. Das Kollektiv arbeitet derzeit für ein laufendes Projekt mit dem Amphibienbiotop in Hildesheim in einer laufenden Kooperation, um konkret geeignete Formen für die gefährdete Gelbbauchunke und den Kammmolch weiterzuentwickeln. Für den transdisziplinären Prozess und die wissenschaftliche Expertise arbeitet die Gruppe unter anderem mit Biologin Frauke Imbrock von der Naturschutzbehörde Hildesheim zusammen. Um die biorezeptive Qualität der Objekte zu bewerten, wird zudem gemeinsam mit dem Schulbiologiezentrum Hildesheim ein Citizen Science-Projekt aufgebaut. Dies soll für Außenstehende einen spielerischen Zugang zum Projekt und gleichzeitig eine methodische Datengrundlage für die weitere empirische Forschungsarbeit generieren. Ziel des Projekts ist die Entwicklung und Herstellung einer Multiartenarchitektur aus dem Rohton des Biotops. Auf diese Weise tragen alle Teilnehmer zum größeren Diskurs über das Artensterben und die lebenserhaltenden Optionen menschlichen Handelns bei.